Suarez wegen Beiß-Attacke neun Spiele gesperrt

Beißattacke. Der Liverpool-Star kann Einspruch erheben

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Die Fußball-WM in Brasilien ist für Uruguays Stürmerstar Luis Suarez beendet. Der 27-Jährige wurde nach seiner Beißattacke im WM-Spiel gegen Italien (1:0) von der Disziplinarkommission des Weltverbandes FIFA für neun Länderspiele gesperrt. Zudem darf Suarez vier Monate lang keinen mit Fußball verbundenen Aktivitäten nachgehen und muss eine Geldstrafe von 100.000 Schweizer Franken (82.200 Euro) zahlen. Das gab die FIFA am Donnerstag in Rio de Janeiro bekannt; die FIFA-Richter sprachen die Sanktionen nachträglich nach Ansicht der TV-Bilder aus.

"So ein Verhalten kann auf keinem Fußball-Platz toleriert werden, besonders nicht bei einer WM, wenn die Augen von Millionen von Menschen auf die Stars auf dem Feld gerichtet sind", begründete der Chef der FIFA-Disziplinarkommission, Claudio Sulser, am Donnerstag in Rio de Janeiro.

Der Angreifer steht damit auch seinem Club Liverpool in den kommenden Monaten nicht zur Verfügung. Der Vorfall hatte sich zehn Minuten vor Schluss des entscheidenden Gruppenspieles in Natal ereignet. Suarez hatte Gegenspieler Giorgio Chiellini in die Schulter gebissen. Der Uruguay-Star ist in seiner Profikarriere bereits zum dritten Mal mit einer derartigen Aktion negativ aufgefallen.

Einspruch möglich
Das hinter der Entscheidung stehende Gremium agiert nach den FIFA-Statuten frei und hat aufgrund mehrerer Paragrafen im Disziplinarkodex einen großen Interpretationsspielraum bei einer möglichen Bestrafung des Angreifers. Gilt es nach dem Fifa-Kodex, so ist aber noch nicht aller Tage Abend für Uruguays Stürmer.

So ist etwa geregelt, dass Suarez die Möglichkeit zum Einspruch hat - aber dann könnte die Berufungskommission diesen schnell ablehnen oder direkt an die höchste Instanz der Sportgerichtsbarkeit, den Internationalen Sportgerichtshof (CAS), verweisen. Die Ad-hoc-Kommission des CAS könnte rasch ein dann unanfechtbares Urteil fällen.

Die FIFA-Regularien sehen in Paragraf 118 vor, dass Suarez keine Einspruchsmöglichkeit bei einer Sperre von weniger als drei Spielen oder zwei Monaten gehabt hätte.

Sperre auch für andere Events
Sperren dieser Art werden von der Fifa grundsätzlich für gleich gelagerte Spiele ausgesprochen. Da für Uruguay bei der WM noch maximal vier Spiele offen sind, müsste die Sperre eventuell in folgenden Pflichtspielen Uruguays bei der Copa America 2015 in Chile gelten, für die es keine Qualifikationsspiele gibt.

Der Uruguay-Star, in der vergangenen Saison Torschützenkönig der englischen Premier League, fehlt Liverpool damit in den ersten neun Ligaspielen sowie zum Auftakt der Champions League.

Kommission urteilt
Die FIFA-Disziplinarkommission ist ein unabhängiges Gremium mit insgesamt 21 Mitgliedern aus allen sechs FIFA-Konföderationen. Ihr Vorsitzender Sulzer ist ein ehemaliger Stürmer von Grashoppers Zürich. Der Schweizer stellt für jeden Fall eine Gruppe aus der Kommission zusammen.

Alle Beweismittel werden bei der Entscheidungsfindung angenommen, auch TV-Bilder. Als am Donnerstag morgen noch als einziges Beweismittel ein Video hervor gebracht worden war, auf dem der Biss aber nicht explizit zu sehen war, sah AUF-Präsident Wilmar Valdez die Unschuld von Suarez bestätigt: "Basierend auf den Beweisen gibt es keinen Grund für eine Strafe", sagte er selbstbewusst. Suarez selbst verzichtete auf eine Aussage vor der Disziplinarkommission.

