Fußball-EM

Elf Meter müsst ihr sein

EM-Tagebuch, Woche 3: Drama, Baby!

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Vor einer Woche spekulierten wir an dieser Stelle über die prophetischen Fähigkeiten des russischen Tennisprofis Daniil Medwedew, der dem österreichischen Nationalteam ein Vordringen bis ins EM-Halbfinale zugetraut hatte. Und gut, jeder kann sich mal irren. Außerdem haben wir Ihnen bei jener Gelegenheit aber auch von kommenden Verlängerungen und Elfmeterdramen vorgeschwärmt. Und diese Prognose kam nicht aus dem Tenniszirkus, sondern direkt von uns. Wie formulieren wir das jetzt möglichst unbescheiden? profil ist wohl so etwas wie der Berg unter den Propheten. Ein dramatischeres - und für einige Beteiligte womöglich sogar traumatisches - EM-Achtelfinale ist uns nicht näher in Erinnerung.

Kroatien-Spanien: hektische Verlängerung nach Anschlusstreffer in der 92. Minute, am Ende Favoritensieg. Schweden-Ukraine: Siegtreffer in der 121. Minute, Favorit am Ende. Frankreich-Schweiz: Verlängerung nach Anschlusstreffer in der 90. Minute, Elfmeterschießen mit Überraschungssieger und Superstartrauma. Und natürlich: Italien-Österreich: harter Kampf, knappe Sache, mitreißende Verlängerung, kein Überraschungssieger.


Die österreichische Nationalmannschaft ist mit Anstand aus dem Turnier geflogen, sprich: mit einer konkurrenzfähigen Leistung gegen einen Weltklassegegner. Dass es so weit kommen konnte, liegt wohl an ihrem Trainer Franco Foda, der sich hinterher auch entsprechend feiern ließ. Aber wie feiert man eine Niederlage? Und feierte man sie zu Recht? Unser Fußball-Kolumnist Gerald Gossmann hat zur Beantwortung dieser Fragen in den vergangenen Tagen tief in den Maschinenraum des ÖFB hineingehorcht und Erstaunliches herausgefunden. Seine komplette Analyse zur Lage der Nationalmannschaft lesen Sie auf profil.at, die Essenz nebenan.


Nicht besonders knapp, aber trotzdem auf eine Art dramatisch war das letzte Spiel der Ära Löw, das am Dienstag im Londoner Wembley-Stadion stattfand und mit der doch irgendwie erwarteten Niederlage (also jener der Deutschen) endete. Unter der Anleitung Joachim Löws wurde "die Mannschaft" 2014 Weltmeister in Brasilien, mehr geht nicht, mehr ging nicht. Und immerhin hatte man, anders als bei der WM in Russland 2018, diesmal die Vorrunde überstanden. Und 2024 kommt der Fußball dann eh endlich wieder einmal hoam und die EURO nach Deutschland, das als Gastgeber also fix qualifiziert ist.

Bundestrainer Löw


Trotzdem: "Die Enttäuschung ist da. Viel mehr Gedanken sind nicht möglich", erklärte ein geknickter Löw nach dem England-Match. Das galt freilich nicht für Lukas Podolski, Weltmeister 2014, der sich das Denken noch nie verbieten hat lassen und der "Bild"-Zeitung also die folgende Einschätzung diktieren konnte: "Das wirkte alles so trostlos. Wenn man die Gesichter der Spieler sieht-da rührt sich nichts. Da könnte, glaube ich, ein Feuer im Stadion ausbrechen, die würden weiter auf dem Rasen bleiben." Nun wurde in Wembley zwar nicht gezündelt, dennoch hätte Podolski gern, "dass ein Ruck durch die Mannschaft geht". Vielleicht meldet sich ja Mats Hummels bald zur Freiwilligen Feuerwehr, angesichts weltweiter Hitzewellen wäre das durchaus ein Gewinn für die Menschheit. Unsere Prognose fürs Halbfinale: heiter bis wolkig.

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur, ist seit 2020 Textchef dieses Magazins und zählt zum Kernteam von faktiv.