Ingrid Brodnig
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Abrufzahlen legen nahe: In Russland gibt es einige Menschen, die die Zensur umgehen und mehr über den Krieg wissen wollen.

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Manche Russinnen und Russen scheinen die Internetzensur des Kreml zu umgehen: Durch das Herunterladen von VPN-Diensten (Virtual Private Networks) wird ihre Verbindung über andere Staaten geleitet, und sie können auf Websites zugreifen, die in ihrem Land gesperrt sind.

Seitdem Russland den Angriffskrieg auf die Ukraine startete, wurden dort von den Behörden mehr als 1.000 Websites blockiert – darunter zum Beispiel bbc.com, bild.de, Facebook, Twitter, Instagram sowie ukrainische Nachrichtenangebote. Hunderttausende Mal pro Tag wird seither in Russland VPN-Software heruntergeladen. Das ergab eine Analyse im Auftrag der „Washington Post“. Konkret wurden die zehn häufigsten VPN-Dienste vor dem Krieg weniger als 15.000 Mal pro Tag downgeloadet – die Zahl stieg rasant auf 475.000 tägliche Downloads im März. Und auch jetzt noch werden mehr als 200.000 Abrufe pro Tag verzeichnet.
 

Solche Software stellt eine Gefahr für Russlands Präsident Wladimir Putin und dessen Informationsabschottungs-Strategie dar, deren Ziel es ist, dass die russische Bevölkerung nicht einmal mehr das Wort „Krieg“ hören oder lesen soll (wer das Wort doch verbreitet, riskiert bis zu 15 Jahre Gefängnis). Russland versucht durchaus einzuschränken, welche VPN-Dienste im Land erhältlich sind – aber es gibt weiterhin Dienste, mit denen man gesperrte Sites aufrufen kann. Natürlich sollte man nicht davon ausgehen, dass alle Benutzer:innen solcher Technologie putinkritisch sind: Es kann zum Beispiel sein, dass manche russische Bürgerinnen und Bürger einfach weiterhin soziale Medien zu Unterhaltungszwecken nutzen wollen.

Aber es gibt Indizien, dass ein Teil der Bevölkerung kritische Berichterstattung sucht. Zum Beispiel wurde die Nachrichtensite „Meduza“ blockiert: Nur kurzzeitig sanken die Zugriffe auf dieses Medium und stiegen dann wieder aus Ländern wie den Niederlanden – möglich ist hier, dass es sich dabei um russische Accounts handelt, die mittels VPN wie Benutzer:innen aus anderen Ländern erscheinen. Man sollte solche Download-Zahlen nicht überschätzen: In vielen Fällen werden es wohl eher gut gebildete, digital versierte User:innen sein, die solche technischen Umgehungsmöglichkeiten suchen – aber man sieht hier zumindest, dass es diese Minderheit gibt.

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.