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Hachis Parmentier: Butterberge und Milchbäche

Wie man aus Kartoffelpüree eine Wissenschaft macht (II):die Knollen-Lobbyisten Robuchon und Parmentier.

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Der König des Kartoffelpürees ist unangefochten Joël Robuchon (1945-2018).Wer das einmal in einem seiner Restaurants serviert bekam, bestellte nicht selten noch eine zweite Portion statt eines Desserts. Robuchon war anfangs berühmt und auch ein wenig berüchtigt für das waghalsige Verhältnis der wesentlichen Zutaten: Er vermischte Kartoffeln und Butter im Verhältnis 1:1. Und er verwendete, das habe ich vergangene Woche bereits erwähnt, speckige Sorten wie etwa La Ratte. Später machte der "Koch des Jahrhunderts" Zugeständnisse an veränderte Essgewohnheiten; er reduzierte den Anteil der Butter für 1 Kilo Kartoffeln auf 200 bis 250 Gramm.

Ich absolviere einen kurzen Parcours durch die Varianten maßgeblicher Köchinnen und Köche, die das klassische Püree pflegten oder noch pflegen. Die Engländerin Elizabeth David, die lange in Frankreich lebte, propagierte nach ihrer Rückkehr die französische Küche, weil sie die britische für miserabel hielt, und schrieb ein Standardwerk über Frankreichs kulinarische Errungenschaften. In ihrem Rezept empfiehlt sie, die Kartoffeln im Ofen zu garen, damit sie nicht wässrig werden; der Buttergehalt betrug feminin schlanke 60 Gramm pro Kilo Kartoffeln. Die Amerikanerin Julia Child hingegen hielt es eher mit Robuchon; ja, sie übertraf ihn sogar: 250 Gramm Butter und dazu noch 250 ml Obers. Aber das ging bei Child unter, denn ihr Püree wurde wegen der 30 blanchierten Knoblauchzehen, die es enthielt, zu einem Stück Punkrock der Erdäpfelküche: heftig, aber zum Reinkippen. Hier noch ein paar andere Ergänzungen, die Sinn ergeben: Einer meiner Lieblingsköche, Hans Haas (bis 2020 Chef im Münchner "Tantris"), mischte seine üppig buttrige Lauchpaste unters Püree, Reinhard Gerer rieb im "Korso" frischen Kren hinein, was großartig schmeckt, und Konstantin Filippou zauberte schon vor vielen Jahren im Wiener "Novelli" eine grandiose Brandade aus Püree und Stockfisch. Viel geht, nur eines nicht: Trüffelöl.

Die besondere Würze eines gelungenen Kartoffelpürees ist seit jeher Geschmacksache. Manche verwenden 1 Prise Muskatnuss, andere nicht. Ich schätze die Samen des Baumes mit dem Namen Myristica fragrans sehr, womit ich bei meiner Rezeptempfehlung gelandet bin:

Zunächst schäle ich 1 kg mehlige bis vorwiegend festkochende Erdäpfel einer aromatischen Sorte (zum Beispiel Desirée, Agria, Bintje, Laura oder Heidenreichsteiner Rote),schneide sie in große Stücke und koche sie in leicht gesalzenem Wasser so weit durch, dass sie durch ihr eigenes Gewicht abfallen, wenn ich sie mit einem spitzen Filetiermesser aufspieße und anhebe. Während die Knollen kochen, erhitze ich 250 ml Milch, 100 ml Obers und 100 g Butter, bis diese geschmolzen ist. Dann lasse ich die Erdäpfel kurz ausdampfen und drücke sie durch die Kartoffelpresse in einen großen Topf. Dort rühre ich die Masse 2 bis 3 Minuten durch, damit sie noch weiter austrocknet. Jetzt gieße ich nach und nach-unter ständigem Rühren mit dem Kochlöffel-die Milchmischung dazu und würze mit Salz und 1 Prise Muskatnuss. Der Herd ist dabei so weit aufgedreht, dass das Püree heiß bleibt, aber nicht zu brutzeln beginnt. Gegen Ende kommen die zweiten 100 g Butter, eiskalt und in Stücke geschnitten, dazu. Mit der Milchmenge steuere ich übrigens auch die Festigkeit.

So ein Püree ist auch die Basis für einen Klassiker der Altpariser Bistroküche: Hachis Parmentier; also: Haschee à la Parmentier. Es heißt nach dem Mann, der die Kartoffel in Frankreich populär gemacht hat, und zwar angeblich mit perfidem Guerilla-Marketing. Der Pharmazeut Antoine Augustin Parmentier (1737-1813) kannte sich als einer der ersten Europäer gut mit Kartoffeln aus und förderte im Zuge einer Hungersnot und Getreidekrise deren Anbau als Ersatz für Brot. Um die Kartoffeln wertvoll erscheinen zu lassen, ließ er-zumindest der Legende nach-die Äcker von Soldaten bewachen, die jedoch den Auftrag hatten, die Diebe in Ruhe gewähren zu lassen. Die Bauern klauten die Knollen nicht nur zum Essen, sondern auch für den Anbau.

Hachis Parmentier ist ein einfacher Auflauf, der beliebig gestaltet werden kann: Im Prinzip besteht er aus in die Form geschichtetem Kartoffelpüree, das mit einem Ragout aus faschiertem Fleisch nach Wahl oder gehackten Bratenresten, Tomaten, Wurzelgemüse und Gewürzen (Petersilie, Majoran) zubereitet wird. Dann kommt noch einmal Püree und zum Schluss geriebener Käse (Gruyere, Comté, Parmesan) oder Weißbrotbrösel drüber, bevor die Reverenz an Monsieur Pomme de terre forsch bei 220 Grad überbacken wird. Wer übrigens das Fleisch ersetzen möchte, nimmt einfach klein gehackte Pilze (Champignons, Austernpilze, Kräuterseitlinge oder, in der jeweiligen Saison, Pilze des Waldes).