Schlaflos in Bukarest

In Rumänien gehen seit Wochen Tausende Menschen auf die Straße und wollen die Regierung stürzen. Fünf Antworten zu den Demonstrationen und den zugrunde liegenden Problemen.

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Worum geht es da überhaupt?

Wie so oft: Korruption. Der Anlassfall war eine Eilverordnung der eben erst gewählten Regierung aus Sozialdemokraten (PSD) und Liberalen (Alde). Sie sollte alle Korruptionsdelikte unter 45.000 Euro straffrei stellen. Das hätte auch für laufende Verfahren gegolten und dabei einem Mann genützt: Liviu Dragnea.

Wer ist Liviu Dragnea?

Der 54-Jährige führt die Partidul Social Democrat und steht für vieles, was in der rumänischen Elite falsch läuft: Er gilt als heimlicher Regierungschef, darf aber kein hohes Staatsamt ausüben, nachdem er wegen versuchten Wahlbetruges zu einer zweijährigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt wurde. In einer anderen Sache droht ihm aber Gefängnis: Dragnea soll den Staat um rund 23.000 Euro betrogen haben (die Eilverordnung hätte eine Verurteilung deswegen verhindert). Mittlerweile hat die Regierung zurückgerudert und ihr Vorhaben zu den Akten gelegt. Sie will die Amnestie für Dragnea und etliche Beamte und Politiker aber trotzdem noch durchbringen - mit einem normalen Gesetz.

Wie kommt eine solche Partei an die Macht?

Die PSD bekam bei der Parlamentswahl im Dezember rund 45 Prozent der Stimmen, rund neun Prozentpunkte mehr als im Jahr 2012. Allerdings: Die Wahlbeteiligung lag bei nur 39 Prozent. Da die PSD-Wähler zu den treuesten in Rumänien zählen, konnte die Partei so die Politikverdrossenheit für sich nutzen. Das Land wurde ein Jahr lang von Technokraten regiert, die der konservative Präsident eingesetzt hatte, um eine Regierungskrise zu beenden.

Worum ging es bei dieser Krise?

Erraten: um Korruption! Dem ehemaligen Premier Victor Ponta (er gehört ebenfalls der PSD an) wurden Steuerhinterziehung, Urkundenfälschung und Geldwäsche vorgeworfen. Zurücktreten musste er, nachdem im Oktober 2015 bei einem Brand in einem Nachtclub 64 Menschen gestorben waren. Die Ermittler fanden heraus, dass bei Sicherheitsvorschriften wohl wie üblich ein Auge zugedrückt worden war. Schon damals gingen Tausende Rumänen auf die Straße, um gegen die weit verbreitete Kultur der Korruption im Land zu protestieren.

Wie geht es nun weiter?

Für die Demonstranten geht es nicht mehr um die Eilverordnung, sondern ums große Ganze. Der rumänische Alltag wird von kleinen und größeren Bestechungen bestimmt: Wer zum Beispiel im Krankenhaus schnell behandelt werden will, muss dafür zahlen; dasselbe gilt für Eltern, die sicherstellen wollen, dass Lehrer ihre Kinder betreuen. In den vergangenen Jahren griff die Justiz allerdings härter durch und verhängte Rekordstrafen. Dagegen wehren sich PSD und Alde - weswegen die Demonstranten nun ihren Rücktritt fordern. Der Justizminister kam dem Wunsch bereits nach und legte sein Amt zurück.