Deschamps wechselte schon mit 32 auf die Trainerbank

Didier Deschamps: So hat er Frankreichs Team geeint

Schon mit 32 wechselte Deschamps als hochdekorierter Kicker auf die Trainerbank. Der Start in seine

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Schon mit 32 wechselte Deschamps als hochdekorierter Kicker auf die Trainerbank. Der Start in seine zweite Karriere verlief etwas holprig. Mit dem AS Monaco lag er zunächst sogar auf dem letzten Tabellenplatz, am Ende wurde es im ersten Jahr Rang 15. Deschamps blieb seiner Linie aber treu - und führte die Monegassen 2004 nur drei Jahre nach seinem Amtsantritt sensationell bis ins Finale der Champions League.

Zwei Jahre später übernahm der frühere Mittelfeldspieler seinen im Zuge des italienischen Manipulationsskandals zwangsabgestiegenen Ex-Club Juventus Turin, führte die "Alte Dame" zurück ins Oberhaus. Nach nur einem Jahr war Schluss. 2010 wurde er mit Olympique Marseille französischer Meister. Eine Tendenz lässt sich feststellen: Deschamps kehrt als Trainer dorthin zurück, wo er schon als Spieler mitprägend war.

So auch 2012 zur Nationalmannschaft. 103 Länderspiele hat Deschamps für die "Bleus" absolviert. Sein Revier war das defensive Mittelfeld. Ein Aufräumer. Hart gegen sich selbst, aber unermüdlich. Für Glanz und Brillanz waren auch in der Weltmeistermannschaft von 1998 andere zuständig, allen voran Zinedine Zidane. Aber Deschamps war der Kapitän.

Der Anführer ist er geblieben. Beim Training, das der 47-Jährige mit Pfeife und wortreich leitet, wenn es drauf ankommt, und auch beim Rundherum. Dass zum Beispiel Paul Pogba, der ebenso schillernde wie auch umstrittene Superstar noch immer nicht bei den fast täglichen Pressekonferenz der Franzosen auf dem Podium saß - Deschamps' Entscheidung.

Genauso hat sich Deschamps nach der Unruhe um Pogbas vulgäre Geste beim Sieg gegen Albanien (2:0) - dem "bras d'honneur", der Hand auf dem Oberarm - aber öffentlich auch vor den 23-Jährigen gestellt. Er vertraue ihm. Vertrauen ist ein Wort, das Deschamps oft gebraucht. Er habe Vertrauen in seinen 23-köpfigen Kader, hatte Deschamps vor EM-Start mehrfach betont. "Wie sollen die Spieler an sich glauben, wenn ich beunruhigt wäre?"

Deschamps selbst beschränkt seine Äußerungen bei dieser EM auch auf die obligatorischen Pressekonferenzen vor und nach den Spielen. Womöglich auch eine Reaktion auf die Diskussionen vor der EM, vor allem ausgelöst durch den Vorwurf des suspendierten Karim Benzema, Deschamps habe sich einem rassistischen Teil Frankreichs gebeugt. Wenige Tage vor dem Eröffnungsspiel wurde Deschamps Haus in Concarneau sogar mit dem Wort "Raciste" beschmiert.

Eine problemfreie Vorbereitung auf eine EM sieht anders aus. Deschamps versuchte aber, sich nicht beirren zu lassen. So wie bei der anhaltenden System-Diskussion. Wie spielt Frankreich eigentlich? Bevorzugt 4-3-3, besser bei der EM bisher aber im 4-2-3-1. Das System mit Olivier Giroud als Speerspitze und Topscorer Antoine Griezmann dahinter im Zentrum dürfte auch am Donnerstag (21.00 Uhr/live ORF eins) im Halbfinale gegen Deutschland zur Anwendung kommen.

Deschamps war als Spieler pragmatisch, als Trainer ist er es erst recht. Bei der WM 2014 in Brasilien ließ er nach dem 3:0-Auftaktsieg gegen Honduras sowohl Pogba als auch Griezmann vorerst auf der Ersatzbank. 2016 tat er es nach dem 2:1 im Eröffnungsspiel gegen Rumänien erneut.

Der Teamchef sieht sich als Verwalter seiner 23 Kaderspieler. Er lässt sie mitreden, das erklärten die Auserwählten selbst schon mehrfach. "Er kennt seine Mannschaft sehr gut", erklärte Ersatztorhüter Steve Mandanda, der schon in Marseille mit Deschamps zusammengearbeitet hatte. "Er will Großes erreichen", ergänzte Routinier Patrice Evra.

Unabhängig vom Abschneiden in den entscheidenden Tagen der EM bleibt Deschamps dem Team erhalten. Verbandspräsident Noel Le Graet geht davon aus, dass er seinen bis 2018 gültigen Vertrag erfüllt. "Er wird der Trainer bleiben, was auch immer passiert", betonte Le Graet in einem Interview mit der Zeitung "Le Parisien". Deschamps habe aus der Mannschaft eine Einheit geformt.

Die WM 2018 in Russland könne sein nächstes Projekt sein, meinte Le Graet. Deschamps hatte die Franzosen bereits 2014 in Brasilien ins WM-Viertelfinale geführt. Dort war nach einem Tor von Mats Hummels gegen Deutschland Endstation (0:1). Zwei Jahre später soll mehr gehen. Vom Titel zu reden, sei auf keinen Fall tabu, meinte Le Graet in der Sportzeitung "L'Equipe". "Wir brauchen am Donnerstag keine Komplexe zu haben."