Jankos Fallrückzieher könnte zum echten ÖFB-Klassiker werden.
Momente für die Ewigkeit

Fußballkolumne: Momente für die Ewigkeit

"Kabinenpredigt", die profil-Fußballkolumne: Warum wir uns an Marc Jankos Traumtor gegen Russland auch in 30 Jahren noch erinnern werden.

Drucken

Schriftgröße

Sind Sie letzten Sonntag um 18:33 auch von der Couch aufgesprungen, haben die Hände in die Höhe gestreckt und laut geschrien? Sie können es ruhig zugeben - war doch ein schönes Gefühl, oder? Allzu oft hat man als österreichischer Fußballfan ja bei Leibe nicht die Möglichkeit, über solche "Sternstunden" (Zitat ÖFB-Präsident Leo Windtner) zu jubeln. Sollten wir uns also - wie nun allgemein erwartet - tatsächlich für die EURO 2016 in Frankreich qualifizieren, wird sich Marc Jankos Fallrückzieher wohl in jene Reihe österreichischer Fußballhighlights einreihen, an die man sich auch noch in Jahrzehnten erinnern wird. profil hat für Sie aus diesem Anlass eine kleine Nostalgie-Show zusammengestellt.

1. Die Hitzeschlacht von Lausanne

Spiel: Österreich - Schweiz 7:5 Bewerb: WM-Viertelfinale 1954 Ort: Lausanne Hintergrund: Es ist das trefferreichste und womöglich auch dramatischste Spiel, das jemals bei einer WM-Endrunde stattgefunden hat. Bei rund 40 Grad im Schatten ging Österreich in Lausanne gegen den WM-Gastgeber als Favorit ins Rennen. Der Spielverlauf war unglaublich: ÖFB-Tormann Kurt Schmied erlitt in der ersten Halbzeit einen Sonnenstich, durfte aber gemäß der damals geltenden Regeln nicht ausgewechselt werden. Er taumelte in einem tranceähnlichen Zustand zwischen den Torpfosten umher. Die Schweiz erzielte so binnen acht Minuten drei Tore und führte in der 23. Minute mit 3:0. Der österreichische Masseur Josef Ulrich stellte sich hinter das österreichische Tor und begann, den nahezu orientierungslosen Kurt Schmied zu dirigieren. Zusätzlich versuchte er, den Tormann während des Spiels mit Schwämmen und Wasser zu kühlen.

Die österreichische Mannschaft glich binnen vier Minuten aus. Weitere sechs Minuten später stand es 5:3 für Österreich. Der Schweizer Robert Ballaman erzielte kurz vor der Pause den Anschlusstreffer. In der zweiten Halbzeit traten die Österreicher, trotz des praktisch fehlenden Torwarts, dominant auf und erhöhten auf 6:4. Doch den Schweizern gelang erneut der Anschlusstreffer, zusätzlich verschoss Robert Körner einen Elfmeter bei diesem Stand für Österreich. In der Schlussphase brach der Schweizer Roger Bocquet zusammen; später wurde festgestellt, dass er an einem Gehirntumor litt. Probst schoss mit seinem 7:5 in der 76. Minute noch das zwölfte Tor in diesem Spiel und stellte einen damit bis heute ungebrochenen Rekord auf. Die erschöpften Österreicher verloren im Anschluss das Halbfinale gegen Deutschland klar und wurden WM-Dritter. Aus heutiger Sicht undenkbar: Bei ihrer Rückkehr in Wien wurden Hanappi, Happel, Ocwirk & Co. nicht bejubelt, sondern mit Häme überschüttet. Die verwöhnten österreichischen Fußballfans hatten sich zumindest die WM-Finalteilnahme erwartet.

2. Der Spitz von Izmir

Spiel: Türkei - Österreich 0:1 Bewerb: Qualifikation für die WM 1978 in Argentinien Ort: Izmir/Türkei Hintergrund: Am 30. Oktober 1977 avancierte ein 22-jähriger Austrianer mit legendärer Haarpracht zum österreichischen Nationalhelden. Herbert Prohaska (liebevoll "Schneckerl" genannt) schoss per Spitz zum entscheidenden 1:0 gegen die Türkei ein. Österreich qualifizierte sich zum ersten Mal seit 20 Jahren für eine WM-Endrunde. ORF-Kommentator Michael Kuhn schien angesichts dessen dermaßen überwältigt, dass er sogar aufs Jubeln vergaß.

