Ingrid Brodnig
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#brodnig: Ein Scheiße-Emoji als Musks Verhandlungsstil

Die große Frage ist derzeit: Kommt Milliardär Elon Musk mit seinen rüpelhaften Methoden durch?

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Das bekannte Scheiße-Emoji mit Augen und Mund symbolisiert mittlerweile, auf welchem Niveau wir in der Debatte rund um Elon Musks Kauf der Plattform Twitter angekommen sind. Der Milliardär und Twitter haben sich ja bekanntlich darauf geeinigt, dass er das Unternehmen für rund 44 Milliarden Dollar kauft. Doch nun torpediert er diesen Prozess mit Postings auf Twitter. Konkret wirft er der Plattform vor, dass dort mehr Spam-Bots aktiv seien, als das Unternehmen behauptet. Das Unternehmen sagt, weniger als fünf Prozent der aktiven Kanäle seien solche Spam-Profile.

Twitter-Chef Parag Agrawal hat auch eine Erklärung gepostet, wie das Unternehmen im Groben auf so eine Schätzung kommt und dass es bei vielen Profilen schwierig ist, mit Sicherheit zu sagen, ob dahinter ein Mensch steckt oder doch nur eine Software – es also ein Bot ist. Tatsächlich kann man diskutieren, ob die großen Plattformen zu niedrige Einschätzungen geben, wie viele Accounts bei ihnen in Wirklichkeit gefälschte Profile sind. Jedoch habe ich aktuell nicht den Eindruck, dass Milliardär Elon Musk an einer sachlichen Debatte dazu ernsthaft interessiert wäre. Als Twitter-Chef Agrawal seine Erklärung postete, antwortete Musk kurzerhand mit einem Scheiße-Emoji.

Das ist ein bemerkenswerter Moment. Er zeigt, wie unberechenbar dieser Verkaufsabschluss für Twitter wird. Bei Elon Musk sollte man nicht damit rechnen, dass er sich an die normalen Regeln der Gesprächsführung oder des Geschäftslebens hält. Natürlich ließe sich jetzt sagen: Holt das Popcorn raus, wir können jetzt alle erste Reihe fußfrei zuschauen, wie Elon Musk die Unternehmensführung dieser Plattform vor sich hertreibt! Aber näher betrachtet halte ich die Situation nicht für lustig: Immerhin geht es hier um den reichsten Mann der Welt, der eine der wichtigsten Online-Plattformen kaufen und zukünftig steuern möchte. Was Elon Musk eines Tages auf Twitter ändert, kann Demokratien auf der ganzen Welt betreffen. 

Außerdem sollte man Musk nicht den Gefallen tun, ihn zu infantilisieren und damit sein Vorgehen zu verharmlosen. Die Frage ist nämlich, ob hinter manchen albern klingenden Tweets Kalkül steckt. So wird spekuliert, dass Elon Musk den Plan verfolgt, den Kaufpreis für Twitter zu senken – obwohl dieser vertraglich bereits fixiert ist. Matt Levine, Kolumnist des Wirtschaftsmediums „Bloomberg“ und Finanzexperte, ist zum Beispiel der Ansicht, dass es dem Milliardär nicht wirklich ernsthaft um die Frage geht, wie viele Spam-Bots auf Twitter sind. Interessant ist hier nämlich, wie sich der Markt in den vergangenen Wochen verändert hat, seitdem Musk sein Übernahmeangebot machte. Er verpflichtete sich dazu, das Unternehmen zu einem Preis von 54,20 Dollar pro Aktie zu kaufen. Doch in der Zwischenzeit sind die Aktien mancher Tech-Unternehmen im Wert gefallen, zum Beispiel verlor Snap Inc. (dem die Plattform Snapchat gehört) 30 Prozent seines Börsenwerts.

Auch Teslas Aktie sank zuletzt, was wiederum dazu führt, dass Musk eine Spur weniger reich ist. Levine wirft Musk vor, er würde eine Ausrede suchen, um jetzt den Kaufpreis von Twitter zu drücken – und würde deshalb solche Vorwürfe erheben. Auch sollte man anmerken: Musk hat auf Due Diligence verzichtet, also auf eine genauere Überprüfung des Unternehmens aus wirtschaftlicher Hinsicht, ehe er einem fixen Verkaufspreis zustimmt. Hier liegt dann rechtlich ein gewisses Risiko beim Käufer.

Die Frage ist nun, wie es weitergeht, ob sich Twitter von der Rhetorik Musks beeindrucken lässt und trotz bisheriger Zurückhaltung den Preis noch einmal neu verhandelt. Oder es kann auch sein, dass trotz dieses Getöses der Kauf wie geplant abläuft. Schlimmstenfalls gäbe es noch Szenario Nummer 3: Es kommt zum Rechtsstreit, und ein Gericht könnte beispielsweise  klären, ob Musk die Plattform zu den vereinten Konditionen kaufen muss.

Was Musk derzeit macht, ist rechtlich heikel. Der Deal zwischen ihm und der Plattform beinhaltet auch eine Klausel, dass er das Unternehmen nicht öffentlich verunglimpfen darf. Das führt  zur skurrilen Frage, ob das Posten eines Scheiße-Emojis bereits eine  Verunglimpfung darstellt bzw. ob Twitter genauer hätte festschreiben sollen, bei welcher Formulierung Musk zu weit geht.

CEO Agrawal hat derzeit wohl einen nervenaufreibenden Job. Musk wird oft als Troll dargestellt, also als jemand, der die Provokation im Internet liebt. Aber ich glaube, ein anderes Wort trifft seinen aktuellen Verhandlungsstil besser. Musk ist ein Rüpel, der kommunikativ auf großspurige Ankündigungen und deftige Wortwahl setzt, der womöglich auch schon oft im Leben damit durchkam. Man kann sich bei ihm nicht darauf verlassen, dass er sein Wort hält. Zuerst hieß es, er würde Twitters Verwaltungsrat beitreten – dann sprang er ab. Danach hieß es, Musk kauft Twitter um 44 Milliarden Dollar – jetzt rüttelt er daran.

Sollte Musks Verhandlungsstil ein Vorgeschmack auf seine Führungslinie als Eigentümer sein und sollte es wirklich zum Verkauf kommen, dann müssen wir uns wohl auf noch mehr Drama und turbulente Zeiten einstellen. Das mag unterhaltsam beim Zuschauen sein, aber mich beunruhigt durchaus, wie eine der wichtigsten Plattformen unserer Zeit zum Spielball eines erratisch auftretenden Milliardärs wird.

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.