Eatdrink: Klaus Kamolz

eatdrink von Klaus Kamolz Der perfekte Brodetto

Der perfekte Brodetto

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Spät ankommen in Triest ist eine mäßig gute Idee, aber wenn man oben auf den Hügeln in den osmizze, den Buschenschanken von Skerk oder Zidarich, ewig, ähem, herumprokrastiniert, ist das eben so. Im Buffet „Da Pepi“ decken sie schon den Schinken zu wie ein Opfer, das Veit Heinichens Commissario Proteo Laurenti nach gründlicher Spurensicherung zum Abtransport freigegeben hat. Schnell weiter. Und schon der nächste Schock: Walter Cuzmich lässt in seiner wunderbaren „Gran Malabar“ den Rollladen halb herunter. Zum Glück stellt sich das bloß als Empfehlung, die Bar leicht gebückt zu betreten, heraus, denn Vitovska und Teran fließen noch eine gute Stunde weiter. Der letzte nächtliche Hunger aber muss anderswo gestillt werden. Brodetto-Craving hat sich eingestellt, unbändige Lust auf die mir sympathischste Variante des adriatischen Fischeintopfs, den Brodetto alla triestina. Und was passiert in der „Trattoria da Giovanni“? Küchenschluss, aber es gäbe noch ein paar zentimeterdick abgesäbelte Scheiben von der gewaltigen Mortadella auf der Theke, die daliegt wie das Fundament einer römischen Säule drüben in Aquilea.

Tja, dann gibt’s eben Brodetto alla triestina fatto a casa. Ich sagte schon, meine Lieblingsversion. In Grado, auch so ein Brodetto-Hotspot, ist er paradeiserlos, und weiter Richtung Venedig beschränken sie sich oft auf eine Fischart, nämlich Meeresgrundeln. Auch nicht schlecht, aber ich bevorzuge so ein Set namens pessi per brodetto, wie es schon fix und fertig auf Märkten und in Fischläden Triests angeboten wird. Es sind eher kleinere Exemplare der jeweiligen Art: Knurrhahn, Drachenkopf, Rotbarbe, vielleicht ein Medaillon vom Seeteufel, und dazu Calamari, Scampi und Muscheln. Vorsicht ist allerdings angebracht, wenn es frische Cannochie (Heuschreckenkrebse) gibt; deren zartes Fleisch zerfließt schon zu Mus, wenn man es nur mit warmem Blick betrachtet.

Und auch wenn es innerhalb der Stadt verschiedene Interpretationen gibt, und der Brodetto der Piazza dell’Unità d’Italia anders gemacht gehört als der in der Via Giulia, so sind doch zwei Parameter zu berücksichtigen: Die Fische für den Triestiner Brodetto werden frittiert, bevor sie im Fond ziehen. Und der wahre Brodetto muss erst einmal auskühlen und wieder erwärmt werden, damit er schmeckt. An der Frage Weißbrot oder weiße Polenta scheiden sich die Geister. Ich sage Polenta. Und Vitovska.

Brodetto alla triestina
Für 4 Personen: Ca. 1,5 kg Brodetto-Fische (wie im Text erwähnt) filetieren (aus den Karkassen einen Fond mit Weißwein, Wasser, Wurzelgemüse und Paradeisern kochen), in griffigem Mehl wälzen und in Olivenöl scharf anbraten. Calamari in mundgerechte Stücke schneiden, ebenfalls in Mehl wälzen und anbraten. Fische einstweilen beiseitestellen. In einem großen Topf eine faustgroße, kleingehackte Zwiebel langsam hellbraun rösten, dann eine kleingehackte Stange Sellerie und drei hauchdünn gehobelte Knoblauchzehen einrühren und kurz mitrösten. Mit 0,25 Liter Weißwein ablöschen, leicht reduzieren und ca. 0,75 Liter Fischfond und eine Dose Paradeiser (400 g) einrühren. 1 Lorbeerblatt dazugeben, langsam aufkochen und ca. 10 Minuten köcheln lassen. Dann 1 EL Semmelbrösel und 1 Spritzer Rotweinessig untermengen, 16 Miesmuscheln und 8 Scampi einlegen und zugedeckt weiter köcheln, bis die Muscheln sich geöffnet haben. Jetzt 3 bis 4 EL gehackte Petersilie, Fische und Calamari dazugeben, Topf verschließen, Herd abdrehen und den Brodetto auskühlen lassen. Währenddessen die weiße Polenta zubereiten, in eine runde Schüssel pressen und fest werden lassen. Polenta in Tortenstücke schneiden und in Öl anbraten, während der Brodetto wieder erwärmt wird (stehen Heuschreckenkrebse zur Verfügung, dann legt man die jetzt erst auf den Brodetto).

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