Ingrid Brodnig
#brodnig

Pflanzt uns Bill Gates Mikrochips ein?

Falschmeldungen werden oft als Frage formuliert - was harmlos klingt, aber wirkungsvoll ist.

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Neulich war ich auf der stark besuchten Corona-Demo in Berlin. Ich fragte die Menschen, warum sie an dem Protest teilnahmen. Mein Eindruck: Viele Protestierende glauben nicht daran, dass das Coronavirus ernst zu nehmen sei. Einige halten das Virus für harmlos, manche hinterfragen sogar, ob es Viren überhaupt gibt. Das Internet spielt bei der Verbreitung solcher Sichtweisen eine große Rolle. Demonstrierende erzählten mir, dass sie seit der Corona-Krise viel mehr in "alternativen Medien" online lesen. Es handelt sich dabei um Kanäle, auf denen sich selbst ernannte "Querdenker" tummeln. Eine Begegnung auf der Demo erschien mir dann besonders interessant - sie verdeutlichte, wie sich Falschmeldungen und Spekulationen verbreiten, wie Menschen unbelegte Behauptungen weitererzählen oder einfach als Frage in den Raum stellen.

Konkret sprach ich mit einer Frau aus Baden-Württemberg, Mitte 50, Lehrerin, freundlich. Sie erzählte mir, dass ihr der PCR-Test Sorgen mache-bei diesen Tests kriegt man meist ein Stäbchen in die Nase geführt. Die Frau meinte, sie fürchte, dass dabei ihre "Blut-Hirn-Schranke" verletzt werden könnte. Es handelt sich hierbei um eine Falschmeldung, die auch im Internet vielfach kursiert: Der Mensch hat zwar eine Blut-Hirn-Schranke, diese befindet sich allerdings nicht in der Nase. Mediziner geben dementsprechend Entwarnung. Die Demonstrantin brachte dann noch einen zweiten Einwand, der mich aufhorchen ließ. Der PCR-Test beunruhige sie auch deshalb, weil "die dann meine DNA haben". Und sie fragte: "Was machen die damit?"Erstaunt hakte ich nach. Was glaube die Demonstrantin denn, was mit ihrer DNA passiert? Woraufhin sie besorgt sagte: "Ich weiß es nicht!"


Dieser Moment blieb mir in Erinnerung. Ich fand es vielsagend, dass die Frau zwar keine konkrete These hatte, was mit ihrer DNA passieren würde-aber nichtsdestotrotz ging sie davon aus, dass es etwas Gefährliches sein könnte. Gerade in der Corona-Krise erleben wir solche Spekulationen oft. Personen, die womöglich wenig Einblick in die medizinische Praxis haben, werfen schwerwiegende Fragen auf. Auch einige Verschwörungserzählungen funktionieren nach diesem Muster: Genaues weiß man zwar nicht, aber man geht einmal davon aus, dass etwas Schlimmes passiert. Und für Journalisten ist es gar nicht einfach, solchen diffusen Ängsten zu antworten. Je vager ein Vorwurf bleibt, desto schwieriger ist der Gegencheck. Zum Beispiel lässt sich schwer jedes Labor im deutschsprachigen Raum anrufen und fragen, ob dort dunkle Pläne rund um den PCR-Test verfolgt werden. Ich erkundigte mich bei der Medizinischen Universität Wien, was mit der DNA bei PCR-Tests passiert.


Daraufhin erfuhr ich Folgendes: Es stimmt natürlich, dass in der Probe Zellen der getesteten Person enthalten sind. Aber damit wird lediglich überprüft, ob die RNA des Virus nachweisbar ist (das Coronavirus hat als Erbgut keine DNA, sondern RNA).Und würde man die Probe für etwas anderes als den diagnostischen Zweck nutzen wollen, würde das sowohl mit der Ethikkommission der MedUni Wien abgeklärt werden müssen als auch die Zustimmung des betroffenen Patienten benötigen. Dieser Anruf legt nahe, dass in medizinischen Einrichtungen Sicherheitskriterien gelten, die festlegen, dass Proben nicht zweckentfremdet werden dürfen.


Ein Ärgernis ist allerdings, wie einfach es ist, schwerwiegende Vorwürfe einzubringen-ohne jeglichen Beleg. Mit dem rhetorischen Instrument der Frage wird manch eine Unterstellung platziert. Die Frau auf der Demo fragt: "Was passiert mit der DNA?"Im Netz diskutieren Menschen: "Will Bill Gates Menschen bei Impfungen Mikrochips einpflanzen?"All diesen Fragen wohnt der Verdacht inne, dass etwas Dunkles im Schilde geführt wird. Was sich hier als Frage tarnt, ist genau genommen ein Vorwurf. Im Englischen nennt man das eine "loaded question"-eine Frage, die mit Unterstellungen beladen ist. Die Journalistin Maja Beckers schrieb in der Wochenzeitung "Die Zeit" neulich einen exzellenten Essay über diese Problematik. Zwar lernen wir schon früh, dass Fragen etwas Positives sind. Selten wird jedoch darüber diskutiert, dass manch eine Frage weniger dem Erkenntnisgewinn als der Anschuldigung dient. Dazu schreibt Beckers: "Seine Unterstellungen in eine Frage zu gießen, heißt, sie weniger angreifbar zu machen. Wer fragt, kann kaum der Lüge überführt werden. Man fragt ja nur(...)."


Genau das habe ich auch in vielen Online-Diskussionen und bei der Corona-Demo in Berlin gelernt-wir müssen auch Fragen hinterfragen können. In verschwörungsbegeisterten Online-Gruppen fordern User gerne: Die Bevölkerung müsse endlich lernen, kritische Fragen zu stellen.


Solche Sätze klingen im ersten Moment gut. Wer ist schon gegen kritisches Nachfragen? Der inflationäre Einsatz von Fragezeichen bedeutet jedoch nicht automatisch, ein besonders kritischer Geist zu sein. Zudem gehört zum kritischen Fragestellen auch, die Antwort argumenta tiv zu berücksichtigen-dass man zum Beispiel Fakten, die einem serviert werden, ernst nimmt. Fragen aufzuwerfen, ist simpel. Es ist das Dazulernen, das wirklich schwierig ist.

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.