Straßensperren: Die Haupteinnahmequellen bewaffneter Milizen

Wie sich bewaffnete Gruppen durch Wegzölle finanzieren – und weshalb westliche Unternehmen und NGOs zur Macht der Milizen beitragen.

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Wie finanzieren sich bewaffnete Milizen – und was braucht es, um ihnen die Kontrolle zu nehmen? Sind es natürliche Ressourcen wie Bodenschätze, sind es Gebiete und die Menschen, die dort leben?

Nein, schreibt Peer Schouten in seinem neuen Buch „Roadblock Politics“ (Cambridge University Press). Der niederländische Konfliktforscher kommt zu dem Schluss, dass Straßensperren zur Haupteinnahmequelle von Terrorgruppen wie al-Shabaab in Somalia und den Taliban in Afghanistan geworden sind: An Checkpoints entlang von Handelsrouten und geografischen Nadelöhren werden Reisenden und Transportunternehmen „Transitsteuern“ abgenommen. „Im Ostkongo müssen Bäuerinnen mitunter die Hälfte ihrer Ernte abgeben, bevor sie den Markt erreichen“, erzählt Schouten im Gespräch mit profil.

Wer in Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo, in Somalia oder Afghanistan Hilfe leisten oder Geschäfte machen will, der muss auch die Milizen bezahlen. „Westliche Unternehmen, NGOs und sogar die Vereinten Nationen stecken so Hunderte Millionen Dollar in die Finanzierung von Rebellengruppen“, sagt Schouten. 

Experten und Politiker hätten das Geschäftsmodell der Gruppen falsch interpretiert und deshalb nutzlose Maßnahmen getroffen, meint der Forscher. Bewaffnete Gruppen hätten häufig kein Interesse daran, ganze Gebiete zu erobern – vor allem dort, wo die Kontrolle über Dschungel oder Wüsten wenig bringt. Weggelder entlang strategischer Handelsrouten einzuholen, ist nicht nur ertragreicher, sondern auch einfacher als etwa das Betreiben einer Mine.

Das gilt auch für die Demokratische Republik Kongo. Eine Fahrt von 1000 Kilometern kostet einen LKW hier rund drei Wochen Zeit und mehrere tausend Dollar. Grund dafür sind nicht nur die schlechten Straßen, sondern auch die hohen Wegzölle. Allein in zwei östlichen Provinzen hat Schouten mehr als 800 Checkpoints ausgemacht, im Schnitt einer alle 14 Kilometer. Bis zu 50 Millionen Dollar bringen diese jedes Jahr ein. Die Hälfte von ihnen steht unter der Kontrolle der staatlichen Armee, doch auch die rund 120 bewaffneten Gruppen im Land streben nach der Macht der Straße. So hat Schouten bereits 2013 darauf hingewiesen, dass der Bierkonzern Heineken der Rebellengruppe M23 Zölle bezahlt, um seine Ware im Land zu verteilen.

Auch in Afghanistan verhalfen Transitsteuern den Taliban zu Macht und Kontrolle. Die Islamisten haben rasch erkannt, dass sich damit mehr Geld verdienen lässt als mit dem Opiumhandel. Mit dem Abzug der US-Truppen weiten sie ihre Kontrolle über die Straßen aus – und treiben mit illegalen Wegzöllen Millionen von Dollar ein.

In Somalia wiederum lockt die Islamistenmiliz al-Shabaab mit (im Vergleich zu den staatlichen Checkpoints) niedrigeren Gebühren auf ihre eigenen Routen und verspricht Reisenden Schutz, während sie die Straßen unter staatlicher Kontrolle regelmäßig angreift. „Al-Shabaab ist effektiver als der Staat, betreibt Gesundheitszentren, Schulen, leistet humanitäre Hilfe“, sagt Schouten. All das finanziere die Miliz mit einem äußerst durchdachten Steuersystem.

Was also tun?

Das Problem sind laut Schouten die globalen Handelsketten, die Zahlungen an Milizen unsichtbar machten: Unternehmen und NGOs arbeiteten über eine Reihe von Subunternehmen, die LKW-Fahrer kämen erst an vierter, fünfter Stelle der Kette. „Wir müssen alle, die in diesen Ländern operieren, zu mehr Transparenz zwingen“, sagt er. Würden Organisationen wie NGOs und die Vereinten Nationen unter eigener Flagge fahren, anstatt Subunternehmen zu beschäftigen, müssten sie in den allermeisten Fällen auch keine Wegzölle bezahlen. 

Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort.