Ausland

Nordkorea auf TikTok: Eine neue Ära der Propaganda

Ein Account aus Nordkorea erobert TikTok, um Werbung für die Diktatur zu machen - scheitert dabei aber kläglich.

Drucken

Schriftgröße

Party in Pjöngjang. Die große Pause in der Schule. Deutsche Oberklasseautos am Parkplatz. Es sind Bilder, die man noch nie gesehen hat; oder besser gesagt, nicht sehen durfte: Exklusive Einblicke in den “Alltag” Nordkoreas. 

Der neue - und teils mysteriöse - TikTok-Account “northkoreanlife” nimmt die Nutzerinnen und Nutzer der Social-Media-Plattform mit in die kommunistische Diktatur - freilich nach außen hin geschönt und inszeniert. Mehr als 230.000 Follower hat der Account bereits, die kurzen Videoclips werden bis zu 34-Millionen mal geklickt. 

“Nur hier für die Kommentare” 

Die Kommentarsektion des Accounts ist voll von Schock und Häme: “Die singen um ihr Leben”, “Alles gekaufte Arbeiter” oder “Es sieht aus wie in den 80ern, nur mit Handys”. Am schärfsten sind die Kommentare unter einem Video, das zeigen soll, dass fast jeder Nordkoreaner einen Regenschirm besitzt. “Wow, ihr habt Regenschirme. Ich ziehe jetzt auch zu euch,” meint ein User ironisch. 

Nordkoreas Bürgerinnen und Bürger haben keinen Zugang zum freien Internet und Computer sind grundsätzlich ebenso verboten. Filmen dürfen lediglich speziell ausgebildete Mitarbeitende der Regierung. Für wenige Privilegierte gibt es zwar ein staatlich kontrolliertes, landesweites Intranet namens Kwangmyong, abrufbare Websites lassen sich aber auf einer Hand abzählen. 

Als der Account “northkoreanlife” im Februar online ging, war die Verwunderung auf TikTok deshalb groß. Wer steckt hinter dahinter? Wer filmt die glücklich herumtanzenden Nordkoreanerinnen und -koreaner? 

Kim Jong Un, gelangweilte Teenager oder doch die Chinesen? 

Im Internet kursieren Gerüchte, es könnten einfach “gelangweilte Teenager aus dem Westen sein”, die sich mit den Kurzclips das Wochenende vertreiben. Auch TikTok selbst wird immer wieder als Drahtzieher genannt. TikTok gehört dem chinesischen Konzern ByteDance. Nachdem immer mehr Regierungen im Westen TikTok wegen Spionageverdachts auf den Diensthandys von Regierungsbeamten verbannten und gar über ein Komplettverbot diskutiert wird, könnte dies ein Seitenhieb aus Peking sein, so zumindest die Ansicht in den USA. Doch die Inhalte der bizarren Kurzclips lassen darauf schließen, dass die strikte Propagandamaschinerie von Diktator Kim Jong Un dahintersteckt - und damit einen neue Ära der Propaganda einläute. 

Propaganda auch auf Youtube 

Wasserparks, Harry Potter oder köstliche Desserts. Glaubt man der 11-Jährigen Sang A, ist Nordkorea ein Schlaraffenland für Kinder. Der Alltag in Pjöngjang aus den Augen eines Kindes, dokumentiert auf Youtube und sichtbar für die ganze Welt. 

Song A ist jedoch das Gegenteil eines typisch nordkoreanischen Teenagers, wie sie sich selbst beschreibt. Die stalinistische Diktatur verbietet ihren Bürgern nämlich nicht nur das Internet, sondern auch ausländische Literatur und Kultur. Im Land herrscht seit Jahren ein Lebensmittelengpass und der Besuch von Freizeitparks ist nur der obersten politischen Klasse vorbehalten. 

Und genau hier, zwischen Rutschen und Wasserreifen, verrät sich die Kim`sche Propagandamaschinerie: In den Clips von Song A erkennt man klar, dass die besuchten Freizeitparks eigentlich nicht täglich geöffnet sein können - und auch nicht dafür ausgelegt sind. "Die Stromversorgung des international isolierten Landes reicht dafür nämlich gar nicht aus”, erklärt die Nordkorea-Expertin Park Seong-Cheol gegenüber der BBC. 

Auf Nachrichten reagieren die Accounts nicht. Angesichts der geopolitischen Spannungen auf der Koreanischen Halbinsel, den sich häufenden Raketentests und der internationalen Isolation wirkt diese neue Art der Propaganda besonders perfide. 

Maximilian Mayerhofer

Maximilian Mayerhofer

war bis Mai 2023 Online-Redakteur bei profil. Davor war er beim TV-Sender PULS 4 tätig.