Herbert Kickl bei einer FPÖ-Pressekonferenz
Faktencheck

Corona-Experte Kekulé wehrt sich gegen FPÖ-Irreführungen

FPÖ TV verwendete ein Zitat des deutschen Epidemiologen Alexander Kekulé, um die angebliche Unwirksamkeit der Impfung zu belegen. Der Experte widerspricht deutlich: Seine Aussage sei aus dem Zusammenhang gerissen worden.

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Wir werden eine Welle der Geimpften bekommen.“

Dieses Zitat legte FPÖ TV dem Epidemiologen Alexander Kekulé am 30. Oktober 2021 in den Mund.

Irreführend

von David Ulrich

Lockdowns, Massentests, Schutzmasken – die FPÖ hatte an jeder Corona-Maßnahme der Bundesregierung etwas auszusetzen. Und versuchte, öffentlich Zweifel daran zu sähen. Bei der Impfung ist es nicht anders: „Jeder soll sich impfen lassen – wenn er glaubt, dass ihm das was bringt. Wovon ich nichts halte, ist diese Impfpropaganda. Dieses Versprechen, dass sich jetzt alles ändert und alles gut wird, wenn möglichst viele Menschen sich möglichst rasch impfen lassen.“ Das sagte FPÖ-Chef Herbert Kickl in einem Interview mit oe24-Eigentümer Wolfgang Fellner bereits im April dieses Jahres. Das Zitat gibt einen guten Einblick in die Haltung des Parteiobmanns zu Corona-Impfungen. Er und seine Partei buhlen um die Impfskeptiker – und scheuten dabei zuletzt nicht einmal mehr vor eindeutigen Fake News zurück.

Auch FPÖ TV, der Fernsehsender der Freiheitlichen, befeuert Ängste und Skepsis vor der Impfung. Mit zweifelhaften Methoden: In einem Video vom 30. Oktober 2021 thematisierte der blaue Propagandakanal die steigenden Zahlen geimpfter Covid-19-Patienten in Krankenhäusern. Ihr Ziel: Die Wirksamkeit der Impfung infrage zustellen. Alleine auf der Facebook-Seite von FPÖ-Klubchef Kickl haben das Video mehr als 700.000 Menschen gesehen. Um die Behauptungen zu untermauern, verwendete FPÖ TV in dem Beitrag ein Zitat des bekannten deutschen Epidemiologen Alexander Kekulé, das gleich zu Beginn des knapp sechsminütigen Videos eingeblendet wurde: „Wir werden eine Welle der Geimpften bekommen.“ Diese Aussage hat Kekulé zwar tatsächlich so in einem Interview mit dem deutschen Medium ntv getätigt. Allerdings hat er dort auch ergänzt: „Ja, jemand, der geimpft ist, ist weniger ansteckend. Und auch kürzer ansteckend.“

Kekulé: „Vollkommen abwegige Behauptung“

Epidemiologe Kekulé, der wohl zu den prominentesten Corona-Auskennern Deutschlands zählt, kann der Verwendung seiner Aussage durch die FPÖ jedenfalls nichts abgewinnen. Gegenüber profil erläutert der Experte von der deutschen Universität Halle: „Man hat in dem Video also ein Zitat aus dem Zusammenhang gerissen, um eine vollkommen abwegige Behauptung zu stützen.“ Richtig sei jedoch, „dass auch Geimpfte erheblich zum Infektionsgeschehen und auch zur Belastung der Kliniken beitragen“, meint Kekulé. Diese Infektionen würden meist leicht oder asymptomatisch verlaufen. Allerdings würden sich dadurch viele Geimpfte in Sicherheit wiegen und daher unvorsichtiger sein. Der Epidemiologe erklärt: „Impfkritiker wollen mit diesem Argument begründen, wie es auch in dem Video geschieht, dass die Covid-Impfung insgesamt sinnlos wäre. Das ist jedoch nicht richtig: Die Impfung schützt sehr gut gegen schwere Verläufe, Klinikeinweisung und Tod. Deshalb kann sie die Belastung des Gesundheitssystems massiv reduzieren.“ Auch verringere sie die Verbreitung des Virus in der Bevölkerung, wovon Geimpfte, Genesene und Ungeimpfte profitieren.

Fazit

Das Nachrichtenportal von ntv verwendete Alexander Kekulés Aussage zwar auch, die Zusammenhänge wurden jedoch im Laufe des Interviews erklärt – FPÖ TV tat das nicht. Der Sender unterstellt mit dem Zitat, dass ein bekannter Epidemiologe der Meinung sei, dass Impfungen gegen das Coronavirus nichts nützen würden und es daher zu einer Ansteckungswelle unter Geimpften käme. Allerdings schützt die Impfung laut Kekulé „sehr gut“ gegen schwere Erkrankungen, Hospitalisierungen und Tod. Damit ist das von FPÖ TV verwendete Zitat zwar im Wortlaut korrekt, in diesem Kontext ist es jedoch irreführend. Weder FPÖ TV noch die Freiheitliche Partei wollten ein Statement zu der Irreführung abgeben.

Um Kekulé ist im Übrigen gerade an anderer Front eine Debatte entbrannt. Der Wissenschafter darf vorerst nicht mehr an der Universität Halle lehren. Gegen ihn läuft ein Disziplinarverfahren. Er soll zu wenig unterrichtet und geforscht haben.