Die Geschichte der "Midlife Crisis"

Aufstieg und Fall einer Lebenskrise.

Drucken

Schriftgröße

In der Vorwoche wurde Computerspielsucht per WHO-Verordnung zu einer ernsthaften Krankheit befördert. Die Midlife Crisis wartet immer noch auf ihre offizielle Anerkennung. In ihrem neuen, sehr erbaulichen Buch "There Are No Grown-ups" beschreibt die US-Journalistin Pamela Druckerman die Wirkungsgeschichte dieses Leidens, dessen typische Symptome der österreichische Sänger Rainhard Fendrich einst so beschrieb: "Baggert er bei einem Modell /halb so alt wie seine daughter /tanzt er sich zu einem Trottel /bei 'Smoke on the water'". Die erste urkundliche Erwähnung einer "Mid Life Crisis" datiert aus dem Jahr 1957. Bei einer Tagung der britischen psychoanalytischen Gesellschaft beschrieb der damals 40-jährige Arzt Elliott Jaques eine bei Mittdreißigern gehäuft auftretende, oft mehrjährige depressive Episode, die auch religiöse Erweckungserlebnisse, Hypochondrie und Promiskuität mit sich bringe. Die Resonanz beim Fachpublikum war gering. Erst in den späten 1960er-Jahren begannen sich immer mehr Menschen in Jacques' Beschreibung wiederzuerkennen. Die Welt war bereit für eine neue Lebenskrise: Die steigende Lebenserwartung sowie höhere soziale, berufliche und partnerschaftliche Flexibilitäten eröffneten Räume für Zweifel (an sich selbst, am Beruf, am Ehegatten). Die Midlife Crisis wurde von einer obskuren psychologischen Theorie zum Popphänomen -und bald zu einer angeblich unabwendbaren biologischen Tatsache. In den 1970er-und 1980er-Jahren entkam ihr niemand. Das hat sich zum Glück gebessert. Inzwischen geht man davon aus, dass das kulturelle Konstrukt "Midlife Crisis" etwa zehn bis 20 Prozent der Bevölkerung betrifft. Was einem mit Anfang 40, zumindest laut Druckerman, dagegen auf keinen Fall erspart bleibt: "Sie können nichts mehr ironisch tragen. Es gibt mindestens eine Sportart, die Ihnen Ihr Doktor verbietet. Ihre Eltern hören auf, Sie ändern zu wollen." Und Computerspielen ist auch nicht mehr so lustig wie früher.