Achtung, Hund!

Achtung, Hund!

Drucken

Schriftgröße

Das ist so: Theoretisch gibt es in unserem Ort eine Leinen- und Maulkorbpflicht. Praktisch gilt hier auch wie anderswo: Je größer, gefährlicher und bösartiger der Hund, desto freier läuft er. Schon höre ich die ersten Proteste: Hunde sind nicht bösartig! Nur falsch erzogen. Oder gar nicht.

Doch leider: Widerspruch. Natürlich sind Hunde nicht bösartig im Sinn einer moralischen Verantwortung für ihr Tun. Aber dass sie alle von Natur aus Lamperln sind, ist definitiv falsch. Manche haben ein durchaus problematisches Naturell, und sehr häufig hat es etwas damit zu tun, dass diese Hunde einer ebenfalls problematisch genannten Rasse angehören.

Ich sage das als eine, die mit Hunden aufgewachsen ist, Hunde mag und einen Hund hat. Und selbstverständlich meine ich nicht, dass Erziehung und Behandlung für das Verhalten eines Hundes keine Rolle spielen. Aber auch die beste Erziehung macht einen dominanten, zur Aggressivität neigenden Hund nicht zu einem lieben Teddybären, dem man bedenkenlos sein Kleinkind anvertrauen kann. Und besonders gefährlich wird es, wenn solch ein Hund falsch oder gar nicht erzogen wurde.

Noch einmal: Es gibt sie schon, die verschmusten Bullterrier, die folgsamen Dobermänner und die gutmütigen Rottweiler. Aber die ausnahmslose Regel sind sie wirklich nicht. Und, ja, Zwergpudel können ebenfalls bissig sein. Doch der Schaden, den sie anzurichten vermögen, ist halt erheblich kleiner als der, der von einem übel gelaunten Bernhardiner droht.

Das Leben ist ein Machtkampf, und viele HundehalterInnen führen ihn gnadenlos.

Der macht nichts!
Also, das hat er noch nie gemacht.
Der wollte doch nur spielen!
Ihr Kind hätte nicht wegrennen sollen.
Ihr Kind hätte schneller wegrennen sollen.
Wenn S’ nicht hatschen können, bleiben S’ halt daheim.
Was ham Sie auch so einen Kleinen!

Der Schäfer wohnt in unserer Straße. Seine Besitzerin sagt, man darf ihm und ihr nicht böse sein, schließlich hat sie ihn aus dem Tierheim geholt, das ist eine gute Tat. Und man muss froh sein, dass er es jetzt gut hat bei ihr. Er läuft immer frei, manchmal schlendert sie weit hinter ihm her, manchmal führt er sich allein Gassi. Manchmal geht er zähnefletschend auf Hunde und Menschen los, manchmal nicht. Wer seine Besitzerin auffordert, ihn an die Leine zu nehmen, wird wüst beschimpft. Wer sie mittels Anzeige dazu bringen will, die Gesetzeslage zu respektieren, betritt einen mühsamen Weg. Vorladungen auf die Gendarmerie, zur Bezirkshauptmannschaft, Vorladungen der Zeugen – für so was muss man Zeit haben. Die Besitzerin des Schäferhundes hat Zeit, Geld und einen willigen Anwalt, der für immer neue Einwände zur Verfügung steht.

Der Leonberger um die Ecke ist so gestört, dass er auch Hündinnen anfällt, obwohl Rüden üblicherweise nur mit Rüden kämpfen. Er läuft gleichfalls frei. Nachdem er eine Zwergschnauzerhündin aus der Nachbarschaft übel zugerichtet hatte, mussten seine Besitzer die hohe Tierarztrechnung zahlen. Das veranlasst sie aber nicht, ihn an die Leine zu nehmen oder ihm wenigstens einen Maulkorb zu verpassen. Nach wie vor rast er immer wieder gänzlich ungehindert durch die Gegend, und wer nicht rechtzeitig vor ihm hinter seinen Gartenzaun flüchtet, ist selber schuld.

Der wollt’ halt spielen!, sagten die Besitzer des Dogo Argentino zu meiner Freundin L., nachdem ihr verspielter Liebling L.’s kleinen Hund mit einem einzigen Beutler ins Jenseits befördert hatte. Weil die schluchzende L. nicht einsehen wollte, dass damit eh alles seine Richtigkeit habe, gingen sie in die Gegenoffensive und beschwerten sich bei der herbeigerufenen Polizei, L.’s angeleintes Anderthalb-Kilo-Tier hätte den frei laufenden Dogo zur Verteidigung seines Lebens provoziert. Das daraus resultierende Gerichtsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Der Vorfall spielte sich übrigens in einem Wiener Park mit vielen Kinderspielplätzen ab, die Besitzer des Dogo führten drei weitere frei laufende Dogo Argentinos und einen nicht angeleinten Husky mit sich, die alle zum Glück gerade nicht mit gebrechlichen alten Menschen oder Kleinkindern in der Sandkiste „spielen“ wollten.
Was tun? Gesetze schützen offenbar nicht vor Gesetzesbruch. Aber was folgt daraus? Dass wir uns Vorschriften sparen und denen mit den schärferen Hunden die Straßen, die Parks und die Wiesen gehören? Oder dass wir nach Mitteln und Wegen suchen, um die Einhaltung von Vorschriften doch zu erreichen? Vorläufig haben wir noch nicht einmal einheitliche Verordnungen.

Und wir wären einen Schritt weiter, wenn die öffentliche Debatte endlich ohne die übliche Polarisierung geführt werden könnte – hier die Hundehasser, die auch im harmlosesten Pekinesen nur eine üble (zumindest hygienische) Bedrohung sehen, dort die Tierschutzromantiker, die fest daran glauben, dass es der Pitbull, der gerade ein menschliches Schienbein durchkaut, im Grunde seines Hundeherzens ja eigentlich nur gut meint.

Solange nämlich diese beiden Lager einander blockieren, geht gar nichts weiter. Und solange nichts weitergeht, schaut’s schlecht aus für kleine Kinder, die einem wodurch auch immer irritierten Hundi mit einem Maul voll spitzer Zahndi in die Quere kommen.

Es gibt gefährliche Hunde. Es gibt gefährliche Hunderassen. Und es gibt gefährliche – manchmal auch nur gefährlich blöde – Menschen. Irgendwie muss doch zu verhindern sein, dass Letztere Erstere auf uns loslassen.