Vor den Vorhang holen
Die Gleichstellung ist ein wichtiger verfassungs- rechtlicher Baustein einer demokratischen Gesellschaft, der auch für Wissenschaft und Forschung gelten muss – doch Parität ist in Österreich noch lange nicht erreicht. Obwohl in den vergangenen Jahren erhebliche Fortschritte gemacht wurden, sind hierzulande nur rund 25 Prozent der Wissenschaftler weiblich. Und doch steht Österreich damit weitaus besser da als so viele andere Länder der Welt.
Hier setzt das Programm „For Women in Science“ an, das im Jahr 1998 von der L’Oréal Fondation und der UNESCO ins Leben gerufen wurde. Unter dem Leitspruch „Die Welt braucht Wissenschaft – und die Wissenschaft braucht Frauen“ werden exzellente Forscherinnen gefördert. Weltweit wurden seither bereits 4400 Wissenschaftlerinnen Preise und Stipendien verliehen. Sieben von ihnen erhielten später sogar den Nobelpreis.
Seit 2007 ist „For Women in Science“ auch in Österreich etabliert und wird von der L’Oréal Fondation in Kooperation mit der österreichischen UNESCO-Kommission, der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und dem Bundesministerium für Frauen, Wissenschaft und Forschung (BMFWF) ausgerichtet. Am 7. Oktober wurden die diesjährigen Preisträgerinnen in Wien gewürdigt. Sie zeigen eindrucksvoll die Vielfalt wissenschaftlicher Exzellenz. „For Women in Science ist weit mehr als ein Förderpreis“, betont Edzard Meenen, Country Coordinator & Market Director Consumer Products, L’Oréal Österreich. „Wir möchten mit dieser Initiative jungen Forscherinnen Türen öffnen, Hindernisse abbauen und ihnen die Sichtbarkeit geben, die sie verdienen – denn davon profitiert am Ende die gesamte Wissenschaft.“
Dr. Nida Ali, Universität Wien
Stress kann gesundheitliche Folgen nach sich ziehen. Allerdings ist nicht zur Gänze geklärt, welche Indikatoren genau zu Stress führen können. In ihrer Forschung setzt sich Ni- da Ali mit der Alpha- Amylase-Aufwachreaktion (AAR), die Einblicke in die autonome Stressantwort bietet, auseinander. Sie analysiert Speichelproben von Studienteilnehmer*innen nach dem Aufwachen, um den Verlauf der AAR-Konzentration in den ersten Minuten des Tages exakt zu erfassen. Die Daten ermöglichen ein umfassendes Bild, wie individuelle Unterschiede und Alltagssituationen die AAR prägen. „Ohne die Menschen, die mich begleitet haben, wäre ich nicht dort, wo ich heute bin“, so Nida Ali. „Der ‚For Women in Science‘-Förderpreis schenkt mir und meiner Arbeit Sichtbarkeit und die Möglichkeit, meine Forschung unabhängig weiter voranzutreiben.“
Darja Rohden, MSc. Universität Wien & Institute of Science and Technology Austria
Proteine sind die zentralen Maschinen des Lebens. Um ihre Funktion zu verstehen, genügt es nicht, ihre Struktur zu kennen, auch ihre Dynamik, also die Bewegung einzelner Bausteine, muss erfasst werden. Darja Rohden entwickelt innovative Verfahren der Kernspinresonanzspektroskopie (NMR), mit denen sich erstmals gezielt einzelne Aminosäuren in Proteinen sichtbar machen lassen. Die Wissenschaftlerin konzentriert sich dabei auf L-Laktat- und L-Malat-Dehydrogenasen, da diese Enzyme von zentraler Bedeutung für den Energiestoffwechsel sind. „Der ‚For Women in Science‘-Award macht meine Forschung sichtbar und gibt mir die Möglich- keit, mich weiter zu vernetzen“, sagt sie. „Durch diese Sichtbarkeit hoffe ich, dass ich auch junge Frauen erreichen und motivieren kann, um zu zeigen, wie faszinierend die Wissenschaften sind.“
Theresa Haitzmann, BSc., MSc. Medizinische Universität Graz
Lungenkrebs zählt zu den häufigsten und tödlichsten Krebserkrankungen weltweit. Viele Therapien zielen auf die veränderte Energieversorgung der Krebszellen ab. Doch die Tumorzellen entwickeln Strategien, um die gesetzten Blockaden zu umgehen. Hier setzt Theresa Haitzmann mit ihrer Forschung an: Sie konnte nachweisen, wie Lungenkrebszellen durch spezifische Enzyme in der Lage sind, Behandlungen, die den Glukosestoffwechsel hemmen, zu unterlaufen. Um die entscheidenden Stoffwechselwege zu identifizieren, kombiniert Haitzmann modernste Methoden wie stabile Isotopenmarkierung, Massenspektrometrie und CRISPR/Cas9-Geneditierung. „Der ‚For Women in Science‘-Award gibt mir die Freiheit und finanziellen Mittel, an meiner Forschung weiterzuarbeiten und wichtige Experimente durchzuführen, um Krebszellen noch besser zu verstehen“, betont die Wissenschafterin.
Angeliki Spathopoulou, Ph.D Universität Innsbruck
Schizophrenie ist eine komplexe psychische Erkrankung, deren Ursachen trotz intensiver Forschung bislang nur unzureichend geklärt sind. Aktuelle Studien zeigen, dass auch Stoffwechselprozesse und epigenetische Mechanismen eine zentrale Rolle spielen könnten. Angeliki Spathopoulou verfolgt einen innovativen Ansatz, um die- se Mechanismen zu entschlüsseln: Sie arbeitet mit dreidimensionalen Gehirnorganoiden, aus menschlichen Zellen gezüchteten Mo- dellen, die die frühe Entwicklung des Gehirns im Labor nach- bilden. Besonders aussagekräftig sind Organoide aus Zwillingspaaren, bei denen nur ein Zwilling an Schizophrenie er- krankt ist. Sie ermöglichen es, genetische Unterschiede weitgehend auszuschließen und krankheitsspezifische Veränderungen gezielt zu identifizieren. „Mein Rat an junge Frauen, die eine Karriere in der Wissenschaft anstreben: Macht es einfach – und lasst euch von niemandem sagen, was ihr tun könnt und was nicht“, sagt Spathopoulou.