Der #-Widerstand gegen Femizide im sozialen Netz

Im digitalen öffentlichen Raum formiert sich Widerstand gegen geschlechtsspezifische Gewalt und Sexismus.

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Ein schwarzes Viereck, rechts unten der Name: Nadine. Am fünften April postet die Kulturwissenschafterin und Podcasterin Beatrice Frasl dieses simple Sujet auf Instagram, es wird geteilt, kommentiert, der Name Nadine ist in österreichischen Social-Media-Blasen omnipräsent. Die Trafikantin Nadine ist zwei Tage zuvor gestorben, nachdem sie von ihrem Ex-Partner angezündet worden war und ein Monat um ihr Leben gekämpft hatte. „Für Frauen steht im Patriarchat auf vieles die Todesstrafe. Ihr habt uns wieder eine von uns genommen. Wir kämpfen weiter“, schreibt Frasl im Post.

Es ist nicht das erste Mal in diesem Jahr, dass geschlechtsspezifische Gewalt virale Aufmerksamkeit bekommt. Anfang März spülte der Mord an der Britin Sarah Everard, die auf dem Heimweg umgebracht wurde, das Thema international in die Timelines. Die Influencerin Lucy Mountain teilte den Screenshot einer SMS mit dem Text „Text me when you get home xx“, also „Schreib mir, wenn du zuhause bist“. Eine Nachricht, die viele Frauen als Sicherheitsmaßnahme an Freund*Innen schicken. Mountain macht in ihrem Posting, das fast drei Millionen mal geliket wurde, aufmerksam auf die Angst vor körperlicher Gewalt auf dem nächtlichen Heimweg. Unter dem Hashtag #textmewhenyougethome teilten unzählige Nutzer*Innen ihre Erfahrungen.

Nicht jeder Femizid wird so schlaglichtartig wie jener an Nadine oder Sarah rezipiert, aber in der digitalen Öffentlichkeit regt sich immer mehr Widerstand. Anfang des Jahres ging eine Videokampagne der Autonomen Österreichischen Frauenhäuser, die Gewalt an Frauen als Männerproblem festhielt, in Österreich viral. Der Instagram-Account „catcallsof.vie“ thematisiert sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum in Wien, auch in anderen österreichischen Städten gibt es solche Initiativen.

Der Account "antiflirting2" macht Belästigung und Übergriffe im Netz sichtbar. Die Betreiberinnen sammeln zudringliche Chats und Nachrichten, die ihre Abonnent*Innen, zum Großteil Frauen, bekommen.

Im deutschsprachigen Raum entstand nach #textmewhenyougethome die „5-Finger-Challenge Heimweg-Edition“ auf TikTok. Nutzer*Innen halten ihre offene Hand in die Kamera, aus dem Off sagt eine Stimme: „Nimm einen Finger runter, wenn du schon mal deinen Schlüssel in der Faust gehalten hast“, oder „Nimm einen Finger runter, wenn du schon mal den Rest vom Heimweg gerannt bist.“ Übereinstimmend werden Finger eingeklappt, oft bleibt keiner erhoben.

Hilfe für Betroffene finden Sie hier:
Frauenhelpline (rund um die Uhr, kostenlos): 0800 222 555
Männernotruf (rund um die Uhr, kostenlos): 0800 246 247

Dieser Artikel ist Teil unserer aktuellen Titelgeschichte. Zum E-Paper geht es hier.

Lena Leibetseder

Lena Leibetseder

ist seit 2020 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. Schreibt über Popkultur und Politik.