Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne)
Gas

Energieministerin will OMV-Gasgeschäft zeitlich befristet an ÖBAG übertragen

Liefervertrag mit Gazprom soll bei OMV bleiben. ÖBAG und OMV wollen den Vorschlag nicht kommentieren.

Drucken

Schriftgröße

Ungewöhnliche Zeiten fördern ungewöhnliche Allianzen zutage: Die ehemalige Global2000-Geschäftsführerin und nunmehrige Klima- und Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) und der ehemalige OMV-Chef Gerhard Roiss haben am Freitag bei einem Hintergrundgespräch vor Journalisten vier Vorschläge zum Ausstieg aus russischem Gas vorgestellt. Ebenfalls beratend zur Seite stand der Ministerin der ehemalige E-Control-Chef Walter Boltz. 

Neben umfangreicheren Speichervorgaben für nicht-russisches Gas für Energieunternehmen, der Sicherung zusätzlicher Gas-Transportkapazitäten und dem Ausbau erneuerbarer Energie schlagen Gewessler, Roiss und Boltz auch den staatlichen Zugriff auf die OMV-Gasinfrastruktur vor. Konkret soll die OMV-Gashandelstochter OGMT (OMV Gas Marketing & Trading) mitsamt ihren rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herausgelöst und zeitlich befristet in das Eigentum der Staatsholding ÖBAG übertragen werden.

Der Vorschlag ist nicht gänzlich neu. OMV-Chef Alfred Stern schlug selbst Ende des Vorjahres vor, die OGMT und damit den Gashandel zu verstaatlichen. Allerdings mitsamt des bis 2040 laufenden Gasliefervertrags mit der staatlichen russischen Gazprom. Dieser läuft über die OGMT. Davon will die Ministerin heute nichts wissen. Die OMV müsse selbst schauen, wie sie mit diesen Lieferverpflichtungen umgehe und gegebenenfalls aus dem Vertrag aussteigen. Es sei nicht Aufgabe des Staates, genau dieses unternehmerische Risiko zu übernehmen. Man wolle in den kommenden Wochen mit allen zuständigen Stellen Gespräche führen.

In der OMV und bei der ÖBAG reagiert man auf profil-Nachfrage äußerst zurückhaltend auf die Vorschläge aus dem Energieministerium. "Bei Fragen zu einer Neuorganisation der Gasversorgung in Österreich, wenden Sie sich bitte direkt an die ÖBAG", heißt es auf Nachfrage. Die ÖBAG kommentiert den Vorschlag vorerst nicht. Aus dem für die ÖBAG zuständigen Finanzministerium heißt es: "Das BMF unterstützt jede Maßnahme, die zum gemeinsamen Ziel der Bundesregierung beiträgt und das BMK im eigenen Wirkungsbereich unterstützt, den Ausstieg aus russischem Gas zu beschleunigen. Die ÖBAG hat dazu bereits im Dezember eine Studie vorgelegt. Skeptisch ist das BMF daher nach wie vor, was den konkreten Vorschlag der Herauslösung und Verstaatlichung der OMV-Gastochter OGMT betrifft."

Russischer Gas-Anteil wieder auf Vorkriegsniveau

Im März kamen laut E-Control 79 Prozent der Gasimporte aus Russland. Der Anteil ist also wieder auf das Vorkriegsniveau gestiegen. Österreich gab zudem pro Kopf mehr für russisches Erdgas aus, als alle anderen EU-Staaten (profil berichtete). Im Sommer und Herbst letzten Jahres waren die russischen Gasimporte kurzzeitig auf unter 20 Prozent gesunken, weil Russland die Gaslieferungen um zwei Drittel gekürzt hatte. Und auch weil heimische Energieversorger und der Bund im Rahmen der strategischen Gasreserve viel Erdgas aus nicht-russischen Quellen eingekauft haben.

Weil Russland seinen Lieferverpflichtungen wieder vollumfänglich nachkommt, ist der Anteil russischen Gases aber wieder gestiegen. Das, ein ungewöhnlich milder Winter und volle Gasspeicher in der gesamten EU haben auch den Gaspreis wieder deutlich sinken lassen. Russland sei dennoch kein zuverlässiger Lieferpartner und jeder Gas-Euro wandere in die Kriegskassa des Kreml. Deshalb müsse man möglichst schnell aus russischem Gas aussteigen, so die Ministerin.

Deshalb solle die Bundesregierung mittels einer eigens dafür beauftragten Gesellschaft Transportkapazitäten im EU-Pipelinenetz etwa für norwegisches und rumänisches Gas oder LNG buchen und auch das unternehmerische Risiko für Transport und Lagerung tragen. Das rumänische Gasfeld Neptun Deep vor der dortigen Schwarzmeerküste sehen die Experten übrigens als einen gewichtigen Baustein bei der Reduktion russischer Gasimporte. Ab 2027 könnte von dort auch nach Österreich Gas fließen. Das Projekt steht aber - wieder einmal - an der Kippe. 

Problem des Liefervertrags nicht gelöst

Zurück zur OMV. Diese müsste ihr Gasgeschäft (temporär) an den Bund verkaufen, und zwar ohne den unliebsam gewordenen russischen Gasliefervertrag. Der Anreiz, das unter den genannten Bedingungen zu tun, dürfte dem Vernehmen nach aber überschaubar sein. Und könnte für den Bund teuer werden. Im ersten Quartal dieses Jahres erwirtschaftete die OMV übrigens 360 Millionen Euro aus dem Handelsgeschäft mit Gas. Wieviel davon auf Österreich entfällt, wird nicht eigens ausgewiesen.

Und dann wäre mit der Verstaatlichung auch nicht das bestehende Problem mit dem Gasliefervertrag gelöst. Denn auch danach hätte der größte heimische, teilstaatliche Energiekonzern noch einen aufrechten Liefervertrag über beträchtliche Mengen Gas mit der russischen Gazprom, die es nach dem Prinzip "take or pay" abnehmen oder zumindest bezahlen muss. Was mit diesem Gas passieren soll, also ob es ins Ausland weiterverkauft wird, ist unklar. Es wird dann jedenfalls wohl auch weiterhin ins heimische Pipelinenetz gespeist werden.

Marina  Delcheva

Marina Delcheva

leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".