Gerichtsurteil

Die Rosebar Centrala: Ein Herz fürs Hirn

In der Wiener Rosebar Centrala wird – an untypischem Ort – auf Trends gepfiffen.

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Die Begriffe „Essengehen“ und „Brigittenau“ verbinden die meisten Wiener Foodies wahrscheinlich mit dem in der Wallensteinstraße ansässigen Gourmettempel Mraz und Sohn. Bisher! Denn nur ein paar Meter weiter, in der Rauscherstraße, haben Aleksandra Szwarc und Nadim Amin ihre Rosebar Centrala eröffnet – und die dürfte wohl schon recht vielen Gastro-Interessierten in dieser Stadt ein Begriff sein.

Bei der Auswahl der (tendenziell osteuropäisch angehauchten) Speisen heißt es erst einmal back to school: Es gibt keine Menükarte, die einzelnen Gerichte sind mit Kreide auf eine Tafel geschrieben, diese hängt hoch oben im Lokal. Der Blickfang ist aber ohnehin die Bar: sehr viel Metall, dazu eine Batterie an Weinflaschen – dezent klinisch das Ganze. An der Bar-Front ist sehr häufig das Wort „Ja“ eingraviert. Der Rest der Einrichtung: von mir eher ein „Na ja“. So richtig zum Verweilen laden die grünen kleinen Tische und die harten Holzstühle nicht ein.

Aber es geht hier ja ums Essen, und das beginnt mit sauren Gurken (2 Euro), die sicher nur so ausschauen, als würden sie aus dem Hause eines Eferdinger Gemüseeinlegers kommen – sowie Riesenbohnen mit Senf und Dille (4,5 Euro, Bild ganz oben). Hier wurden neben den Senfkörnern zum Glück keine getrockneten Dillspitzen verwendet, sondern das frische Kraut. Richtig gschmackig wird es dann mit den Pyrizhky (6 Euro). Die Brötchen werden einmal mit Schweinsschulter, einmal mit Sauerkraut gefüllt serviert. Das liest sich deftiger, als es ist, in der Küche geht man hier nämlich sehr nuanciert vor. So verfügt die Schweinsschulter-Variante über einen süßen Teig, bei der Kraut-Ausgabe wurde mit wesentlich mehr Salz gearbeitet. Ein deutliches „Ja“ also – und wir sind noch nicht mal bei den Vorspeisen.

Die Rote Rübe (8 Euro) wird geviertelt auf Aioli-Dip serviert – erdig und mit Kren und Olivenöl aufgemotzt. Dem beliebten Trugschluss „vegetarisch = leicht“ wird hier niemand ernsthaft erliegen. Eher für Fortgeschrittene ist das Kalbshirn (12 Euro); als Wirt braucht es schon ein bisschen Mut, so einen Gang auf die Tafel zu schreiben. Im vorliegenden Fall kann man zögernden Personen wirklich nur raten, sich ein Herz fürs Hirn zu fassen. Weiche Apfelstücke, eingelegte Zwiebeln und viel frisch gehackte Petersilie machen daraus eine süßsaure Angelegenheit. Die Scheibe Brot liegt schon im Hirnsalat und beschert ein fulminantes Sauce-Tunk-Finalevent.

Das Schopfsteak mit Federkohl und Dörrzwetschken (24 Euro) hat Osteuropa noch nicht gesehen, es kommt nämlich aus der Steiermark. Das Schweinefleisch verfügt über echte Bio-Qualität und wird deshalb zartrosa serviert – so erklärt man es beim Einstellen. Ein Schopfsteak also – „na ja“. Aber: Das Fleisch ist von höchster Qualität und wirklich zart; der Federkohl relativ unspektakulär darauf drapiert, die Zwetschken rauchig. Der Pie von der Rinderwade mit Lorbeerbutter und Karotten (33 Euro) wärmt dann jedes Gemüt an kalten Wintertagen: Das Teiggericht mit butterweichem Rindfleisch und Wurzelgemüse sollte sich kein Fleischenthusiast entgehen lassen. Die sehr knackigen Karotten als Beilage treten da beinah in den Hintergrund, bieten aber einen schönen Kontrast. Und wer das Hirn geschafft hat, der wird den miteingebackenen, gesalzenen Markknochen als Anfängerübung verstehen.

Als Dessert gibt es ein selbst gemachtes Kürbis-Eis mit Salbeistreusel – dezent karamellig, sehr intensiver Kürbisgeschmack, dabei wenig süß, aber recht mächtig. Die Streusel sorgen für auflockernden Crunch.

Zum Abschluss bleibt nicht viel zu sagen außer: „Ja“, das ist schon alles sehr gekonnt in der Rosebar Centrala. Auf den Tellern spielt man nicht groß herum. Übrig bleibt eine konzentrierte und exakte Art, einfach richtig gutes Essen zu kochen – und sich dabei nicht jedem Trend unterzuordnen. Sonst wären wir ja in Wien-Neubau. 

Empfehlung: Die Turnstunde danach nicht schwänzen!
Stimmung: „Alltagsgeschichten“ meets „Andi und Alex“
Preisverhältnis: Vorspeisen zwischen 6 und 12 Euro, Hauptspeisen zwischen 20 und 33 Euro, Dessert 6 bis 8 Euro

Rosebar Centrala, Rauscherstraße 5, 1200 Wien, centrala.at

Stephan   Graschitz

Stephan Graschitz

ist als Chef vom Dienst bei profil tätig.