Sebastian Kurz

Nationalratswahl 2019: Internationale Pressestimmen

Corriere della Sera: "Eher eine Revolution" - Bild: "Kurz hat Rechtspopulisten entzaubert" - Washington Post: "Kurz könnte Europas Rechtsaußen-Parteien symbolischen Schlag versetzen".

Drucken

Schriftgröße

"Spiegel Online":

"Dem Marketing-Profi Sebastian Kurz ist es gelungen, einem extrem personalisierten Wahlkampf seinen Stempel aufzudrücken. Die Erinnerung daran, dass Österreich sich eben erst in den Augen vieler als Bananenrepublik blamiert hatte, verblasste dadurch. Dass Kurz, nicht zuletzt mit Selfies über Instagram und mit staatsmännischer Pose in Fernseh-Duellen, weit mehr Wähler erreichte als seine politischen Mitbewerber, sagt viel über die Geheimnisse des Wahlkampf-Erfolgs im digitalen Zeitalter aus. Andererseits: Den Grünen gelang es, ihr Wahlergebnis um mehr als das Dreifache zu steigern, mit betont linken Positionen in der Sozialpolitik und begünstigt vom Rückenwind der laufenden Klimadebatte. Das lässt den Schluss zu, dass inhaltliches Format sich gleichfalls auszahlen kann."

"Süddeutsche Zeitung":

"Die Wählerwanderung von der FPÖ hin zur ÖVP ist eine deutliche Aufforderung an Kurz, dort hinzuschauen, wo sich seine Partei traditionell eigentlich verortet: in der viel beschworenen Mitte (...) Wenn Sebastian Kurz dereinst nicht nur als junger und überdurchschnittlich talentierter, sondern auch als großer Staatsmann im Gedächtnis bleiben will, sollte er diese Chance ernst nehmen."

"Frankfurter Allgemeine Zeitung":

"Bis vor zwei Jahren galt in Österreich der Erfahrungswert, dass in der Regel derjenige in vorgezogenen Wahlen bestraft wird, der sie vom Zaun gebrochen hat. Jetzt hat Sebastian Kurz das zum zweiten Mal in kurzer Frist getan und ist zum zweiten Mal als klarer Sieger aus der Wahl hervorgegangen. (...) Aber die Aufgabe, die sich ihm jetzt stellt, ist noch kniffeliger: Er muss eine Regierungsmehrheit zustande bringen. (...) Auch politisch stehen große Hindernisse vor jeder möglichen Koalition, ob es eine Neuauflage von Türkis-Blau wäre, ein Rückgriff auf die große Koalition, das Experiment eines Dreierbündnisses, falls es zu Türkis-Grün nicht doch reicht, oder eine Minderheitsregierung. Kurz muss nun das politische Talent unter Beweis stellen, das ihm von vielen Seiten bescheinigt wird."

"Zeit Online":

"Er hat ein hohes Risiko in Kauf genommen, alles auf eine Karte, seine Person, gesetzt und grandios gewonnen. Sebastian Kurz, Ex-Kanzler und wohl auch der nächste Kanzler Österreichs, triumphierte bei den Parlamentswahlen in Österreich. Die Entscheidung, wer letztlich der Mehrheitsbeschaffer sein wird, trifft Sebastian Kurz wohl im Alleingang. Bislang schien er zu einer Neuauflage seiner alten, umstrittenen Koalition mit der FPÖ zu neigen und sprach davon, er möchte eine "anständige Mitte-Rechts Politik" betreiben. Entschließt er sich tatsächlich dazu, setzt er seinen bisherigen Hochrisiko-Kurs fort. Denn bei den auf ihre Kernwähler reduzierten Rechtspopulisten wird sich die Bestrebung durchsetzten, sich mit radikalen Positionen und Tönen noch stärker als kompromisslose Rechtspartei zu profilieren. Egal, wenn er am Ende wählt: Sebastian Kurz weiß, dass er keine dritte Chance mehr bekommen wird. Scheitert auch seine zweite Regierungskoalition, geht seine politische Karriere dem Ende zu."

"Bild" online (Berlin):

"Es ist ein Triumph, den Volksparteien so in Europa kaum noch feiern können: Sebastian Kurz, der jüngste Altkanzler der Welt, wird schon bald wieder der jüngste Regierungs-Chef der Welt sein - mit einem noch besseren Ergebnis als bei der letzten Wahl! Kurz' Sieg und sein Wahlkampf zeigen, was ER kann und was in Deutschland der CDU, seiner Schwester-Partei, an der Spitze fehlt: Klare Themen-Setzung, rhetorisches Talent, wenig Fehler. (...) Und er kann jetzt etwas schaffen, was Merkel in Deutschland nicht gelungen ist: Schwarz-Grün, oder eine in Österreich "Dirndl"-Koalition genannte Zusammenarbeit mit Grünen und Liberalen (Neos). Damit wäre Kurz dann ein politisches Vorbild in ganz Europa."

