Eatdrink: Klaus Kamolz

eatdrink von Klaus Kamolz Es muss nicht immer Pizza sein

Es muss nicht immer Pizza sein

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Meine innere Saisonaluhr ist verstellt, was vergangene Woche dazu führte, dass ich die letzte noch vorrätige Weidegans vom Waldviertler Nachbarn aus dem Tiefkühler holte, sie behutsam auftaute und vorweihnachtlich lebkuchig abgeschmeckt, wozu jedenfalls Honig und Orangen gehören, in den Ofen schob. Dann erwachte ich aus der Trance und erschrak über mein Handeln, das offenbar von Nebel bei immerhin acht Grad über Null stimuliert worden war. Aber ich weiß jetzt wenigstens, auf welche Trigger hin die Störche und Schwalben gerade das Weite suchen.

Das tue ich auch und rufe deshalb hier italienische Wochen aus, was, mit Verlaub, doch eine wesentlich heiklere Angelegenheit ist, als man vermuten möchte. Online-Debatten über die orthodoxe Italianità in der heimischen Gastronomie führen in der Regel zu Shitstorms, gegen die jener anlässlich des Türzuknallens in der Ö3-Redaktion, weil irgend so eine österreichische, vollkommen unbekannte und schlechte Band zu laute Stimmübungen absolviert, ein Lercherlschas (mit wem hab ich schnell noch mal gewettet, dass ich dieses Wort in einer der drei nächsten Kolumnen unterbringen muss?) war.

Am schlimmsten sind die Pizzerien: So schnell kannst du gar nicht schauen, und der Teigrand, den du labbrig findest, wird von anderen als sensationell (oder umgekehrt) empfunden, wobei selten in Betracht gezogen wird, dass auch die Männer am Holzofen mal gute und mal schlechte Tage haben (je nachdem, ob der SSC Napoli oder Galatasaray Istanbul gewonnen oder verloren hat). Oder der Pizzaiolo steht im Verdacht, arabische Wurzeln zu haben. Oder die insalata mista ist um 50 Cent zu teuer für das, was sie darstellt. Oder du findest die Pizzeria A gut und wirst dafür durch Sonnen und Mond geschossen, weil du nicht begreifen willst, dass die Pizzeria B die einzig wahre Pizzeria ist. Pizza ist Krieg. Ich habe sogar schon gelesen, dass jemandem ein italienischer Wirt zu gut deutsch sprach, weswegen der Gast auf das urlaubsselige Icke-abe-eute-eine-Pasta-hausgemackte-von-die-Mama verzichten musste, wofür man ja schließlich auch bezahlt, und zwar nicht zu knapp. Also lassen wir das mit der Pizza lieber - und gehen trotzdem italienisch essen, abseits der Italo-Schickeria. Dennoch, mit so etwas Ähnlichem wie Pizza geht es los. In der kleinen Trattoria "Federico II.“ der apulischen Familie Esposto (schon mal echte Italiener) kommt zunächst ein Korb heißer und knuspriger Focacce aus Pizzateig auf den Tisch, mit Meersalz und Rosmarin bestreut. Ich werde diese tortenförmigen Schnitten gegen alle verteidigen, die sie für misslungen halten, denn sie sind so unendlich gut, dass der Korb in kürzester Zeit leer ist. Ich werde auch das Vitello tonnato der Familie Esposto verteidigen, allerdings in dubio pro reo, weil zwar die Tunfischsauce und das Kalbfleisch von sehr guter Qualität sind, mir allerdings die Kapern-Authentizität ein wenig abgeht: Kapernbeeren anstatt kleiner Knospen, wie sie etwa im Gargano-Gebirge bei Foggia, der Heimatstadt der Espostos, wild wachsen - das ist schon schade.

Abgesehen davon ist alles mindestens so in Ordnung wie die Wahl rot-weiß karierter Tischdecken: der auf den Punkt gekochte Oktopus-Salat mit Erdäpfeln, die hausgemachten Gnocchi mit Steinpilzen und Garnelen. Und die Paccheri, süditalienische Teigrollen in einer Paradeissauce mit einer kleinen Languste - eine Hälfte zerkleinert in der Sauce, die andere in der Schale.

Das "Federico II.“ jedenfalls ist ein kleiner, feiner Italiener, dessen Italianità mich an die Zeiten erinnert, als es in der Wiener Dorotheergasse noch die ursprüngliche Pizzeria "Al Cavallino“ gab, deren Besitzer den Betrieb jedes Mal in liebevolles Chaos versinken ließen, wenn ein Länderspiel der Azzurri übertragen wurde. Auch darüber konnte man streiten. Die Espostos jedenfalls legen einen erstklassigen Service in nicht zu gutem Deutsch hin, ob das jetzt wem passt oder nicht.

Federico II.
Krieglergasse 14, 1030 Wien
Tel.: 0676/581 05 54
Hauptgerichte: 15,50 bis 25 Euro

[email protected]