Faktencheck

Regierung könnte ORF-Landesabgabe abschaffen – will aber nicht

Die ORF-Gebühr wird zur Haushaltsabgabe, doch die umstrittene Landes-Rundfunkabgabe bleibt. Der Bund könnte sie abschaffen – doch Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) schiebt die Verantwortung ab.

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Es ist schlichtweg Aufgabe der Länder, das zu regeln. [...] Die Landesabgabe kommt ja auch nicht dem ORF zugute, [sondern] ist ein Beitrag, den die Länder einheben und für Kulturinitiativen oder für Sportprojekte umsetzen. [...] Das ist landesgesetzliche Aufgabe.

Medienministerin Susanne Raab (ÖVP)

ZIB 2

Falsch

Noch ist die neue ORF-Haushaltsabgabe nicht beschlossen, aber bereits jetzt ist klar, wer weiter daran mitverdienen wird: Die Bundesländer. Sieben von ihnen, alle außer Oberösterreich und Vorarlberg, lassen gemeinsam mit der GIS die sogenannte Landesabgabe einheben.

Es sind die am besten getarnten Gebühren des Landes: Am Erlagschein steht GIS, doch ein Teil davon – die Landesabgabe – fließt nicht ins ORF-Budget, sondern an die Bundesländer.

Die Höhe variiert je nach Land und macht vier bis sechs Euro zwanzig pro Monat aus. 149 Millionen Euro Einnahmen lukrieren die sieben Bundesländer damit jährlich, wie eine profil-Berechnung zeigt.

In Niederösterreich verspricht die neue schwarz-blaue Koalition zum Amtsantritt: Die unliebsame Extra-Gebühr soll fallen. In Salzburg gibt es, drei Wochen vor der Landtagswahl, ähnliche Überlegungen. Wien, die Steiermark, Kärnten und Tirol denken hingegen nicht daran, auf die Zusatzeinnahmen zu verzichten.

Hätte Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) im Zuge der GIS-Reform nicht gleich auch die Landesabgabe abschaffen können, eine Gebühr, die immer wieder als „Körberlgeld für die Landeshauptleute“ kritisiert wurde? Auf diese Frage in der ZIB 2 argumentierte Raab, das liege nicht in ihrer Kompetenz: „Es ist schlichtweg Aufgabe der Länder, das zu regeln. (…) Das ist landesgesetzliche Aufgabe.”

Die Aussage hält einem Faktencheck allerdings nicht stand.

Die Reform der GIS war für die Medienministerin eine lästige Pflicht, die vom Verfassungsgerichtshof aufgetragen wurde. Der Grund: Streaming ist derzeit von der Gebühr ausgenommen – die Richter sahen darin eine Ungleichbehandlung gegenüber jenen, die einen Fernseher haben und zahlen müssen.

Die Lösung war die Haushaltsabgabe, die nun alle trifft. Knapp 700.000 Haushalte, die bisher keine GIS abführten, könnten davon betroffen sein. 

Für Haushalte, die schon bisher Fernsehgebühren zahlten, wird es günstiger, die Grundgebühr sinkt von 22,45 Euro auf 15 Euro monatlich. Da kommt aber die Landesabgabe noch obendrauf.

Auch wenn es die Medienministerin abstreitet: Im Nationalrat hätten die Regierungsparteien ÖVP und Grüne die Landesabgabe sehr wohl mit einfacher Mehrheit abschaffen können.

 

Möglich macht das der Paragraph 3 des Finanzverfassungsgesetzes, der besagt, dass der Bundesgesetzgeber entscheidet, welche Steuern die Länder und Gemeinden einheben dürfen. Könnte der Bund demnach einfach die Landesabgabe abschaffen? „Ja, schlicht und einfach ja“, sagt der Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk: „Der Bund ist in finanziellen Belangen dominant, das Steuerfindungsrecht der Länder kann sich nur in dem Raum bewegen, die der Bund mit seiner Gesetzgebung offenlässt.“

Das heißt: Der Bund könnte beschließen, dass Abgaben von ORF-Zusehern für Kulturzwecke Bundessache sind. Damit wäre die Landeskompetenz  ausgehebelt.

Für den Fall, dass die Länder die Abgabe ändern wollen, hat die Bundesregierung ein Einspruchsrecht. Davon wurde in der Vergangenheit in Bezug auf die Landesabgabe kein Gebrauch gemacht.

Peter Bußjäger, Verfassungsjurist und Föderalismusexperte, hat eine Idee, warum sich die Bundesregierung gegen die Abschaffung der Landesabgabe entschied: „Die Länder würden eine solche Vorgehensweise vermutlich mit dem Einwand bekämpfen, dass ihnen dadurch Einnahmen entgehen.“ Und vom Bund fordern, dass er ihnen die Summe über den Finanzausgleich erstattet.

Derzeit verwenden die meisten Länder die Einnahmen aus der Gebühr zweckgewidmet für Museen und Sportanlagen. In Kärnten fließt die Summe in die Finanzierung der Musikschulen, in Salzburg werden damit neben Menschen mit Behinderung auch 17 ehemalige Kriegsopfer unterstützt.

In der Bundesregierung gab es offenbar Überlegungen dazu, die Abgabe zu streichen und den Ländern die 149 Millionen Euro aus dem Budget zu ersetzen. ÖVP-Finanzminister Magnus Brunner soll aber kein Freund davon gewesen sein.

Stattdessen kam Plan B zum Einsatz: Die Landesabgabe bleibt und die Ministerin behauptet, sie sei dafür nicht zuständig. Doch das ist falsch. Zwar wurde die Gebühr von den Landtagen beschlossen, sie könnte aber vom Bund aufgehoben werden.

Lena Leibetseder

Lena Leibetseder

ist seit 2020 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. Schreibt über Popkultur und Politik.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.