3. Das Wunder von Córdoba

Spiel: Österreich - Deutschland 3:2 Bewerb: Zwischenrunde der WM 1978 Ort: Córdoba/Argentinien Hintergrund: Die Ausgangslage vor dem Spiel war - trotz eines insgesamt äußerst komplizierten Turniermodus' - klar: Österreich hatte nach einem 1:5 gegen die Niederlande und einem 0:1 gegen Italien keine Chance mehr, sich für die nächste Phase des Turniers (die beiden Ersten der Vierer-Zwischengruppen bestritten das WM-Finale, die jeweiligen Zweiten das Spiel um Platz 3) zu qualifizieren. Die Deutschen hätten mit einem Sieg gegen Österreich zumindest noch das "kleine Finale" erreichen können. Österreich konnte sich also ausschließlich als Spielverderber für den großen Nachbarn profilieren und tat dies - dank Hans Krankl - bekanntlich auch. Radiomoderator Edi Finger wurde "narrisch" und ganz Österreich hatte ein neues - wenn auch sportlich eigentlich bedeutungsloses - Wunder. Schadenfreude war eben immer schon die schönste Freude.

4. Die Rache des Anton P.

Spiel: Österreich - DDR 3:0 Bewerb: Qualifikation für die WM 1990 in Italien Ort: Wien Hintergrund: Vor dem entscheidenden WM-Qualifikationsspiel gegen die DDR stand Toni Polster am 15. November 1989 im ausverkauften Wiener Happel-Stadion und wurde gnadenlos ausgepfiffen. Teamchef Josef Hickersberger hatte im Vorfeld der Partie sogar eine Morddrohung erhalten, den damaligen FC Sevilla-Legionär bloß nicht einzusetzen. Polster spielte trotzdem und die folgenden 90 Minuten wurden für ihn zum persönlichen Triumphzug. Mit drei Toren ließ er all seine Kritiker verstummen. Als ihm schließlich die gleichen Fans, die ihn noch Minuten zuvor ausgebuht hatten, nach seinem Hattrick zujubelten, ließ er seinem ganzen Frust freien Lauf. Österreich fuhr dank seines ungeliebten Goalgetters nach Italien.

5. Herzogs Hammer

Spiel: Österreich - Schweden 1:0 Bewerb: Qualifikation für die WM 1998 in Frankreich Ort: Wien Hintergrund: Am 6. September 1997 empfing Österreich im Happel-Stadion Schweden zum vorentscheidenden Duell um die Qualifikation für die WM in Frankreich. In der 76. Minute zimmerte ein gewisser Andreas Herzog den Ball aus rund 20 Metern mit links ins Kreuzeck. Der 1:0-Erfolg ebnete den Weg zur vorerst letzten WM-Teilnahme 1998 in Frankreich.

So unvergessen wie Herzogs Tor bleibt auch Hans Hubers Moderatoren-Meisterleistung im Vorfeld der Partie.

6. Polsters Last Minute-Treffer

Spiel: Österreich - Kamerun 1:1 Bewerb: WM-Endrunde in Frankreich/ Vorrunde Ort: Toulouse Hintergrund: Der Stein war groß, der den österreichischen Fußballfans vom Herzen fiel, als Toni Polster in der Nachspielzeit im WM-Auftaktspiel gegen Kamerun via Innenstange den Ball in die Maschen jagte. Peter Elstner konstatierte fachlich kompetent: "Uh, der wär fost net einigaunga!" - Co-Kommentator Hans Krankl war "trotzdem enttäuscht."

7. Ivo wird "ein echter Österreicher"

Spiel: Österreich - Chile 1:1 Bewerb: WM-Endrunde in Frankreich/ Vorrunde Ort: Saint-Étienne Hintergrund: "Ivo, jetzt bist du ein echter Österreicher!" titelte die Kronen Zeitung in einem Anflug grenzenloser Großzügigkeit am Tag nach Österreichs 1:1 gegen Chile. Der wunderschöne Last Minute-Treffer des ÖFB-Kickers kroatischer Herkunft hielt uns zumindest vorläufig im Rennen um den Aufstieg ins Achtelfinale. Im letzten und entscheidenen Gruppenspiel musste man sich jedoch Italien 1:2 geschlagen geben.