Der doppelte Babler: Für und gegen die Wehrpflicht

Nein, der neue SPÖ-Chef war nicht immer für die Beibehaltung des Grundwehrdienstes, obwohl er das behauptet. Ein Blick ins Archiv zeigt, dass Babler seit seinen Jugendjahren antimilitaristische Positionen vertrat.

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Ich war immer Befürworter der Wehrpflicht.

Andreas Babler

Der Standard

Größtenteils falsch

SPÖ-Vorsitzender Andreas Babler hat seine erste Woche in der Spitzenpolitik abgespult und dabei vor allem eine Erfahrung gemacht: Jeder seiner Sätze steht nun unter genauer Beobachtung.

Wenn Babler öffentlich über eine Legalisierung von Cannabis nachdenkt, dann ist das nicht mehr die Privatmeinung des Bürgermeisters einer Provinzmetropole - sondern wird als Position der zweitgrößten Partei im Land interpretiert.

Zum Start kann sich Babler vor unangenehmen Fragen noch mit Unwissenheit drücken: Er habe zum Beispiel gar keine Ahnung, ob er als Parteivorsitzender überhaupt Gehalt bekomme, sagte Babler im profil-Interview. Er wisse auch nicht mehr, ob er 1994 für einen EU-Beitritt oder dagegen gestimmt habe. “Vermutlich” sei er dagegen gewesen.

An eines will sich Babler aber ganz genau erinnern: “Ich war immer Befürworter der Wehrpflicht”, erklärte er in einem Interview mit der Tageszeitung “Standard”. Das Problem daran: In den Archiven ist Bablers Haltung zum Bundesheer bestens dokumentiert. 

Politisch sozialisiert wurde der SPÖ-Chef in der Sozialistischen Jugend (SJ). Anfang der 2000er, Babler war damals noch in der SJ aktiv, lancierte die rote Jugendorganisation eine Kampagne mit dem Titel: “Bundesheer abschaffen!” Babler erklärte damals gegenüber einer Regionalzeitung, er werde "entschlossen gegen die Militarisierung im Lande Widerstand leisten".

Diese Position vertrat Babler auch noch, als er die Jugendpolitik bereits hinter sich gelassen hatte und zum Stadtrat seiner Heimatstadt Traiskirchen aufgestiegen war. “Nicht nur die Wehrpflicht, sondern generell das Militär abschaffen!”, lautet der Titel einer Babler-Presseaussendung aus dem Jahr 2011. 

Angezettelt hatte die Debatte um die Abschaffung der Wehrpflicht der damalige Wiener Bürgermeister Michael Häupl, der mit dieser Forderung knapp vor der Wiener Gemeinderatswahl 2010 Jungwähler ansprechen wollte. 

Babler skizzierte in seiner Aussendung sein Gegen-Modell: Neben der “generellen Abschaffung des Bundesheeres” war “auch kein Zwangsdienst mehr für junge Menschen” vorgesehen. Damit ist belegt, dass Babler zumindest bis 2011 gegen die Wehrpflicht war - und nicht, wie er behauptet, immer dafür. Bablers Modell sah vor, dass die Feuerwehren, Rettungsorganisationen und Zivilschutzverbände mehr finanzielle Mittel erhalten sollen; anstelle des Militärs.

Dazu kam es nicht. Es war die Zeit der Großen Koalition und die Abschaffung der Wehrpflicht war umstritten - die SPÖ war für ein Berufsheer, die ÖVP dagegen. Österreichische Lösung: Die Regierung lagerte die Frage Anfang 2013 mittels Volksbefragung an die Bevölkerung aus.

Eine Abschaffung des Bundesheeres war auf dem Stimmzettel damals keine Option. Also entschied sich Babler für das aus seiner Sicht kleinere Übel und stimmte - gegen die SPÖ-Parteilinie - für die Beibehaltung der Wehrpflicht. Seine Position erklärte er gegenüber den “Niederösterreichischen Nachrichten” so: “Die Einführung eines Berufsheeres birgt die große Gefahr, in Zukunft mit in Angriffskriege - auch für wirtschaftliche Ziele - ziehen zu müssen.“ Babler befürchtete, dass österreichische Soldaten, im Falle eines Profi-Heeres, in Auslandseinsätzen kämpfen müssen. Babler war also für die Wehrpflicht, aber nur im Zweifel.

Meinungsänderungen von Spitzenpolitikern werden oft spöttisch als “Umfaller” qualifiziert, dabei können auch neue Informationen und Erfahrungen alte Überzeugungen verändern. Es wäre nur ehrlicher gewesen, hätte Babler seine Meinungsänderung transparent gemacht - und erklärt.

Seine Angst vor Auslandseinsätzen dürfte Babler inzwischen ebenfalls abgelegt haben. Auf die Frage, wie er zu einer EU-Armee stehe, erklärte er dem “Standard”: “Darüber sollten wir diskutieren. Es geht darum, wie die gesamte europäische Sicherheitspolitik aussehen soll.”

Fazit

Andreas Babler war nicht immer Befürworter der Wehrpflicht, er mobilisierte mitunter sogar recht vehement gegen den Grundwehrdienst. Zwar stimmte der SPÖ-Chef bei der Volksbefragung 2013 für die Beibehaltung der Wehrpflicht; aber nur, um ein Berufsheer zu verhindern. Seine Aussage ist daher größtenteils falsch. 

Lena Leibetseder

Lena Leibetseder

ist seit 2020 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. Schreibt über Popkultur und Politik.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.