Weißes Virtual-Reality-Headset mit grünem und rotem Programmiercode auf dem Visier vor grünem Binärcode-Hintergrund.
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Durch eine spezielle Brille gesehen

Virtual Reality (VR) wird meist im Gaming-Bereich eingesetzt. Prof. Hannes Kaufmann von der TU Wien erforscht, inwiefern solche Systeme der Allgemeinheit zugutekommen können.

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Sie erforschen, wie Virtual Reality für Lernen und Assistenz eingesetzt werden kann. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?

Hannes Kaufmann: Ich habe Mathematik und Geometrie auf Lehramt studiert und Nachhilfestunden gegeben. Da habe ich gesehen, wie viele Schüler*innen Probleme mit der Raumvorstellung haben, und dachte mir, dass es hilfreich wäre, wenn sie selbst im Raum dreidimensionale Objekte konstruieren könnten. Im Rahmen meiner Dissertation habe ich ein solches Programm entwickelt, das mit über 500 Schüler*innen getestet wurde und ein großer Erfolg war. Nur war damals die Hardware unerschwinglich für jede Schule. Das hat sich geändert: Virtual-Reality-Systeme sind heute leistbar, aber die Erstellung der Inhalte ist teuer und Software für den sinnvollen Einsatz im Unterricht ist selten.

Was genau erforschen Sie in diesem Zusammenhang?

Kaufmann: Einerseits betreiben wir Grundlagenforschung, wo es darum geht, wie sich Menschen in virtuellen Umgebungen fühlen. Es geht um ihre Wahrnehmung. Da gehen wir interdisziplinär vor, weil VR in so viele Bereiche hineinspielt. So begleiten uns etwa Psycholog*innen. Aber wir arbeiten auch an praktischen Projekten, wo es in die Anwendung geht. Da schauen wir uns an, wo man mit der Technologie einen Mehrwert schafft.

Person mit lockigem, dunklem Haar und Hemd mit offenem Kragen vor hellem Hintergrund.
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Prof. Hannes Kaufmann, TU Wien

Können Sie ein Beispiel nennen?

Kaufmann: Wir arbeiten etwa mit Feuerwehren zusammen. Sie müssen für Notfälle geschult werden, können aber nicht immer in ihren Trainingszentren alle Situationen simulieren. Für sie haben wir virtuelle Welten erschaffen. Etwa für die Flughafenfeuerwehr: Da gehen die Leute mithilfe der VR-Brille tatsächlich in ein Flugzeug und lernen die richtigen Handgriffe vorzunehmen, was Schritt für Schritt zu tun ist, wenn etwa ein Gepäckfach brennt. Ein anderes Projekt war für Feuerwehrkommandant*innen. Wir simulieren in einer virtuellen Welt etwa einen Autounfall. Die zu Schulenden sehen die ganze Szene in 3D: Zwei Autos sind zusammengefahren, da liegen drei Verletzte, es brennt bei einem Auto. Der Einsatzleiter muss innerhalb von Sekunden wissen, was in welcher Reihenfolge zu tun ist. Das lernen Einsatzleiter*innen in einem virtuellen Szenario. Dabei befinden sich die Teilnehmer*innen in einer Sporthalle und werden auf den Zentimeter genau getrackt. Sie können sich frei bewegen, gehen aber physisch durch eine virtuelle Welt. Sie haben sogar ihr Equipment mit, damit der Lerneffekt größer ist. Bei der Entwicklung der Szenarien helfen natürlich Expert*innen mit – in diesem Fall also Feuerwehrleute.

Wie lange dauert die Entwicklung solcher Programme?

Kaufmann: Im Schnitt um die zwei Jahre. Aber das könnte man in naher Zukunft beschleunigen, indem man künstliche Intelligenz einsetzt, die automatisch ein Trainingsszenario entwickelt. Das gibt es noch nicht, aber in diese Richtung wird man arbeiten müssen, um flexibel, schnell und kostengünstig Trainings zu erzeugen.

Wo wäre Virtual Reality noch einsetzbar?

Kaufmann: Im Bereich der Therapie und Rehabilitation. Höhen- oder Flugangst lässt sich so sehr gut therapieren, weil man Patient*innen in vielen Schritten mit der Situation konfrontieren kann. Dasselbe gilt für Menschen mit posttraumatischen Belastungsstörungen. Sie können sich durch VR langsam mit bestimmten Situationen auseinandersetzen, um wieder ins Alltagsleben zurückgeführt zu werden. Auch Schmerztherapie ist vorstellbar. Wenn man Patient*innen eine VR-Brille aufsetzt und sie durch eine virtuelle Welt steuert, wird der Schmerz reduziert. Das haben Gehirn-Scans gezeigt: Die Schmerzareale sind weniger aktiv. Das wird allerdings noch nicht eingesetzt.

Was ist Ihr erklärtes Ziel?

Kaufmann: Mein Bestreben ist, Anwendungen zu finden, wo der Einsatz von VR sinnvoll ist, und diese so zu etablieren, dass sie dem Allgemeinwohl zugutekommen. Es ist ein weiteres Medium, so wie das Fernsehen, das Handy oder ein Buch. Und jedes Medium hat einen sinnvollen Einsatzbereich.