"Neue Zürcher Zeitung":

"Kurz wird nicht nach Belieben seinen möglichen Partnern Koalitionsbedingungen diktieren können, er muss sich auf zähe Verhandlungen einlassen. Dabei bieten sich ihm nur missliebige Optionen. Mit der FPÖ würde man sich zwar inhaltlich schnell einigen, das alte Regierungsprogramm böte die Grundlage. (...) Doch Kurz erklärte auch, er wünsche sich eine "ordentliche Mitte-rechts-Politik" ohne die "Grauslichkeiten" der rechten Skandale. Die Vorstellung, dass sich mit dem neuen FPÖ-Chef Norbert Hofer ein anständiger, gemäßigter Flügel durchsetzen wird, ist allerdings naiv. (...) Bisher endete jede Regierung mit Beteiligung der Freiheitlichen vorzeitig und im Chaos. (...) Das macht eine Neuauflage dieses Bündnisses für Kurz zur Hochrisikostrategie. Die Alternative sind allerdings ebenso schwierig. Ein Zusammengehen mit der SPÖ und die Rückkehr zur großkoalitionären Blockadepolitik widerstrebt Kurz zutiefst. Von seinem Selbstbild als Reformer müsste er sich verabschieden. Inhaltlich noch komplizierter wäre eine Koalition mit den Grünen. Sie würden Kurz zu einem Abrücken von seiner restriktiven Migrationspolitik zwingen wollen, die er zu seinem Markenzeichen gemacht hat. Dennoch wäre diese Option einen Versuch wert. (...) Schwarz-Grün böte den Reiz des Neuen, und darin gefällt sich Kurz stets. Doch er müsste sich nicht nur bewegen, sondern sich geradezu neu erfinden."

"Corriere della Sera" (Mailand):

"Mehr als eine Wahl war es eine Revolution. Sebastian Kurz räumt bei der österreichischen Wahl ab und bringt die ÖVP zum zweitbesten Ergebnis ihrer Geschichte. Der Triumph des ehemaligen und künftigen Kanzler wird von einer radikalen Veränderung der Wiener politischen Landschaft begleitet, die den Zusammenbruch der extremen Rechten, einen großen Erfolg der Grünen nach dem Modell ihrer deutschen Zwillingsbrüder und Souffleure, die Bestätigung der Krise der Sozialdemokratie, die jedoch nicht existenzielle Ausmaße wie in Deutschland annimmt, bedeutet. Mit nur 33 Jahren kann sich Kurz sicher sein, seine zweite Regierung zu bilden, vier Monate nachdem er zum Rücktritt gezwungen wurde, nachdem ein Skandal im Mai seine ehemaligen rechtsextremen Verbündeten FPÖ weggerissen hat. Er wird erneut der jüngste Regierungschef der Welt sein. Aber von der Wahl seiner Koalitionspartner, die allein in seinen Händen liegt, wird abhängen, ob er in der Spur der sicheren Kontinuität Österreichs bleiben oder als Pionier neuer politischer Gleichgewichte in die Geschichte eingehen wird, indem er Österreich zu einem Versuchslabor macht."

"La Repubblica" (Rom):

"Es wir einer bedeutenden Wendung bedürfen, damit Sebastian Kurz der xenophoben und EU-skeptischen Ultrarechten, mit der er bis Mai regiert hat, den Rücken kehrt und seine Arme für die Sozialdemokraten öffnet. Oder, wie es in diesen Stunden wahrscheinlicher erscheint, den Grünen. Aber wenn ihm diese akrobatische Übung gelingen sollte, wäre dieser Unterschied vor allem in Europa zu spüren. Dort hoffen viele auf einen zweiten 'Fall Conte', also eine Bestätigung des bisherigen Kanzlers aber mit einem Juniorpartner, der weniger gegen Brüssel wettert und bei den großen dringlichen Problemen Europas wie der Migrationsfrage dialogbereiter wäre. Die Entscheidung der Österreich war auf jeden Fall deutlich. (....) Der Weg für eine Kehrtwende von Kurz hin zu einer großzügigeren Politik gegenüber Migranten oder beim Stabilitätspakt dürfte lang und verschlungen werden."

