Kritik an Foda: Schlaue Einfallslosigkeit?

Die Nationalmannschaft siegt und siegt. Trotzdem wurde sie selten so scharf kritisiert. Teamchef und Spieler versuchen das einfallslose Spiel als berechnende Strategie zu verkaufen. Doch der Erfolgslauf hat andere Gründe.

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Von Gerald Gossmann

2:1 gegen Nordirland klingt durchschnittlich passabel. Das Außergewöhnliche: Der Sieg war der fünfte in Folge. Die österreichische Nationalmannschaft tut was sie nie tat: in großer Beständigkeit gewinnen. Trotzdem schrieb der Kurier zuletzt: „Österreich blamiert sich – und gewinnt“. Sowie: „Die Elf von Franco Foda wirkte über weite Strecken völlig planlos“. „Ende gut, wenig gut“ titelte der „Standard“, „Österreich irritiert weiterhin mit ideenlosem, lustlosem Spiel“ schrieb die „Presse“. Das österreichische Fußballteam hat in seiner Historie oft miserabel und erfolglos gespielt, aber die Kritik etablierter Medien fiel weniger scharf aus.

Teamchef Franco Foda ist irritiert bis erschüttert, wenn er mit Kritik an seiner Spielweise konfrontiert wird. „Mittlerweile kann ich es nicht mehr hören“, raunte er nach dem Sieg. „Wir haben in den letzten Jahren immer gesehen, dass man in Schönheit sterben kann", erklärte Leverkusen-Legionär Julian Baumgartlinger. "Wir wollen in erster Linie gewinnen, und das haben wir zuletzt gemacht." Die Worte des Kapitäns klingen auf den ersten Blick grundvernünftig. Erst bei genauerem Hinschauen zeigt sich das große Missverständnis.

Das Spiel gegen Nordirland war ein Paradebeispiel für die ausbleibende Entwicklung des Nationalteams. Österreich trat mit zehn Leistungsträgern aus der starken Deutschen Bundesliga an; darunter David Alaba (Bayern München), Stefan Lainer (M´Gladbach), Martin Hinteregger (Eintracht Frankfurt), Xaver Schlager (Wolfsburg), Marcel Sabitzer (RB Leipzig). Die eingewechselten Legionäre Marko Arnautovic (China) oder Adrian Grbic (Frankreich) gar nicht mitgezählt. Für Nordirland traten bloß zwei Spieler aus obersten Ligen an, fünf spielen zweitklassig, vier gar drittklassig.

Die letzten fünf Siege sackte man gegen europäische Hinterbänkler ein: Griechenland, zweimal Nordirland, Rumänien, Luxemburg. Keiner von ihnen hat sich für die Europameisterschaft qualifiziert – obwohl dort bereits fast die Hälfte aller Verbände mitspielt. Die einzigen Partien gegen knapp vor Österreich klassierte Gegner bestritt man vor vielen Monaten: gegen Bosnien und Polen reichte es bloß zu zwei Punkten aus vier Spielen.

Österreich erfüllt mit einem hochkarätigen Kader, aus dem sich zuweilen zwei oder drei Mannschaften bilden ließen, Pflichtaufgaben – und das in irritierender Passivität.

Die Planlosigkeit soll – wenn es nach Teamchef Foda und Kapitän Baumgartlinger geht – als kühle Berechnung verkauft werden. Das Nationalteam spielt demnach nicht holprig sondern schlau. Doch auch dort hakt es. Foda stellte gegen Nordirland sieben Defensivspieler in die Anfangsformation. Das ging so lange schlecht, bis Nordirland eine Viertelstunde vor Schluss den Führungstreffer erzielte. Foda erzählte später, dass er Nordirland genau so erwartet hatte: defensiv und destruktiv. Nun schien es, als wollte er dem abwartenden Gegner nicht ins offene Messer laufen. Nach der Führung der Nordiren konnte der destruktive Grunddedanke nicht weiter auf dem Feld ausgeführt werden. Foda stellte das System um und brachte Offensivkräfte, die das Spiel in ein 2:1 für Österreich verwandelten. Foda bewies damit nicht, wie mancherorts zu hören war, sein „goldenes Händchen“, sondern bestätigte bloß die davor betriebene Sabotage.

Fodas Fußball ist kein abgeklärter Defensivkick der Marke Atletico Madrid, der Torchancen nicht zulässt und sich abgeklärt nach vorne arbeitet. Das Gegenteil ist der Fall. Die Passivität der Spieler lädt den Gegner zu Torchancen ein. So auch beim 1:0 der Nordiren. Darauf von einem Journalisten angesprochen, schob Teamchef Foda dem Spieler der eine Abseitsstellung aufgehoben hatte den schwarzen Peter zu – anstatt die Problematik im großen Ganzen zu benennen. Zuletzt wechselte der Teamchef zwischen Ausreden und Kritik an der Kritik hin und her. Der Gegner habe mit hohen Bällen und sehr destruktiv agiert, mokierte er. Demnach müssten aber Mannschaften wie der LASK, Salzburg oder Bayern München ihre Spielweise einmotten, wenn jeder Drittligist sofort ein Patentrezept parat hat.

„Wahrscheinlich fragt am Ende des Tages keiner mehr, wie es dazu gekommen ist, dass wir uns für Liga A qualifiziert haben", meinte Kapitän Baumgartlinger heute.

Möglicherweise. Wahrscheinlich aber nicht. Die Frage nach der ausbleibenden spielerischen Entwicklung wird weniger nach der hochwahrscheinlichen Qualifikation diesen Mittwoch gestellt werden – sondern dann, wenn bei der Europameisterschaft oder in „Liga A“ erstmals unter Foda in Pflichtspielen hochklassige Gegner warten.

Erst dann wird sich beantworten lassen, ob es klug war, eine goldene Fußballer-Generation mit wenig passendem Angsthasenfußball darauf vorzubereiten.