Was ein Chipssackerl mit Sprache zu tun hat
Sie ist weit mehr als ein Mittel zur Verständigung – Sprache ist auch Ausdruck unserer Emotionen und Identität. Sie beruht zwar auf Regeln, transportiert aber mehr als reine Inhalte.
„Warum verstehen wir manche Sätze besser als andere, und was passiert dabei in unserem Gehirn“, will Markus Hengstschläger wissen und wendet sich damit an Eva Wittenberg. „Wie erforscht man so etwas?“ Die Psycholinguistin zieht ein Beispiel heran. Ihre Arbeit lasse sich gut mit der eines Installateurs vergleichen, meint sie. „Ein guter Klempner schaut sich das ganze Leitungssystem an, wo das Wasser herkommt und wie es weitergeleitet wird“, erklärt Wittenberg.
Eva Wittenberg
Eva Wittenberg studierte Sprachwissenschaft in Berlin, Potsdam und an Universitäten in den USA. Nach ihrer Promotion trat sie an der UC San Diego eine Professur an und erforschte die Schnittstelle von Sprache und kognitiven Prozessen. 2021 kam sie nach Wien, wo sie an der Central European University (CEU) tätig ist. Der Fokus ihrer Forschung liegt darauf, wie sprachliche Strukturen unser Denken und unsere Überzeugungen beeinflussen. Ihr erstes narratives Sachbuch „Maman, I have a Wackelzahn“ über das Leben in mehrsprachigen Familien erscheint im Herbst 2026.
„So ähnlich mache ich es im Labor: Wir messen etwa die Reaktionszeiten oder verfolgen Blickbewegungen, wenn Menschen einen Satz lesen.“ Zugleich werden die Leitungen im Gehirn überprüft, um nachvollziehbar zu machen, was das System Sprache auslöst. „Du verwendest in deiner Forschung den Begriff grammatikalischer Hinweis“, fragt Markus Hengstschläger nach. „Was bedeutet das?“ Auch hier zieht Eva Wittenberg ein Beispiel heran. „Es macht einen Unterschied, ob ich sage ,Berti gibt Susi einen Kuss‘ oder ,Berti küsst Susi‘“, so die Kognitionswissenschafterin. „Im ersten Fall denke ich an ein Bussi, im zweiten an einen leidenschaftlichen Akt.“ In der experimentellen Sprachforschung versuche man herauszufinden, was im Gehirn passiert, dass es zu verschiedenen Bildern kommt. „Überlegst du dir solche Dinge, wenn du deine Romane schreibst?“, will Hengstschläger daraufhin von seinem zweiten Studiogast wissen. Sie arbeite intuitiv, entgegnet Martina Parker. „Ich sehe die Szenen wie einen Film vor mir“, erzählt die Autorin. „In meinen Krimis versuche ich auch immer, möglichst viel in umgangssprachlichen Dialogen zu schreiben, damit die Leser*innen die handelnden Personen richtig reden hören können.“
Von Dialekten und KI
Da kann Eva Wittenberg nur zustimmen. „Wenn Dialekt handwerklich gut eingesetzt wird, schafft er Nähe“, so die Psycholinguistin. „Die psychologische Distanz ist geringer – allerdings natürlich nur, wenn die Leser*innen auch denselben Dialekt sprechen.“ Das bringt Markus Hengstschläger gleich zur nächsten Frage. „Kann man wissenschaftliche Erkenntnisse nutzen, um einen perfekten Text zu schreiben“, will er wissen. Da sei sie wieder beim anfangs erwähnten Beispiel, erwidert Wittenberg: „Wenn ein Installateur das System versteht, kann er es besser reparieren. Die Psycholinguistik weiß, warum manche Geschichten besser funktionieren als andere, aber wichtig für einen guten Text ist auch die Intuition.“ Dem kann Martina Parker nur beistimmen. Sie bemühe sich in erster Linie um einen persönlichen Stil, betont die Autorin. „Es bricht ja auch über uns Künstler*innen dieser KI-Wahnsinn herein“, so Parker. „Ich bin überzeugt, dass sich dann gerade individuelle Stimmen behaupten werden, weil uns ein Einheitsbrei nicht berührt.“ Künstliche Intelligenz solle ihrer Meinung nach dort eingesetzt werden, wo sie den Menschen zugutekommt, betont Eva Wittenberg. „Ich entwickle mit einem Wiener Unternehmen ein KI-basiertes Kommunikationssystem“, so die Psycholinguistin. „Das soll Menschen helfen, die etwa durch eine Behinderung nur symbolisch mit Bildern kommunizieren können – dafür ist künstliche Intelligenz ideal.“ Markus Hengstschläger will daraufhin wissen, ob die Digitalisierung die Sprache verändere. „Es heißt ja immer, dass lange Sätze oder Texte nicht mehr gelesen werden“, so der Moderator. Das habe nicht zwangsläufig mit sozialen Medien zu tun, erwidert die Wissenschafterin. „Sprache hat sich immer verändert und wird sich immer verändern“, sagt Eva Wittenberg.
Martina Parker
Martina Parker war international als Beauty- und Lifestyle-Journalistin tätig und interviewte Stars wie Susan Sarandon oder Cate Blanchett. Heute lebt sie in einem alten Bauernhof im Südburgenland, wo sie ihre Kriminalromane schreibt. Bei ihren Fans kommen vor allem ihr Wortwitz, der durch ihre Ehe mit einem Engländer ziemlich britisch ist, und die starken Frauenfiguren, die ihre Bücher bevölkern, an. Ihre Kriminalromane „Zuagroast“, „Hamdraht“, „Aufblattelt“, „Ausgstochen“, „Eintunkt“ und „Miss Vergnügen“ sind Bestseller. „Zuagroast“ wurde 2025 verfilmt und ist derzeit auf JOYN zu sehen.
„Aber wenn jetzt alles in einfachen Sätzen geschrieben wird, tut man niemandem einen Gefallen. Das ist wie im Sport: Das Gehirn, unser Muskel der Aufmerksamkeit, muss trainiert werden, um weiterhin zu funktionieren.“ Auch Martina Parker bläst in dasselbe Horn. „Natürlich müssen Texte so konzipiert sein, dass sie für die Leser*innen rezipierbar sind“, sagt die Autorin. „Aber vor allem muss die Geschichte gut sein: Ist das gegeben, dann ist es wie mit einem Chipssackerl: Man greift immer wieder zu.“
Markus Hengstschläger
Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger studierte Genetik, forschte auch an der Yale University in den USA und ist heute Vor- stand des Instituts für Medizinische Genetik an der Medizinischen Universität Wien. Der vielfach ausgezeichnete Wissenschafter forscht, unterrichtet Studierende und betreibt genetische Diagnostik. Er leitet den Thinktank Academia Superior, ist stellvertretender Vorsitzender der österreichischen Bioethikkommission, Kuratoriumsmitglied des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Stammzellforschung. Er war zehn Jahre lang Mitglied des Rats für Forschung und Technologieentwicklung und Universitätsrat der Linzer Johannes Kepler Universität. Hengstschläger ist außerdem Unternehmensgründer, Wissenschaftsmoderator, Autor von vier Platz-1-Bestsellern sowie Leiter des Symposiums „Impact Lech“.
 
                     
            
                     
            
                    