Eatdrink: Klaus Kamolz

eatdrink von Klaus Kamolz Catwalk im Speisewagen

Catwalk im Speisewagen

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Ein allerletztes Mal fahren wir nicht nach Sotschi, sondern suchen die russische Seele hier zu Hause, oder besser die russische Lebensart. Dabei wäre es in Sotschi gerade so wunderschön, in all den „großartigen Hotels und wunderbaren Res-taurants“, in denen sich die Tische biegen vor Köstlichkeiten. Na ja, so zumindest huldigt der unabhängige Putin-Freund und Sotschi-Lobbyist Karl Schranz der Olympia-Stadt 2014. Keine Ahnung, warum sich die Welt dennoch gerade vor Lachen über die ersten Live-Berichte aus Südrussland biegt. Live-Berichte über gelbes, gefährliches Wasser aus den Leitungen, Bauarbeiter, die in den gebuchten Zimmern der Journalisten ihren Rausch ausschlafen, Toiletten mit bis zu sechs Muscheln ohne Trennwand, Heizkörper, die in zwei Meter Höhe montiert wurden, leere Bankomaten, fehlende Türklinken … Immerhin haben Sotschis Res-taurants dafür die Preise mehr als verdoppelt, zum Beispiel für molekulare Pumpernickel-Mousse mit Kaviar.

Ich habe das dumpfe Gefühl, Sotschi würde eine IOC-mitgliedskompatible und oligarchengerechte Hütte ganz gut tun. Ich weiß eine, die man mit wenig Aufwand sogar ans Schwarze Meer verfrachten könnte. „Nascha‘s“ hat zwar mit russischer Küche so viel zu tun wie die Palmenpromenade von Sotschi mit einem ausgesteckten Slalom, verströmt aber zumindest die Atmosphäre eines Moskauer „Rich & Beautiful“-Catwalks. „Nascha’s“ auf dem Wiener Petersplatz wurde kürzlich von Frau Scharapowa, einer Moskauerin eröffnet, die in der Berichterstattung auch schon mit dem Vornamen Natascha versehen wurde und laut Firmeneintrag korrekt Natalija heißt; Marija, nach der aktuellen Nummer 5 im Damentennis, ist ihr bisher erspart geblieben.

„Nascha’s“ besteht aus einem kleinen Erdgeschoß mit Bistro und Take-away und einem Fine Dining Restaurant mit Bar im Souterrain, in das man über eine von Spiegeln und schwarz-weißer Wandgestaltung gesäumte Treppe gelangt. Unten erstreckt sich der schmale Laufsteg mit Sitznischen und Tischen. Ich komme mir vor wie im Speisewagen von Roman Abramowitschs privater sibirischer Eisenbahn; deshalb meinte ich ja gerade eben, „Nascha’s“ wäre leicht nach Sotschi zu überführen. Eisenbahnräder unten dran, und Zug fährt ab.

Kommt man zum Essen hierher? Na ja, hier geht’s eher um den fabiothymen großen Auftritt mit Schampus im kleinen Schwarzen. Und eventuell ums Herumstochern in international durchgekauten Luxusprodukten, vor denen aufgeklärte Foodies längst schreiend davonlaufen. Man muss aber sagen, dass diese 08/15- Küche in einigen Wiener Hotels noch mehr missglückt als hier.

Carpaccio mit Honig-Mayo und Shitake-Pilzen – sauber gemacht, zu fad abgeschmeckt. Kalbstatar mit Muscheln – Muscheln aus, stattdessen Wasabi-Kaviar. Uff! Sepianudeln Carbonara – mit einem ganz guten speckigen Schäumchen, allerdings ein Stilbruch auf dieser Karte. Burger Deluxe – schade um die dünne, nahezu well done gebratene Scheibe vom Wagyu-Rind mit geriebenen schwarzen Trüffeln, die bestenfalls die PR-Protzburger aus London oder New York parodiert. Und dann noch Steinbutt mit Chorizo-Creme und einem Püree aus weißen Bohnen – Creme und Bohnen tadellos, Steinbutt steinhart und heillos übergart.
Dennoch: In Südrussland würde man sich derzeit alle Finger nach so etwas zu solchen hier als selbstbewusst, in Sotschi allenfalls als läppisch geltenden Preisen abschlecken. Und zwischendurch kann man ganz allein auf die Designertoilette gehen und die Tür hinter sich abschließen.

Nascha’s
Petersplatz 11, 1010 Wien
Tel.: 01/925 56 36
www.naschas.at
Restaurant So, Mo geschlossen
Hauptgerichte: 24 bis 32 Euro

[email protected]