Zwei Frauen vor einer schwarz-weiß gemusterten Wand
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Fallwickl & Reisinger: „Unser Feind ist das Patriarchat”

Die Schriftstellerinnen Mareike Fallwickl, 42, und Eva Reisinger, 33, über ihr Buch „Das Pen!smuseum“, Dick Pics, Zickenkriege, die keine sind, den Kampf gegen das Patriarchat und ihr Verständnis für Tradwives.

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Beim Titel Ihres Buches „Pen!smuseum“ habe ich an einen Schaukasten im Völkerkundemuseum gedacht, in dem ein etwas mitgenommener, präparierter Penis steht, mit der Erläuterung: „2025: das Ende des Patriarchats“.

Eva Reisinger

Eine schöne Vorstellung.

Mareike Fallwickl

Es gibt ja ein Penismuseum in Island. Das einzige weltweit. Aber tatsächlich geht es in dieser Geschichte um eine Frau, die den Penis ihres Mannes fotografiert. Dick Pics, nur eben umgekehrt. Was insofern auch perfektes Timing ist, da Dick Pics mit dem heutigen Tag gesetzlich verboten sind.

Der Sound Ihrer Geschichten ist oft lustig, grotesk, aber manchmal doch etwas pessimistisch. Manche Ihrer Frauenfiguren leiden an den gleichen Dingen wie die Frauen früherer Generationen. Ich dachte, Sie gehören zu einer Generation, in der sich etwas verändert hat.

Fallwickl

Leider nein. Bei meinen Lesungen kommen teilweise Frauen im Alter von 70 plus, sogar 80 plus zu mir her und sagen: Hey, ihr protestiert immer noch gegen denselben Scheiß wie wir damals!

Reisinger

Es ist ja auch so, dass man zum Teil richtig fassungslos ist, wie wenig sich verändert hat. Und welche konservativen Werte wieder aufgewärmt werden, auch in den jüngeren Generationen, inklusive unserer.

Einerseits gibt es einen neuen Feminismus, der woke ist und sich klar gegen den alten abgrenzt. Andererseits haben wir es in den sozialen Medien mit diesen schrecklichen Tradwives zu tun und in Folge mit jungen Frauen, die lieber Vollzeit ihre Kinder großziehen und aus dem Berufsleben aussteigen.

Fallwickl

Mir kommt vor, dass es nie wirklich anders war. Es hat immer solche Strömungen gegeben. Wir sind doch alle patriarchal gebrainwashed und von klein auf so sozialisiert. Also ich empfinde ehrlich gesagt nichts anderes als Sanftmut gegenüber all diesen Frauen, weil es für mich total logisch ist, dass man starken Widerstand aufbaut, wenn das, woran man glaubt und wie man sozialisiert wurde, infrage gestellt wird.

Reisinger

Wir leben nun einmal im Patriarchat, und dagegen aufzubegehren, kostet wahnsinnig viel Ressourcen, die man ja erst einmal aufbringen muss. Auch ich fühle diesen Frauen gegenüber vor allem Verständnis. Wir sind ja alle ähnlich beschissen sozialisiert worden. Ich glaube, die Frage, die man sich stellen muss, ist: Warum fordert man vom Feminismus, dass sich alle Feministinnen einig sind?

Fallwickl

Das gibt es ja bei keiner anderen Strömung.

Reisinger

Bei Frauen heißt es dann immer gleich: So schlechte Feministinnen! Die sind sich nicht einig. Dieses Bild von den streitenden Weibern ist natürlich vom Patriarchat geprägt.

Fallwickl

Wenn Männer diskutieren, gelten sie als meinungsstark, aber wenn Frauen diskutieren, gelten sie als hysterisch.

Womit wir bei einem Thema gelandet sind, das möglicherweise nicht Ihr Lieblingsthema ist: Im Vorfeld zum Erscheinen von „Pen!smuseum“ gingen die Wogen hoch, weil – und bitte korrigieren Sie mich – die Schriftstellerin Gertraud Klemm mit einem Gastbeitrag wieder aus dem Buchprojekt ausgeschlossen wurde, weil es unterschiedliche Ansichten von Feminismus gab.

Fallwickl

Wir weigern uns wirklich sehr entschlossen, das Narrativ vom Zickenkrieg zu bedienen. Es gab keinen Streit, es ist total aufgebauscht worden. Es war eine kuratorische Entscheidung, die längst abgeschlossen war. Ein solcher Shitstorm bedient halt einfach auch kapitalistische Interessen. Und es ist natürlich ein schönes Narrativ, dann sagen zu können: Hey, da streiten sich Feministinnen.

Aber wer hat es aufgebauscht? Journalisten?

Reisinger

Die Welle der Empörung kam Wochen nach unserer Entscheidung. Und sie kam vor allem von Männern, die bisher wenig bis gar nichts zum Feminismus zu sagen hatten. Es hat ein Gespräch mit Gertraud Klemm gegeben, und Mareike, der Verlag und ich haben eine kuratorische Entscheidung getroffen, dass wir das nicht gemeinsam publizieren können. Gertraud hat daraufhin ihren Beitrag schriftlich zurückgezogen.

Fallwickl

Was wirklich üblich ist in der Buchwelt. Einfach gesagt: Wir haben miteinander geredet, und wir haben gemerkt, wir stimmen nicht überein.

Reisinger

Zur gleichen Zeit fand damals das schreckliche Attentat in Graz statt. Es hat gefühlt ein dritter Weltkrieg mitgestartet, und ich bin wirklich da gesessen und habe mir gedacht: Können sie nicht über Themen schreiben, die wirklich welche sind, anstatt einen Streit künstlich aufzublasen, von dem niemand profitiert – außer die, die Klicks kriegen.

Angelika Hager

Angelika Hager

leitet das Gesellschafts-Ressort