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Zuerst geleugnet, dann verharmlost

Es lässt sich messen: Die Klimakrise wird zunehmend polarisiert debattiert. Gerade in Österreich besteht auch eine Gefahr der Verharmlosung.

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Wir leben in einer Zeit, in der die Klimathematik zunehmend polarisiert und immer vehementer diskutiert wird. Das lässt sich sogar messen. Die Fachzeitschrift "Nature Climate Change" publizierte kürzlich eine Untersuchung, die Twitter-Diskussionen zu den UN-Klimakonferenzen der Jahre 2014 bis 2021 analysierte. Die Forschenden erfassten eine "starke Zunahme an ideologischer Polarisierung".Und: Diese "Zunahme wird angetrieben von wachsender, rechter Aktivität".Positiverweise zeigt die Untersuchung: Die Mehrzahl der Profile, die zu den Klimakonferenzen twitterten, nimmt die Klimakrise ernst-von dieser User:innen-Gruppe werden oft Personen retweetet wie die Aktivistin Greta Thunberg, der Umweltschützer Mike Hudema oder UN-Generalsekretär António Guterres. Aber gerade im rechten Spektrum stieg laut der Auswertung die Intensität der Debatte über die Klimakonferenzen.

Die Forschenden rund um Fabiana Zollo, Walter Quattrociocchi und Andrea Baronchelli analysierten auch, welche Themen in dieser Szene kursieren. Bei den Gruppen, die Maßnahmen gegen die Klimakrise ablehnen, fielen typische rhetorische Muster des Leugnens und Verharmlosens auf, die auch schon frühere Forschung erfasst hat. Suggeriert wird:

1.) Die globale Erhitzung passiert nicht.

2.)Vom Menschen erzeugte Treibhausgase lösen nicht die Erderhitzung aus.

3.) Die Auswirkung der Klimaveränderung ist nicht so schlimm.

4.) Lösungen zum Schutz des Klimas funktionieren nicht.

5.) Die Klimaforschung/der Klima-Aktivismus ist unzuverlässig.

In meinen Augen ist diese Studie vielsagend. Je deutlicher die Folgen der Erderhitzung ausfallen und je lauter die Rufe nach wirksamen Maßnahmen werden, desto mehr Gegenwind ist zu erwarten, denn Maßnahmen beeinflussen ökonomische Interessen, sie werfen Verteilungsfragen auf, und auch für einzelne Bürger und Bürgerinnen kann die Idee der Klimakrise angsteinflößend sein.

Es ist eine beunruhigende Vorstellung, dass wir entweder unseren Planeten unbewohnbar machen oder aber sich der Status quo eben ändern muss, um nicht so viele Treibhausgase auszustoßen. Letzteres bedeutet wohl einen gewaltigen Umbau beispielsweise von Produktionsprozessen, dem Wirtschaftsleben allgemein und Verkehr. Da ist es kein Wunder, dass Beschwichtigungsversuche bezüglich des Ausmaßes der Krise für manche angenehmer klingen.


Die Leugnung passiert nach einer Salami-Taktik: Statt zuzugeben, wie ernst die Lage ist, wird Scheibe für Scheibe wie bei einer Salami eine neue Argumentation ausprobiert. Zuerst wird grundsätzlich geleugnet, dass es eine Erderhitzung gibt. Wenn das als Falschaussage auffliegt, heißt es: Okay, die Klimaveränderung ist real, aber der Mensch löst die Erderhitzung nicht aus-nur widerspricht dem der Fachkonsens in der Klimaforschung. Dann kommt es zur Beschwichtigung: Okay, die Erderhitzung gibt es, aber das ist ja nicht so schlimm. Und zuallerletzt geht man dann zu Defätismus über und behauptet: Die vorgeschlagenen Lösungen funktionieren nicht (was ergo bedeutet: Wir müssen solche Lösungen gar nicht erst ausprobieren).

Die Polarisierung der Klimathematik lässt sich dieser Tage anhand der Klimaproteste, der Art und Weise, wie sie ablaufen und wie über sie gesprochen wird, beobachten. Aktivisten und Aktivistinnen kleben sich zum Beispiel auf der Straße fest, blockieren den Verkehr oder werfen Essen auf Gemälde, welche wohlgemerkt durch Glasscheiben geschützt sind. Prompt spricht (übrigens nicht nur) die FPÖ von "Klimaterroristen". Solche Reaktionen sind in meinen Augen eine Verharmlosung von wirklichem Terror, bei dem zum Beispiel Bomben gezündet oder Flugzeuge in Hochhäuser gesteuert, also Menschen getötet werden. Die Debatte ist gleich doppelt Ausdruck der Polarisierung: Einerseits treibt Klima-Aktivist:innen die Sorge an, dass diese akute Krise nicht genügend Aufmerksamkeit bekommt, weshalb sie nun gezielt aufsehenerregende und aufwühlende Formen des zivilen Ungehorsams nutzen, um Leute vor den Kopf zu stoßen. Eine Taktik, die aufmerksamkeitsökonomisch insofern aufgeht, als über diesen Protest viel berichtet wird. Andererseits springt die rechte Szene stark darauf an und fördert die Polarisierung, indem sie beispielsweise Klimaproteste zu kriminalisieren versucht-und mit Zuschreibungen wie "Klimaterrorismus" Schlagzeilen macht. Es war leider zu erwarten, dass mit wachsender Dramatik die Polarisierung des Themas zunimmt und gerade Populist:innen davon zu profitieren versuchen.

Auch in Österreich laufen wir Gefahr, dass die Klimakrise nicht ernst genug genommen wird. So gaben im Frühjahr 2021 nur 15 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen an, dass der Klimawandel das größte Problem ist, das uns weltweit betrifft. Das ist sogar etwas weniger als der EU-Schnitt von 18 Prozent, ergab das Eurobarometer. Während EU-weit nur sieben Prozent der Befragten meinten, dass der Klimawandel "kein ernsthaftes Problem ist", gaben das in Österreich zwölf Prozent an. Angesichts dessen, dass die Erde heißer wird und die EU eigentlich das Ziel hat, bis 2050 keine Netto-Treibhausgase mehr auszustoßen, sind das sehr ernüchternde Neuigkeiten.

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Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.