Fußball

Brüchiger Bund: Stellungskrieg im ÖFB

Der designierte ÖFB-Präsident Klaus Mitterdorfer will den zerstrittenen Verband endlich beruhigen – doch hinter den Kulissen eskaliert der Machtkampf. profil-Recherchen gewähren Einblick in einen absurden Stellungskrieg.

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„In der Konstruktion ÖFB sind keine unternehmerischen Entscheidungen möglich“, betonte der ehemalige ÖFB-Präsident Leo Windtner einmal gegenüber profil: „Es geht um die Absicherung Einzelner.“ Das muss man wissen, um die folgende Geschichte aus dem größten heimischen Sportverband verstehen zu können: Neun Landespräsidenten, die zum Teil schwer verfeindet sind, und die Bundesliga einigten sich am Freitag, dem 28. April, im Hotel Courtyard by Marriott im Wiener Prater auf einen neuen ÖFB-Boss: den Kärntner Landesfußballverbandspräsidenten Klaus Mitterdorfer, 57, Jurist, stellvertretender Direktor der Ärztekammer Kärnten. Der Mann gilt als unscheinbar, umgänglich, besonnen – und: Er war selbst überrascht von seiner Wahl. Eigentlich waren prominentere Kandidaten im Spiel: Uniqa-Vorstand Kurt Svoboda, Kristallerbin Diana Langes-Swarovski und der Selfmade-Millionär Roland Schmid. Doch dann kam alles anders.

Lagerbildung im Verband

Im ÖFB-Präsidium bekämpfen sich derzeit zwei Lager: der Ost-Flügel (Wien, Niederösterreich, Burgenland) und die West-Achse (Tirol, Salzburg, Oberösterreich). Mittendrin im Machtkampf stehen die beiden Geschäftsführer, die partout nicht zusammenarbeiten können, ja mehr noch: Beide wollen den jeweils anderen möglichst loswerden, erzählen ÖFB-Mitarbeiter. Vor diesem Hintergrund fand also die Wahl des neuen ÖFB-Präsidenten statt.

Interims-Präsident Johann Gartner

Bei der letzten Sitzung drängte der Niederösterreicher auf eine Lösung - vergeblich.

Die Vorgeschichte: Der im Februar zurückgetretene ÖFB-Präsident und hauptberufliche Verlagschef Gerhard Milletich spaltete den Verband, weil er bei ÖFB-Sponsoren um Inserate für seine eigenen Publikationen warb – und sich selbst, den ÖFB und schlussendlich auch seine beiden Geschäftsführer in die Schusslinie brachte. Der eine, Thomas Hollerer, wurde von der West-Achse als „Mitwisser“ bezeichnet, weil er Milletich zu einigen Gesprächen mit Sponsoren begleitet hatte. Und er zog Ärger auf sich, weil er von den Präsidiumsmitgliedern eine eidesstattliche Erklärung verlangte, mit der diese bestätigen sollten, nicht gegen Milletich zu intrigieren.

Der andere, Bernhard Neuhold, half dem oberösterreichischen Landespräsidenten Gerhard Götschhofer, gegen Milletich Beweismittel zu recherchieren. Ein Gespräch mit dem ÖFB-Sponsor Geomix, „wo unbestritten um Inserate“ für Milletichs Verlage geworben wurde, bezeichnete Milletich als „Nicht-ÖFB-Termin“. Neuhold soll Götschhofer unter der Hand die Spesenabrechnung Milletichs besorgt haben, die belegte, dass die Fahrt zu besagtem Treffen dem ÖFB verrechnet worden war – was den Präsidenten endgültig zu Fall brachte. Ein ÖFB-Funktionär orakelte gegenüber profil von einem „Deal“: Neuhold sollte helfen, Milletich abzuschießen. Im Gegenzug würde man Neuhold helfen, seinen ungeliebten Geschäftsführer-Kollegen Hollerer loszuwerden.

Co-Geschäftsführer Thomas Hollerer

Mit seinem Gegenüber im ÖFB, Bernhard Neuhold, verbindet ihn eine innige Feindschaft. 

Die entscheidende Sitzung

„Der Westen steht hinter Neuhold, der Osten hinter Hollerer“, erklärt ein Landespräsident gegenüber profil. Das muss man wissen, ehe man die Geschehnisse des 28. April betrachtet. An diesem Tag konferierte der Wahlausschuss des ÖFB – eigentlich nur, um seine Optionen zu sondieren. Dann tauchte aber ein brisantes Gerücht auf: Hollerer soll gemeinsam mit der Bundesliga und dem Ost-Flügel einen Masterplan schmieden: Diana Langes-Swarovski, Präsidentin des Fußballklubs WSG Tirol, soll als Präsidentschaftskandidatin ins Rennen gehen und der Unternehmer Philip Thonhauser den bisherigen Geschäftsführer Neuhold ersetzen, mutmaßte der „Kurier“. Laut profil-Informationen war Langes-Swarovski tatsächlich als Trumpf geplant: als weibliche und „charmante Lösung“, wie es heißt. Brisant dabei: Langes-Swarovski sprach sich in den Tagen vor dem Wahlausschuss für eine Abwahl des Tiroler Landespräsidenten Josef Geisler aus, einem mächtigen Vertreter der West-Achse im ÖFB-Präsidium und hartnäckigen Gegner Hollerers.

