Fußballkolumne: Auf Backup-Suche

"Kabinenpredigt", die profil-Fußballkolumne. Warum die große Stärke des ÖFB-Teams gleichzeitig auch seine Achillesferse ist.

Drucken

Schriftgröße

Die beiden Testspiele gegen Albanien (2:1-Sieg) und die Türkei (1:2-Niederlage) zeigten durchaus, dass das österreichische Nationalteam schon in vielen Bereichen EM-tauglich ist. Gleichzeitig wurde jedoch auch offenkundig, dass es noch ein paar Baustellen gibt, über die sich Marcel Koller in den nächsten Wochen und Monaten Gedanken machen sollte. Dass die große Stärke des Nationalteams dabei gleichzeitig auch zur Achillesferse werden könnte, ist dem Teamchef wohl sicher nicht entgangen.

Die gute Nachricht zuerst: Die, von Koller mittlerweile ganz klar definierte Stammelf (AlmerFuchs, Dragovic, Hinteregger, KleinBaumgartlinger, Alaba, Junuzovic, Arnautovic, HarnikJanko) funktioniert einwandfrei. Hier stimmen die Automatismen und die Laufwege - jedes Rädchen greift im Normalfall schön ins andere. Eine derartige Eingespieltheit und Selbstverständlichkeit sieht man sonst meist nur bei guten Vereinsmannschaften. Speziell das Herzstück des österreichischen Spieles, die Achse Baumgartlinger-Alaba-Junuzovic, harmoniert großartig und sorgt meist für die entscheidenden Impulse. Dieser Umstand führt natürlich gleichzeitig zu einem Problem: Fällt einer der zentralen Drei (wie etwa gegen die Türkei Baumgartlinger) weg, sieht das Ganze schon nicht mehr ganz so rund aus. Backup Stefan Ilsanker machte seine Sache zwar defensiv mehr als ordentlich, die Abstimmung mit Alaba und Junuzovic klappt in Punkto Spielgestaltung jedoch (logischerweise) noch nicht so selbstverständlich wie bei Baumgartlinger.

Nichts desto trotz ist Ilsanker einer der zuverlässigsten und stärksten Reservisten im ÖFB-Team. Dass das Leistungsgefälle zwischen Stammspieler und Ersatzmann auf manch anderer Position leider etwas gar groß ist, zeigten die Spiele gegen Albanien und die Türkei doch deutlich. Am wenigstens gilt dies wohl noch für die Innenverteidigung, wo hinter Dragovic und Hinteregger mit Wimmer und Prödl zumindest noch zwei Top-Spieler bereit stehen. Und auch, wenn Ramazan Özcan zuletzt im ÖFB-Team keine wirklich gute Figur machte: Der Ingolstädter zählt zu den beständigsten Torhütern der Deutschen Bundesliga und hat sicher seine Qualitäten. Auch auf der rechten Abwehrseite könnte György Garics wohl im Ernstfall Florian Klein ohne größere Probleme ersetzen.

Wesentlich komplizierter würde sich die Lage jedoch wohl gestalten, wenn Marcel Koller auf Kapitän Christian Fuchs verzichten müsste: Der angedachte Ersatzmann Markus Suttner machte im Spiel gegen Albanien keinen sattelfesten Eindruck und konnte sich auf der linken Abwehrseite nicht wirklich für höhere Aufgaben empfehlen. Andreas Ulmer (Red Bull Salzburg) und Stefan Stangl (Rapid) wären weitere Alternativen mit wenig bis gar keiner Nationalteam-Erfahrung.

Eher problematisch ist die Kaderdichte auch im offensiven Mittelfeld: Guido Burgstaller durfte gestern an Stelle des abgereisten Martin Harnik auf der rechten Seite beginnen, konnte jedoch keine entscheidenden Impulse setzen. Ähnliches gilt für Jakob Jantscher, der für Burgstaller ins Spiel kam. Bei beiden weiß man mittlerweile, dass sie durchaus solide Teamplayer, aber nicht unbedingt Spieler sind, die für viele Überraschungsmomente sorgen können. Manch einer mag wohl gehofft haben, dass – der bei Schalke in Top-Form agierende – Allessandro Schöpf in den beiden Testspielen mehr Einsatzzeit bekommen würde. Auch Florian Grillitsch (Werder Bremen) und die Rapidler Kainz und Schobesberger wären wohl eher Spielertypen, die ein Match nach ihrer Einwechslung beleben könnten. Hoffen darf man auch auf eine Rückkehr von Marcel Sabitzer.

Vorne im Sturm schließlich sähe es leider wirklich ziemlich düster aus, sollte sich Torjäger Marc Janko verletzen. Rubin Okotie konnte in der EM-Qualifikation zwar zweimal das entscheidende Tor erzielen, agierte damals jedoch auch in Über-Form. Lukas Hinterseer trifft bei Ingolstadt zwar regelmäßig, konnte im ÖFB-Team bislang jedoch nicht überzeugen. Und, um etwa eine Zukunftshoffnung wie Michael Gregoritsch (HSV) jetzt noch ins kalte Wasser zu werfen – dafür ist die EM wohl schon zu nahe.