"Le Monde":

"Es sind wieder Skandale, die diesen Absturz (der FPÖ) ausgelöst haben, wie eine schlechte Geschichte, die sich wiederholt. (...) Doch abseits der wiederkehrenden innerparteilichen Skandale fügt sich der Rückgang der FPÖ, die auch vom erzkonservativen ungarischen Premierminister Viktor Orban unterstützt wurde, ein in eine ähnliche Tendenz in anderen europäischen Ländern. Matteo Salvini ist nicht mehr italienischer Innenminister, der Brexit spaltet das Vereinigte Königreich zutiefst. "Wir sind nicht mehr in derselben Situation wie im Augenblick der Migrationskrise 2015 und unmittelbar danach, auch wenn es eine stabile Basis von etwa 20 Prozent der Stimmen für unsere Parteien gibt", räumte der FPÖ-nahe Historiker Lothar Höbelt ein, zumal die Partei ausschließlich mit der Migrationsfrage geworben hat, ohne die Umweltsorgen in den Blick zu nehmen."

"Guardian" (London):

"Für Kurz würde ein erneuerter Pakt mit einer geschwächten extremen Rechten wahrscheinlich das Kräfteverhältnis zu seinen Gunsten kippen. Vor der Wahl am Sonntag schien er bereits ausgeschlossen zu haben, Kickl einen weiteren Posten zu übergeben. Kurz weiß auch, dass er den aggressiven Stil der Rechtspopulisten leichter eindämmen kann, indem er sie in der Nähe hält, anstatt sie auf die Oppositionsbänke zu schieben. Dennoch gibt es im ganzen Land starken Widerstand gegen ein ÖVP-FPÖ-Bündnis sowie in Kurz' Partei. In den eineinhalb Jahren, in denen die FPÖ an Österreichs Regierung beteiligt war, gelang es ihr, eine große Anzahl kleinerer und großer Skandale anzuhäufen."

"El País" (Madrid):

"Der 33-jährige Kurz hatte das Glück, den Skandal (um seinen damaligen Koalitionspartner FPÖ) unbeschadet zu überstehen. Und er war geschickt genug, um das Vertrauen der Wähler zurückzuerobern. Es ist nun zu hoffen, dass er die Lektion gelernt hat und dass er allen anderen politischen Kräften Österreichs zuhört, den Sozialdemokraten, den Liberalen und den Grünen, die ihn dazu auffordern, bei dieser zweiten Chance, die er nun bekommt, auf eine Wiederauflage einer Allianz zu verzichten, die sich als katastrophal erwiesen hat (...) Kurz sollte nicht ein zweites Mal über den selben Stein stolpern. Die extreme Rechte hat bereits gezeigt, was für ein Projekt sie für die österreichische Demokratie hat."

"Financial Times" (London):

"Es werden große politische Differenzen zu überbrücken sein. Aber eine gemeinsame Agenda zum Schutz der Umwelt und zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes in Österreich könnte Wählern beider Parteien gefallen. (...) In den vergangenen Jahren ist Österreich so etwas wie ein politisches Testgelände für Europa geworden. 2016 hat Sebastian Kurz den Weg für ein Wiederaufleben der Konservativen bereitet, indem er die politisch weit rechts stehende FPÖ in Sachen Immigration nachahmte und dann mit ihr eine Regierung bildete. Jetzt könnte er den Weg bahnen für eine Zusammenarbeit von Christdemokraten und Grünen auf nationaler Ebene - eine Kombination, die in Deutschland in der Ära nach Angela Merkel an die Macht kommen könnte."

"Washington Post":

"Der Niedergang der Freiheitlichen Partei könnte Kurz eher dazu bringen, sich anderswo einen Koalitionspartner zu suchen, ein Schritt, der den Rechtsaußen-Parteien in Europa einen symbolischen Schlag versetzen würde. Politisch würde die FPÖ als natürlicher Verbündeter erschienen. Es gelang Kurz, das Schicksal seiner Volkspartei zu wenden und 2017 Kanzler zu werden, indem er eine harte Linie bei der Einwanderung - ein Thema das die Agenda in Österreich nach der Migrationskrise 2015 beherrschte - annahm. Kurzs Strategie wurde von der konservativen Parteien in ganz Europa, die Stimmen an die extremen Ränder verlieren, mit Interesse verfolgt. Er hatte eine harte Kurs in der Einwanderungspolitik eingenommen, rühmte sich für die Schließung der Hauptrouten für Flüchtlinge nach Europa, aber seine Regierung behielt eine proeuropäische Agenda. Aber im Sog des Ibiza-Skandal und nachdem der Klimawandel die Einwanderung als Hauptsorge der Wähler verdrängte, könnte sich Kurz laut Beobachtern auch anderswo eine Regierungspartner suchen. Kurz, der Goldjunge der Rechten, hat es unterlassen, im Wahlkampf irgendeine Koalitionsvariante auszuschließen."