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Masto-do oder Masto-don't?

Der Online-Dienst Mastodon soll eine Alternative zu Twitter sein: Doch was kann diese Site besser?

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Was haben Klima-Aktivistin Greta Thunberg, Komiker Stephen Fry und Wirtschafts-Nobelpreis-Träger Paul Krugman gemeinsam? Sie sind alle seit Kurzem bei Mastodon – jenem Online-Dienst, der eine Alternative zu Twitter sein soll. Denn seit Elon Musk diese Plattform übernommen hat, großflächig Personal kündigte und im Eiltempo die Site umgestalten möchte, suchen einige Menschen nach einem neuen Treffpunkt im Netz. Die große Frage ist: Kann Mastodon dieser Treffpunkt sein? Die Plattform ist wesentlich kleiner als Twitter, technisch etwas komplexer und vom Idealismus der Netzkultur geprägt. Ich möchte kurz näher besprechen, was für und was gegen Mastodon spricht.

Es macht keinen Spaß Versuchskaninchen von Elon Musk zu sein.

Erster Grund für Mastodon: Elon Musk. Es macht keinen Spaß, Versuchskaninchen dieses Milliardärs zu sein und wie er sich freie Rede im Internet vorstellt. Obwohl sich Musk als „free speech absolutist“ bezeichnet, endet die Meinungsfreiheit offensichtlich dort, wo man Witze über ihn macht (zum Beispiel wurde die Komikerin Kathy Griffin gesperrt, nachdem sie ihr verifiziertes Profil in Elon Musk umbenannt und ihn persifliert hatte). Elon Musk ist stark im Austeilen, aber schwach im Einstecken. Zum Beispiel hat er Mastodon hämisch als „Masterbatedone“ bezeichnet – diesen Gag über Masturbation löschte er dann wieder.

Lustig finde ich auch nicht, wie Musk mit seinem Personal umgeht. Seine Business-Strategie ist anscheinend, dass Twitter ein Bezahldienst werden soll. „Bald wird die Timeline großteils Tweets von zahlender Kundschaft beinhalten, sagte er, der Rest wird in eine Zone verschoben, die vergleichbar mit Gmails Spam-Filter ist“, berichtet das Technik-Medium „Platformer“. Wer nicht acht Dollar im Monat zahlt, könnte künftig also schlechter sichtbar sein – ein gefinkelter Plan. Die Frage ist, ob die Politik- und Medienszene mitspielt und zähneknirschend beginnt, acht Dollar im Monat zu zahlen. In der Ökonomie nennt man das Netzwerk-Effekte: Wenn eine Plattform einmal  viele hat, ist es nicht so attraktiv für diese User:innen, auf eine andere Site zu wechseln, weil dort die anderen User:innen noch nicht präsent sind. Gefährlich wird es für Twitter, sollten noch mehr einflussreiche Accounts wie Greta Thunberg zu Mastodon wechseln und damit eine Sogwirkung auslösen.

Sympathisch ist: Mastodon wurde als Gegenentwurf zu den großen, gewinnorientierten Plattformen des Silicon Valley konzipiert. Es gibt dort keine Werbung, viele Server sind spendenbasiert. Die technische Infrastruktur (genannt „Fediverse“) ist dezentral. Nicht ein großes Unternehmen bestimmt alles, sondern die einzelnen Server kommunizieren miteinander. Das funktioniert ähnlich wie bei E-Mails: Da können Leute zum Beispiel GMX oder Gmail benutzen, aber sich gegenseitig E-Mails senden, weil diese Server untereinander kommunizieren. Bei Mastodon bin ich zum Beispiel am Server „mastodon.social“ registriert, meine Adresse heißt „@[email protected]“. Stephen Fry nutzt den Server „mastodonapp.uk“, seine Adresse lautet „@[email protected]“. Stephen Fry und ich können kommunizieren, weil unsere Server verbunden sind (zumindest in der Theorie, Stephen Fry hat keine Ahnung, wer ich bin). Ja, Mastodon ist eine Spur komplizierter als Twitter, aber meine Erfahrung ist: Man gewöhnt sich daran. Eine gute Einführung gibt es übrigens hier: https://www.metacheles.de/p/mastodon-anleitung-und-einstieg 

Der dezentrale Zugang stellt auch eine Herausforderung dar: Bei Facebook oder Twitter entscheidet die Unternehmensführung, was gepostet werden darf und was gelöscht wird. Im Fediverse bestimmt  jede und jeder Server-Betreiber:in selbst, welche Regeln dort gelten. Und es gibt auch negative Vorfälle: Zum Beispiel wurde der Schauspieler Wil Wheaton (bekannt als Wesley Crusher in der „Star Trek“-Serie „The Next Generation“) von einem Server geschmissen, weil ihn einige Menschen nicht mögen und ihn anscheind so oft wegen angeblicher Verstöße beim Server-Betreiber gemeldet haben, dass dieser ihn ausschloss.  Die pure Anzahl der Meldungen soll diesen Server-Administrator überfordert haben. Je größer ein Online-Dienst wird, desto mehr wird Moderation zur Zerreißprobe. Hier muss sich erst zeigen, ob ein dezentrales, spendenbasiertes Netzwerk wie Mastodon einer solchen Herausforderung gerecht werden kann, wenn es wächst. Positiv ist: Der Erfinder der Mastodon-Infrastruktur ist der deutsche Programmierer Eugen Rochko, er betreibt auch den größten Server namens mastodon.social. Liest man Interviews mit ihm, entsteht schon der Eindruck, dass ihm Hassrede und ein konsequentes Vorgehen dagegen wichtig sind – anders als Elon Musk scheint er von der deutschen Debatte über Hass im Netz geprägt zu sein.

Fazit: Ich habe keine Ahnung, ob Mastodon jemals so wichtig werden wird, dass es zu einer ebenbürtigen Alternative zu Twitter heranwächst. Aber ich bin zumindest seit ein paar Wochen dort aktiv – und es macht mir Spaß. Auf Twitter haben sich in den letzten Jahren viele aggressive Communitys breitgemacht, zum Beispiel rechte Accounts, die spamartig auf all jene antworten, die eine andere Weltsicht als sie vertreten. Es ist schön, etwas Neues auszuprobieren und dazuzulernen, wie soziale Medien anders aussehen könnten. Die wichtige Nachricht ist: Wir haben sehr wohl die Chance, an einem Internet zu basteln, das nicht ganz so stark von einzelnen wenigen Digitalkonzernen geprägt wird.

Was denken Sie darüber? Schreiben Sie mir unter [email protected] 

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.