Affäre. Und nichts als die Wahrheit

Der Prozess gegen BZÖ Chef Westenthaler

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Zwei Eigenschaften sind für das ­Image eines Politikers von unschätzbarer Bedeutung: Glaubwürdigkeit und Stärke. Zumindest Letztere demonstrierte Peter Westenthaler am 20. März 2007, als er im so genannten „Prügelprozess“ gegen seinen Bodyguard im Zeugenstand trotzig erklärte: „Ich will aussagen, ich verzichte auf mein Entschlagungsrecht.“ Mehrmals wies ihn die Richterin darauf hin, dass er als ehemals Verdächtiger kein Wort zu sagen brauche. Doch der BZÖ-Chef betonte das Wort „will“ so nachdrücklich, dass es die Gerichtsstenografin in fetten Lettern ins Protokoll aufnahm. „Der Peter Westenthaler ist keiner, der sich drückt“, sagte Peter Westenthaler damals.

Wenn Peter Westenthaler am Mittwoch wegen falscher Beweisaussage vor Gericht steht, wird es ausnahmsweise nicht der politische Gegner sein, der die Glaubwürdigkeit des BZÖ-Chefs infrage stellt. Der Staatsanwalt wird diese Aufgabe von Amts wegen übernehmen. Allfällige Unwahrheiten werden auch nicht vom Wähler geahndet, sondern gerichtlich festgestellt, im Namen der Republik. Westenthaler soll beim Prügelprozess gegen seinen Bodyguard als Zeuge die Unwahrheit zu Protokoll gegeben haben. Die Anklage wird ihren staatlichen Strafantrag mit Westenthalers eigenen Worten vor Gericht untermauern: präzis dokumentiert im Protokoll des Gerichtsakts, der profil vorliegt. (Der Leibwächter wurde inzwischen rechtskräftig dafür verurteilt, den Pressesprecher der damaligen Justizminis­terin Karin Gastinger, Christoph Pöchinger, in der Wahlnacht im Vorraum eines Lokals verprügelt zu haben.)
Unter damals anwesenden Zeugen wurde Westenthalers Darstellung zuletzt nur noch von seinem treuen Sprecher Lukas Brucker geteilt – der ebenfalls auf der Anklagebank sitzt. Denn der BZÖ-Chef will von einer Schlägerei, die mittlerweile selbst der Schläger zugibt, nichts mitbekommen haben. „Mir ist an diesem Abend nichts aufgefallen von diversesten Tumulten, Schlägereien, Raufereien“, hält das Protokoll seine Aussage fest. Im Gegenteil: Man habe eigentlich einen „sehr, sehr fröhlichen Abend verbracht“.

Die übrigen Anwesenden bestätigten den Zwischenfall oder räumten, wie Herbert Scheibner oder andere Westenthaler nahestehende Zeugen, zumindest ein, zum fraglichen Zeitpunkt unter Umständen gerade unpässlich gewesen zu sein. Nur Westenthaler kannte schon im „ZiB 2“-Interview mit Armin Wolf neun Tage nach der letzten Nationalratswahl die Wahrheit. „Nein, es hat dort keine Schlägerei statt­gefunden“, versicherte der BZÖ-Chef damals noch vor laufender Kamera.

Abseits des Gerichtssaals machte ihm Pöchinger auch im Parlament zu schaffen. Im Zuge des Banken-Untersuchungsausschusses wurde ruchbar, dass Westenthaler im Jahr 2006 den Sprecher der damaligen Justizministerin ersucht haben soll, bei der Staatsanwaltschaft ein gesondertes Verfahren für Bawag-Spekulant Wolfgang Flöttl zu erwirken – was der BZÖ-Chef selbst bestreitet. Auch daran, dass der Pressesprecher mit dem Kabinettschef der Jus­tizministerin daraufhin in seinem BZÖ-Büro vorstellig geworden sein soll, konnte sich Peter Westenthaler nicht erinnern. Ein weiterer Anwesender und ehemaliger Westenthaler-Getreuer bestätigte mittlerweile den Besuch der beiden Herren beim BZÖ-Chef höchstpersönlich. (Ebenso, dass Westenthaler deswegen im Nebenzimmer inzwischen zwei profil-Redakteure auf einen vereinbarten Interviewtermin warten ließ.)

Etwa zeitgleich überlegte damals Justizministerin Gastinger, aus dem BZÖ auszutreten. Und obwohl sie dies sechs Tage vor der Wahl auch tat, habe er, Westenthaler, ihren Sprecher Pöchinger vor dem Lokal weder als „Arschloch“ noch als „Verräter“ beschimpft. Laut Protokoll erinnerte der Staatsanwalt Westenthaler noch einmal an seine Wahrheitspflicht. Antwort: „Das schließe ich hundertprozentig aus. Wenn Pöchinger einen Vorfall schildert, in dem er als ,Arschloch‘ bezeichnet wird, so kann ich das für mich ausschließen und kann das auch doppelt unterstreichen.“ Er sei „vielleicht zehn Sekunden draußen“ gewesen und habe „vor dem Lokal keinerlei Äußerungen getätigt“. Wie ein Polizist ihn dort sehen und eine Nachbarin hören konnte, war dem BZÖ-Chef laut Protokoll ein Rätsel: „Ich habe keinerlei Kontakt zu einem Uniformierten gehabt.“ Auch nicht zu jenem, der den Politiker erkannte, auf der Straße gegrüßt und gefragt haben will, was denn hier los sei. „Wir feiern hier nur unseren Wahlsieg“, antwortete Peter Westenthaler laut der Aussage des Uniformierten.

„Was da wieder konstruiert wird“, empörte sich Westenthaler schon in der Verhandlung: „Mir ist nicht erinnerlich, dass dort überhaupt eine Polizei anwesend war. Ich war einmal draußen, habe meine Frau reingeholt, dass es dort einen Polizeieinsatz gegeben haben soll, weiß ich nicht. Ich war absolut überhaupt nicht alko­ho­lisiert, weil ich maximal an dem Abend zwei, drei Gespritzte getrunken habe. Es ist nicht meine Art, Alkohol zu konsumieren, jeder, der mich kennt, weiß das.“ Ungeklärt ist auch ein weiteres Faktum: Zumindest zwei Zeugen identifizierten einen von den anderen „Peter“ gerufenen Herrn, der eine farbige Krawatte trug, als Westenthaler. „Das kann ich leicht widerlegen“, sagte er. „Ich habe die Krawatte im Fernsehstudio noch abgelegt“ – danach hätte er sie nicht wieder angelegt: „Ich war das also nicht.“ Die Fotos von der darauffolgenden Party zeigen ihn seltsamerweise aber mit oranger Krawatte. Westenthalers Sprecher kündigte kurz nach dem Prügelvorfall im Oktober 2006 übrigens rechtliche Schritte gegen die „absurden Vorwürfe“ Pöchingers an. Die Anwälte seien bereits verständigt. Bis heute hat das BZÖ ihn diesbezüglich nicht geklagt. Im Falle einer Verurteilung drohen Westen­thaler bis zu drei Jahre Haft.

Von Josef Barth