EUROPA LEAGUE-IMPRESSIONEN: Motivierte Dortmunder gegen nicht ganz so motivierte "Spurs".

Fußballkolumne: Keine Lust auf den "B-Bewerb“?

"Kabinenpredigt", die profil-Fußballkolumne. Wen interessiert die Europa League eigentlich wirklich?

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Bei uns im Tennisclub liefen die Vereinsmeisterschaften immer nach einem bestimmten Modus ab: Zunächst wurde die erste Runde im Herren-Hauptbewerb ausgelost und ausgetragen. Der Sieger der Auftaktpartie stieg logischerweise in die zweite Runde des Hauptbewerbes auf – der Verlierer durfte im sogenannten "B-Bewerb“ starten, wo es wieder in Runde 1 losging. Dieser Modus führte zu allerlei seltsamen Umtrieben: Manche, im Hauptfeld eher aussichtlose Kandidaten, verloren in der ersten Runde gegen gleichstarke Gegner absichtlich, um später im "B-Bewerb“, wo sie sich Chancen ausrechneten, antreten zu dürfen. Andere, die die erste Hürde im A-Bewerb überraschend nicht meistern konnten, hatten wiederum überhaupt keine Lust, im Verlierer-Pool anzutreten und gaben dort dann lieber gleich "w.o.“.

Ist der Europa League-Gewinner die 33.-beste, die 17.-beste oder doch gar die zweit- oder drittbeste Mannschaft Europas?

Der Europacup-Modus der letzten Jahre erinnert doch in vielen Facetten an unsere damaligen Vereinsmeisterschaften. Es gibt den unumstrittenen Hauptbewerb, die Champions League, in dem die Besten der Besten antreten. Hier ist alles klar: Wer die Champions League gewinnt, ist die stärkste Mannschaft Europas – Punkt. Der Europa-League, in der jene Mannschaften antreten, die entweder frühzeitig (im Play-Off, in der Qualifikation oder als Gruppen-Dritter) in der Champions League scheiterten, oder sich in der heimischen Liga nicht ganz vorne platzieren konnten, haftet wiederum stets der Beigeschmack des "Verlierer-Bewerbes" an. Das liegt wohl vorrangig daran, dass es extrem schwer ist, die Leistungen in der Europa League sportlich auch tatsächlich richtig einzuordnen: Was bedeutet es, wenn ein Team den europäischen "B-Bewerb“ gewinnt? Ist diese Mannschaft dann die 33.-beste (hinter den 32 Champions-League-Startern), die 17.-beste oder doch gar die zweit- oder drittbeste Europas? Wie gut ist ein Europa League-Viertelfinalteilnehmer einzuschätzen?

Ein kurzes Beispiel: Der FC Sevilla mauserte sich in den letzten zehn Jahren zu DEM Europa League-Spezialisten schlechthin und gewann den Bewerb insgesamt vier Mal (2006, 2007, 2014, 2015). Trotzdem würde niemand wirklich auf die Idee kommen, die Andalusier zu den allerbesten Mannschaften des letzten Jahrzehntes zu zählen und viele Fußballfans hätten wohl (wie auch der Autor dieser Zeilen) Probleme, mehr als drei Spieler aus dem aktuellen Sevilla-Kader zu nennen.

Man könnte fast meinen, ein Verein wie der BVB müsse sich ein bisschen für das Ernstnehmen eines vermeintlichen Verlierer-Wettbewerbes schämen.

Hinzu kommt, dass bei Leibe nicht alle Mannschaften die Europa League gleich ernst nehmen. Speziell in England und Spanien wird der Bewerb oft als eher lästige Nebenbei-Verpflichtung gesehen, bei der man ruhig einmal wichtige Spieler schonen kann. Für Vereine wie Rapid wiederum stellt ein Sechzehntelfinale in der Europa League (zu Recht) durchaus einen der absoluten Saison-Höhepunkte dar. So ergeben sich auch hier allerlei seltsame Konstellationen, wenn etwa, wie gestern, der aktuelle Tabellen-Zweite der Deutschen Bundesliga (Borussia Dortmund) gegen den aktuellen Tabellen-Zweiten der Premier League (Tottenham Hotspurs) antritt. Während die Deutschen das Spiel nämlich in Bestbesetzung in Angriff nahmen, wurden bei den „Spurs“ gleich sieben Spieler, die noch am Samstag beim 2:2 gegen Arsenal in der Meisterschaft spielten, geschont. Ein eigentlich sehr reizvoller sportlicher Vergleich wurde damit empfindlich verzerrt: Tottenham kann nach dem 0:3 darauf verweisen, dass man das Spiel sowieso nicht ganz ernst genommen hatte und sich vor allem auf die Meisterschaft konzentriert. Dortmund wiederum darf sich nicht einmal so richtig freuen, weil man ja schließlich doch nur gegen eine erweiterte B-Mannschaft der „Spurs“ gewonnen hat. Man könnte fast meinen, ein Verein wie der BVB müsse sich sogar ein bisschen für das Ernstnehmen eines vermeintlichen Verlierer-Wettbewerbes schämen. Seltsame Fußball-Welt.

Ist die Europa League also aufgrund solcher zweifelhafter sportlichen Wertigkeiten sinnlos und soll abgeschafft werden? Nein. Die UEFA sollte jedoch auf jeden Fall danach trachten, zumindest den seltsamen "Loser"-Beigeschmack auf irgendeine Art und Weise zu entschärfen.