„Es ist eine Option, dass einer wegkommt. Es ist aber auch eine Option, dass beide wegkommen.“
 

Günter Benkö, ÖFB-Landespräsident Burgenland

Die West-Achse war eigentlich für einen Präsidenten eingetreten, der nicht aus den eigenen Reihen kommt: den Millionär Roland Schmid. Dem ÖFB könne „nur eine externe Lösung helfen“, betonte der Tiroler Geisler gegenüber „sportsbusiness.at“, „weil das Präsidium gespalten ist“. Doch mit der Drohkulisse der Bundesliga-Kandidatin Langes-Swarovski im Hintergrund folgte die Kehrtwende. „Ihr könnt ja nicht den ÖFB übernehmen“, soll ein Präsidiumsmitglied vor dem Wahlausschuss geunkt haben. Eigentlich hatte man sich während der Sitzung schon auf einen Wahltermin im September geeinigt und eine Strukturreform des schwerfälligen ÖFB zumindest angesprochen, da preschte der Salzburger Herbert Hübel vor und stellte einen unerwarteten Antrag: für Mitterdorfer, den Mann aus den eigenen Reihen. „Der Westen wollte monatelang eine externe Lösung“, zeigte sich der noch amtierende Interimspräsident, der Niederösterreicher Johann Gartner, gegenüber profil irritiert, „deshalb verstehe ich diesen Sinneswandel nicht.“ Einige sprechen von einer „Panikreaktion“ – aus Angst, man könnte an Einfluss verlieren. Wie es zum Meinungsschwenk innerhalb der West-Achse kam? „Es wäre kontraproduktiv, jetzt in der Vergangenheit zu wühlen“, betont der Oberösterreicher Götschhofer gegenüber profil. Der Salzburger Hübel sagt: „Es ging mir primär um die Einheit. Wir sollten dem mal eine Chance geben, sonst hätte das wieder Monate gedauert.“ Der Mann aus den eigenen Reihen fand eine von der West-Achse organisierte Mehrheit und wurde damit zum kleinsten Kompromiss für die machtbewussten Männer.

Der Ost-Flügel und Vertreter der Bundesliga hatten sich laut profil-Informationen am Vortag des Wahlausschusses zu einem Geheimtreffen verabredet, um die eigene Strategie zu besprechen. Die West-Achse erfuhr davon, worauf der Oberösterreicher Götschhofer dies tags darauf offen thematisierte. Man habe eben „vom Götschhofer gelernt“, entgegnete der burgenländische Landespräsident Günter Benkö keck. „Wir haben uns vorab ausgetauscht, weil der Westen das schon seit Jahren macht“, erklärt Benkö gegenüber profil. Diese seien „gut verbandelt und haben immer andere Gedankengänge als die anderen – was mich stört.“ Götschhofer sei zudem ein Unruhestifter und „der große Initiator“ hinter dem Abdanken Milletichs, betont dessen Landsmann Benkö. „Er hat auch den Neuhold in diese Lage gebracht, der sich der Unterstützung des Westens sicher war und Dinge gemacht hat, die man nicht machen darf.“

Co-Geschäftsführer Bernhard Neuhold

Auch er wäre sein Gegenüber in der Geschäftsstelle gerne los. 

Lösung in Sicht? Eher nicht.

Die Lage ist also verfahren – und das gleich auf mehreren Ebenen. Viele im Präsidium betonen gegenüber profil, dass es mit den beiden zerstrittenen Geschäftsführern „so nicht weitergeht“. Doch die Diskussion dreht sich seit Monaten ergebnislos im Kreis – weil der Ost-Flügel Hollerer stützt und die West-Achse Neuhold. Bei der letzten Sitzung drängten Interimspräsident Gartner und Bundesliga-Vorstand Christian Ebenbauer auf eine Lösung. Manche Beteiligte sprechen von einem „Frontalangriff auf Neuhold“. Der burgenländische Landesvertreter Benkö erklärt gegenüber profil: „Es ist eine Option, dass einer wegkommt. Es ist aber auch eine Option, dass beide wegkommen.“ Und: Es gäbe dabei nur eine Vorgehensweise: „Hopp oder dropp“.

In einer nächsten Sitzung sollen sich die beiden Geschäftsführer zu den Vorwürfen äußern dürfen – und sie wappnen sich bereits. So soll Hollerer laut profil-Informationen über eine eidesstattliche Erklärung von Ex-Präsident Milletich verfügen, in welcher ihm bestätigt wird, kein „Mitwisser“ in der Inseraten-Causa gewesen zu sein. Neuhold wiederum wird von mehreren Präsidiumsmitgliedern aufgrund der formlosen Weitergabe interner Dokumente ein „arbeitsrechtliches Dienstvergehen“ vorgeworfen. Damit muss sich nun der designierte Präsident, der Ende Juni offiziell gewählt werden soll, befassen. Er wolle den Verband einen und versuchen, „die Leute mit Kommunikation dazu zu bringen, ein halbwegs gutes Team zu sein“, betont Mitterdorfer. Doch selbst Interimspräsident Gartner, der seine Präsidiumskollegen in den letzten Monaten zur Versöhnung bewegen wollte, bleibt skeptisch. „Die Wunden sind noch nicht ausgeheilt“, sagt er gegenüber profil. „Ich höre zwar die Botschaft, dass der Machtkampf vorbei sein soll, doch mir fehlt der Glaube daran.“

Auch Ralf Rangnick, der international renommierte Teamchef, ist laut profil-Informationen wenig glücklich über die verheerende Außenwirkung, die der Verband seit Monaten abgibt. Im Juni stehen wichtige Spiele in der EM-Qualifikation an, Rangnick hätte gerne ein bisschen Euphorie im Land. Gartner betont gegenüber profil, er wisse nicht, wie es dem Teamchef mit der Situation gehe, aber: „Er ist Profi genug, um sich da nicht einzumischen.“