Nicht nur in Frankreich hoffen die Fans auf einen Sieg des Gastgebers

Nach Pflicht die Kür: Frankreich fordert nun Weltmeister

Im Gegensatz zu England, das Island im Achtelfinale sensationell 1:2 unterlegen war, beging Frankrei

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Im Gegensatz zu England, das Island im Achtelfinale sensationell 1:2 unterlegen war, beging Frankreich nicht den Fehler, den kampfstarken EM-Neuling zu unterschätzen. Die Blauen lieferten in der ersten Spielhälfte den besten Auftritt im Turnierverlauf ab. Die Mannschaft von Nationaltrainer Didier Deschamps beendete dabei eindrucksvoll ihren Torlos-Fluch in den ersten 45 Minuten mit gleich vier Toren vor dem Pausenpfiff.

Schon vor der Partie liefen die Spieler in die Fan-Kurve, nach der Gala-Vorstellung defilierten sie ein zweites Mal an den Tribünen vorbei, erschöpft, aber überglücklich. Die betont kritische Presse war zufrieden. "Frankreich hat vibriert", schrieb "Le Parisien". "Jetzt der Everest", meinte "L'Equipe" mit Blick auf das Gipfeltreffen in Marseille (21.00 Uhr).

Im Stade Velodrome kann Frankreich aus dem Vollen schöpfen. Im Gegensatz zu Kollege Joachim Löw stehen Deschamps alle Spieler zur Verfügung, keiner ist verletzt, keiner gesperrt. Deschamps, in seiner aktiven Zeit Welt- und Europameister, warnte jedoch vor zu viel Euphorie: "Deutschland ist Deutschland, die beste Mannschaft in Europa und in der Welt. Aber wir kämpfen um unsere Chance auf das Finale."

"Selbst wenn auf deutscher Seite Spieler fehlen, können wir uns darauf nicht ausruhen. Wir wissen, dass Deutschland Weltmeister ist, wir wissen, was uns erwartet", meinte auch Dimitri Payet, der mit seinem 3:0 in Saint-Denis die endgültige Entscheidung kurz vor der Pause besorgt hatte. Olivier Giroud (12.) und Paul Pogba (20.) hatten Frankreich zuvor rasch in Führung gebracht, noch vor dem Pausenpfiff traf mit Antoine Griezmann auch der dritte Offensive.

Griezmann hält nun bereits bei vier Turniertreffern, seine Nebenleute Payet und Giroud haben jeweils drei zu Buche stehen. Drei Spieler aus einem Team mit je mindestens drei Treffern - eine derartige Ausbeute gelang in der EM-Historie noch keiner anderen Mannschaft. Die zwei, drei Mängel in der französischen Defensive nach der Pause fielen deshalb nicht ins Gewicht. Es waren die ersten Gegentore für Frankreich aus dem Spiel heraus. Die beiden zuvor fielen aus Elfmetern.

Deschamps hatte vor Anpfiff auf jene Formation gesetzt, die im Achtelfinale gegen Irland (2:1) die Wende geschafft hatte. Griezmann agierte dabei hinter Mittelstürmer Giroud, rechts außen kam erneut Moussa Sissoko zum Einsatz. Erfreut durften die Fans der Blauen notieren, dass neben Griezmann auch Pogba eine starke Vorstellung zeigte. Das Duo war nach einem durchwachsenen Start in die EM noch kritisiert und von Deschamps dann auf die Bank gesetzt worden.

Vor allem die Leistungssteigerung von Pogba bereitete im Land des Gastgebers Freude. Der mitunter exzentrische 23-jährige von Juventus Turin dominierte im Mittelfeld ganz nach Geschmack seines Trainers. "Wir sind entschlossen, wir sind die Gastgeber. Aber Deutschland will auch gewinnen. Es ist noch nichts erreicht", mahnte Pogba nach Schlusspfiff.

Bei einer EM oder WM sind die Franzosen vor heimischer Kulisse nun seit 17 Spielen ungeschlagen. 19 sollen es mindestens noch werden. Vor zwei Jahren war Deschamps mit der "Equipe Tricolore" im WM-Viertelfinale im Maracana von Rio de Janeiro an Deutschland gescheitert - das Tor zum 1:0-Sieg schoss damals der nun gesperrte Mats Hummels. Das bisher letzte freundschaftliche Aufeinandertreffen war am 13. November des vergangenen Jahres von den Terroranschlägen in Paris überschattet worden. Frankreich gewann die Partie im Stade de France mit 2:0.