Fußball ist wieder "in" im Lande.
Warum Fußball und nicht Schifahren unser wahrer Nationalsport ist

Fußballkolumne: Von Brot und Kuchen

"Kabinenpredigt", die profil-Fußballkolumne. Warum Fußball und nicht Schifahren der wahre Nationalsport der Österreicher ist.

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Es war ausgerechnet im zeitlichen Umfeld der WM in Brasilien, als diese eine spezielle TV-Werbung wirklich zur nervlichen Strapaz wurde. Der versierte ORF-Zuseher erinnert sich vielleicht: In einem Spot eines (mit dem österreichischen Ski-Verband seit Jahren verbandelten) Tiefkühlkostunternehmens saß eine Familie am Tisch - es wurde gegessen und geplaudert und plötzlich fiel das Stichwort „Fußball“. Die WM sei doch dieses Jahr in Brasilien, deutete der Vater zögernd an, und Österreich sei ja wieder einmal nicht dabei. Seine Tochter fragte, warum dem so sei, woraufhin die Mutter in breitem Dialekt antwortete: „Weil wir eben eine Schifahrernation sind und im Fußball nicht ganz so gut.“ Das sei ja auch völlig okay so, meinte der Vater abschließend, ehe dann auch im tatsächlichen Sinne des Wortes nicht mehr über den Tellerrand hinausgeblickt wurde. Eine äußerst gelungene Werbung, wenn es der Anspruch war, alle Klischees des österreichischen Kleinhäuslertums gekonnt in 30 Sekunden zu verpacken – Note 1, anonymes Tiefkühlkostunternehmen!

Nun soll es in der Folge keineswegs darum gehen, das Schifahren per se künstlich klein zu reden. Wer wedelt nicht gerne (wenn auch nur im Kopf) im Tiefschnee eine Piste hinunter? Wer schaut sich nicht gerne im Fernsehen die spektakulären Bilder der Hahnenkamm-Abfahrt an? Wer findet es nicht super, wenn unser Hirscher Marcel (ein durchaus sympathischer Sportler mit Vorbild-Funktion) oder die Fenninger Anna Gold im Riesenslalom holen?

Wenn die Häufigkeit der Ausübung Kriterium für den Stellenwert eines Sports wäre, wäre unser Nationalsport der Mittelstrecken-Lauf.

Natürlich gibt es in Österreich auch mehr Menschen, die in ihrer Freizeit Schifahren gehen als Fußballspielen. Wenn man allerdings die Häufigkeit der Ausübung als Kriterium für den Stellenwert einer Sportart heranziehen würde, wäre Österreichs Nationalsport sicherlich der Mittelstrecken-Lauf - dicht gefolgt von Radfahren und Vierer-Schnapsen.

Nur: Kaum ein Österreicher würde sich (mit der Ausnahme von Spektakeln wie eben der Abfahrt in Kitzbühel) wohl ernsthaft für ein Schirennen interessieren, bei der keine Landsleute am Start sind. Angenommen, die besten österreichischen Alpinen würden sich im Schnitt maximal um Rang 20 bei den Weltcuprennen einreihen – würde der ORF diese Rennen tatsächlich alle übertragen? Nein. Wir sind im Schifahren eben DIE Topnation schlechthin und deswegen macht es uns besonders Spaß dabei zuzusehen. Punkt.

Das ist natürlich beileibe kein österreichisches Phänomen. Auch andere Nationen haben ihre eigenen Sport-Spezialgebiete, auf die sie mit ziemlicher Konstanz voller Stolz blicken können: Bei den Russen, Tschechen, Schweden und Finnen wäre das etwa Eishockey; bei den Franzosen, Kroaten und Dänen Handball; in Griechenland und der Türkei Basketball; in der Schweiz definitiv Tennis; in den Niederlanden Feld-Hockey oder Eisschnelllauf; in Großbritannien Rugby, Cricket oder Darts; in Italien der Motorsport; in Deutschland war es zu Zeiten von Graf und Becker auch Tennis, in den letzten Jahren z.B. Biathlon.

Jedes Land hat seinen eigenen Kuchen, aber fast alle das gleiche Brot.

Trotzdem thront in all diesen Ländern, inklusive Österreich, „König Fußball“ über allem. Warum? Ganz einfach: Fußball fasziniert relativ unabhängig davon, ob das eigene Nationalteam oder die Lieblingsmannschaft gerade mitspielt oder vorne dabei ist. Millionen von Menschen sehen sich jedes Jahr die Spiele der Champions League an, ohne dass eine österreichische Mannschaft vertreten wäre. Millionen haben ebenso die WM in Brasilien verfolgt, obwohl Österreich bekanntlich nicht dabei war. Sogar, als der heimische Fußball seine dunkelsten Phasen durchlebte, war das grundsätzliche Interesse da. Es geht hier eben nicht nur darum, das nationale Bedürfnis nach Erfolgen zu stillen, sondern es ist der Sport an sich, der die Leute fasziniert. Wenn die eigene Lieblingsmannschaft gerade nicht dabei ist, sucht man sich halt gerne mal eine, zu der man halten kann. Fußball ist sozusagen das tägliche Brot im Sport, das fast alle Nationen dieser Erde verbindet, während Eigenheiten wie Schifahren, Rugby oder Handball der Kuchen sind, den man sich gerne mal gönnt, weil er im jeweiligen Land besonders süß schmeckt. Das macht das Spiel mit dem runden Leder zum „König“ unter den Sportarten.

Übrigens: In der neuesten FIFA-Weltrangliste liegt Österreich auf Platz 20. Noch einmal: Österreich gehört derzeit zu den zwanzig besten Nationen in der einzigen Sportart, die wirklich die ganze Welt (spätestens seit dem FIFA-Skandal auch die USA) interessiert! Das wäre doch mal ein netter Aufhänger für eine Tiefkühlkostwerbung.