Türkische Sicherheitskräfte halten Polizisten fest.

Putschversuch in der Türkei: Ausnahmezustand in Kraft

Nach dem gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli verhängt Erdogan den Ausnahmezustand und setzte die Menschenrechtskonvention außer Kraft. Der versuchte Putsch in der Türkei forderte 1.491 Verletzte und 312 Tote.

Drucken

Schriftgröße

Erdogan will Menschenrechtskonvention aussetzen

Der Sprecher der türkischen Regierung verkündete, die türkische Regierung wolle vorübergehend die Europöische Menschenrechtskonvention aussetzen. Mehmet Simsek, türkischer Vizepremierminister, berief sich auf Frankreich, wo die Menschenrechtskonvention vor Kurzem ebenfalls einstweilig ausgesetzt wurde.

Kurz bestellt türkischen Botschafter ins Außenministerium

Außenminister Sebastian Kurz zitierte am Donnerstag den türkischen Botschafter, Hasan Gögüs, ins Außenministerium. Kurz sprach sich explizit gegen die Pro-Erdogan-Demonstrationen aus, die in den letzten Tagen in Wien stattgefunden hatten.

Ausnahmezustand verhängt

Der vom türkischen Präsident, Recep Tayyip Erdogan, verhängte dreimonatige Ausnahmezustand trat Mittwoch Nacht in Kraft. Er rechtfertigt seine Entscheidung damit, dass die Gefahr eines erneuten Putschversuchs noch nicht abgeklungen ist. Der Ausnahmezustand erleichtere es auch, die Putschisten aufzuspüren und in Gewahrsam zu nehmen.

Unter dem verhängten Ausnahmezustand kann Erdogan mittels Dekret regieren. Ausgangssperren sind zulässig, die Berichterstattung in den Medien kann verboten werden. Erdogan verhängte ein Ausreiseverbot für Akademiker.

Kommt jetzt die Todesstrafe?

Im Zuge seiner "Säuberungspolitik" nach dem Putschversuch denkt der türkische Machthaber nun auch laut über die Wiedereinführung der Todesstrafe nach. Erdogan sprach von einem "Krebsgeschwür" im Staat und drohte den Putschisten mit harten Strafen. Der Einsatz der Todesstrafe dürfe nicht verzögert werden, sagte Erdogan in Reaktion auf entsprechende Zurufe aus der Menge. Sie wurde erst im Jahr 2004 abgeschafft und war eine Bedingung für den Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen.

Die Ankündigung Erdogans sorgte für heftige Kritik in Österreich und der EU. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) forderte ein Bekenntnis zur Beibehaltung der Abschaffung der Todesstrafe. "Wer die Todesstrafe einführt, hat definitiv keinen Platz in der EU." Die Repressionen seitens der Erdogan-Regierung gegen Putschisten bezeichnete Kurz als "bedenkliche Entwicklung". Die Verhaftungswelle sei "inakzeptabel".

Die Türkei stand im Mittelpunkt der Beratungen der 28 EU-Außenminister am Montag in Brüssel. Der französische Außenminister Jean-Marc Ayrault sowie sein deutscher Amtskollege Frank-Walter Steinmeier warnten vor einem Rückschritt bei der Demokratie.

Die Verhaftungswelle nimmt kein Ende

Insgesamt wurden bis Sonntagabend 6.000 Personen unter Putschverdacht festgenommen, darunter auch ein Berater von Staatspräsident Erdogan, Oberst Ali Yizici, sowie ein Berater des Expräsidenten Abdullah Gül.

EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn sagte am Rande des EU-Außenministerrates in Brüssel mit Blick auf die tausenden rasch verhafteten Richter, dass "zumindest eine Liste vorbereitet wurde".

Anführer der Putschisten soll nach Angaben aus Regierungskreisen der Ex-Luftwaffenchef Akin Öztürk gewesen sein. Öztürk sei "der formale Anführer der Junta" gewesen. Der General gehörte bisher dem Obersten Militärrat an. Neben Öztürk wurden nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu mehr als 100 weitere Generäle aus den Streitkräften festgenommen.

Erhöhte Militärpräsenz in Istanbul

In Istanbul wurden indes 1.800 zusätzliche Spezialkräfte zusammengezogen. Diese Kräfte mit gepanzerten Fahrzeugen würden an strategisch wichtigen Einrichtungen und Straßen der größten Stadt des Landes eingesetzt, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Montag.

Der Polizeichef Istanbuls, Mustafa Caliskan, habe zudem den Befehl gegeben, unbekannte Hubschrauber ohne Vorwarnung abzuschießen. In der Nacht patrouillierten im gesamten türkischen Luftraum F16-Flugzeuge. Putschisten hatten bei ihrem Umsturzversuch in der Nacht auf Samstag Kampfjets sowie Hubschrauber gekapert und unter anderem das Parlament in Ankara bombardiert.

General Ümit Dündar wurde kommissarisch zum Militärchef ernannt.

Erdogan beschuldigt Fethullah Gülen

Präsident Recep Tayyip Erdogan macht seinen Erzrivalen, den in den USA lebenden Fethullah Gülen und dessen Anhänger, für den Putschversuch verantwortlich. Gülen betreibe den Aufbau von Parallelstrukturen im Staat und damit seinen Sturz, so der Vorwurf Erdogans.