"Eine alte Liebe"
Indes veröffentlichte das Sportportal "Globoesporte" am Mittwoch ein Foto, laut dem dies nicht der erste Beißangriff von Luis Suarez gegen Giorgio Chiellini war: Zu sehen ist, wie Uruguays Topstürmer Gegenspieler Chiellini bei einem Zweikampf von hinten umarmt und es mit weit geöffnetem Mund auf die Schulter des Italieners abzusehen scheint.

Das Bild sei beim Confederations Cup 2013 beim Spiel Uruguay-Italien (2:2) in der Fonte-Nova-Arena in Salvador gemacht worden, heißt es unter der Überschrift "Eine alte Liebe".

Wiederholungstäter und Rassist
Denn Suarez ist ein Wiederholungstäter. Der Angreifer hat in den vergangenen Jahren bereits zweimal Gegenspieler gebissen und dafür lange Sperre ausgefasst. Für eine Beißattacke gegen PSV Eindhovens Otman Bakkal im November 2010 fasste der damalige Ajax-Amsterdam-Spieler sieben Spiele aus, für ein ähnliches Vergehen gegen Chelseas Branislav Ivanovic im April des Vorjahres deren zehn.

Dem nicht genug: Wegen rassistischer Bemerkungen gegen den Franzosen Patrice Evra von Manchester United wurde Suarez 2011 auch noch für acht Spiele gesperrt. "Das Disziplinarkomitee hat alle Faktoren für diesen Fall in Betracht gezogen", betonte Sulser in seiner Urteilsbegründung. Der Spieler und sein nationaler Verband seien bereits informiert. "Die Entscheidung tritt mit dem Moment in Kraft, in dem sie kommuniziert worden ist."

Suarez muss sich damit auf vier Monate an der Seitenlinie einstellen. Schon den Beginn der abgelaufenen Ligasaison hatte er wegen seiner Beißattacke auf Ivanovic verpasst. Dennoch schoss der "Pistolero" Liverpool mit 31 Toren in 33 Spielen beinahe zum Meistertitel. Das erste WM-Spiel gegen Costa Rica (1:3) versäumte der Star noch wegen einer Knieoperation, der er sich im Mai unterzogen hatte. Gegen England traf er bereits im Doppelpack (2:1).

Den entscheidenden Treffer zum Aufstieg gegen Italien (1:0) erzielte Verteidiger Diego Godin dann nur eine Minute nach der nicht geahndeten Tätlichkeit des Topscorers gegen Chiellini. Uruguay trifft im WM-Achtelfinale am Samstag (22.00 Uhr) in Rio de Janeiro auf Kolumbien. Der Ausfall von Suarez ist eine enorme Schwächung. An seiner Stelle dürfte erneut Altstar Diego Forlan, bei der WM 2010 zum besten Spieler gewählt, neben Edinson Cavani stürmen.

Spott im Netz
Im Internet hat der Beißangriff jedenfalls ein Feuerwerk an Fotomontagen und Kommentaren ausgelöst. Ein Bild zeigt den 27-Jährigen mit der Maske des Kannibalen Hannibal Lecter aus dem Kinothriller "Das Schweigen der Lämmer". In einer anderen Montage ersetzt der Südamerikaner den Hai auf dem Filmposter zu dem Horrorstreifen "Der Weiße Hai".

Einigen Glücksspielern bescherte Suarez' Ausfall einen Geldsegen. 167 Tipper aus etwa 20 Ländern hatten darauf gesetzt, dass der Stürmer bei der WM rückfällig wird, wie der Wettanbieter Betsafe mitteilte. Die Quote habe bei 175:1 gelegen. Insgesamt seien 50.000 Euro ausgeschüttet worden.

Der Sportpsychologe Tom Fawcett von der Universität Salford in Manchester machte die harte Kindheit des Fußballprofis für sein aggressives Verhalten auf dem Platz verantwortlich. Suarez, der mit sechs Geschwistern in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs, habe lernen müssen, sich durchzusetzen, sagte Fawcett dem britischen Sender BBC. Er habe kaum Hoffnung, dass Suarez sein Temperament künftig kontrollieren könne: "Trotz aller Hilfe wird er es wieder tun."

(apa/dpa/reuters/red)