Gastbeitrag

Walter Mayer zu Deutschland: Lala-Loser-Land

Seit etlichen Jahren pendelt unser Gastautor Walter Mayer regelmäßig zwischen zwei Schwellenländern. Zwischen Marokko und, sprechen wir es aus: Deutschland.

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Von Walter Mayer

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Während sich das Palmenreich im Norden Afrikas mit Leuchtturm-Projekten wie dem größten Hafen des Kontinents, ziemlich pünktlichen High-Speed-Zügen und riesigen Solarenergie-Plantagen infrastrukturell und egomäßig hochstrampelt, befindet sich, ach ja, unser Deutschland, das Ex-Vaterland der Effizienz, zumindest gefühlt, an der schwefeligen Schwelle zur Hölle. Versagen, Verderben, Verlustängste-eine neue Leidkultur des Selbstmitleids prägt das deutsche Mindset.

Die Zeitenwende des Versagens offenbarte sich zunächst auf jenem Feld, auf dem das Spiel immer schon sehr ernst war. Das blamable Vorrunden-Aus bei der Fußball-WM in Katar, dem by the way Miteigentümer von VW, Siemens und Deutscher Bank, also eines Gutteils der sogenannten "Deutschland AG". Man wollte die Show der Scheichs gleichzeitig boykottieren und gewinnen. Klar ging der Doppelpass daneben. Am frühen Ende biss "Die Mannschaft" im Beisein der "One Love"-Binde tragenden Innenministerin prinzipienfest ins Gras.

Seither reiht sich eine Katastrophenmeldung an die nächste: Desaster Digitalisierung: Deutschland auf den vorletzten Plätzen im Ranking der Industrienationen, abgeschlagen hinter Erbkonkurrent Frankreich. Vollversagen Verteidigung : Kasernen erbärmlich, Panzer kaputt, Munition fehlt, Moral mau. Blamage Bildung: Deutschland auf Platz 3o im weltweiten OECD-Vergleich, und das auch noch hinter Russland. In Berlin verschimmeln die Schulklos, dafür wurde aber unlängst die erste öffentliche Transgender-Toilette eingerichtet. Wenigstens stimmt die "Woke-Life-Balance".

Walter Mayer, 63

geboren in Salzburg, war viele Jahre Chefredakteur, u. a. von "Tempo", "BZ" und "Bild am Sonntag" und lebt jetzt als freier Autor in Berlin und Marrakesch.

Apropos Berlin: Ach, lassen wir das! Deutschlands Schlagzeilenmacher verarbeiten die Lage mit 1A-Textakrobatik und performen die Kunst des Tippens mit erhobenem Zeigefinger; anklagend und ermahnend: "Das "Geschäftsmodell Deutschland" wankt" (ARD-"Tagesschau"),"Die volle Punktzahl erreicht Deutschland nur mehr im Versagen" ("Die Welt"),"Deutschlands Abstieg wird unübersehbar" (Die deutsche Wirtschaft"). Schuld ist je nach weltanschaulicher Verortung entweder zu viel oder zu wenig Staat. Die Ampel blinkt hektisch, ratlos, planlos.

Neu ist nicht die Krise, sondern die Erzählung der Krise: Deutschland als Lala-Loser-Land. Früher war man wenigstens in der Wirtschaft unbesiegbar. Nach jahrzehntelanger, durch russische Billigenergie und deregulierten Arbeitsmarkt gepushter Sonderkonjunktur, in der man vergaß, die schönen Extraprofite in Infrastruktur zu investieren, weiß man nun nicht mehr so recht, wo man steht, wer man ist, was man kann, konnte oder könnte und wie man aus der Nummer wieder rauskommt. Alles scheint ein bisserl verpfuscht und verhuscht. Zwischen Gestern und Morgen öffnet sich ein fragendes Loch. Und so ist man zweifelnd mit sich selbst beschäftigt, während ringsherum die Welt versinkt.