"Wasser, Strand, Insel einfach traumhaft. Ruhe und Erholung pur. Zwei Wochen nur barfuß. Sandra und Andreas aus Deutschland schwärmen in ihrem Internet-Beitrag über das winzige Malediven-Atoll Baros in den höchsten Tönen. Ganz billig ist der Spaß ja nicht. Für eine Flasche Schampus sind in der Hotel-Bar 60 Dollar zu erlegen, eine Bouteille australischen Weißweins beläuft sich auf 28 Dollar. Wer sich ein kleines Langustenmenü ans Himmelbett liefern lässt, muss eine Rechnung über 120 Dollar unterschreiben.
Karl-Heinz Grasser, der Montag vergangener Woche mit seiner Verlobten Nathalia Corrales-Diez im Baros Holiday Ressort einen zweiwöchigen Urlaub absolviert hatte, kann sich das leisten, zumal er bei den Fluggebühren tüchtig gespart hat. Die Mezzie verbirgt sich hinter einigen wenigen Buchstaben am Ticket des Paares, das profil exklusiv vorliegt: UPGRD TO C7CL ACDG CEO. Übersetzt ins Airline-Englisch: Upgrade to business class according to Chief Executive Officer. Im Klartext: Laut Anweisung des Generaldirektors bezahlt der Käufer dieses Tickets nur den Economy-Tarif, darf aber in der Business Class sitzen.
Im vorliegenden Fall geht es um ein schönes Sümmchen. Der Economy-Tarif der AUA für die Strecke WienMaleWien liegt in der Weihnachtshochsaison bei 1199 Euro pro Person, der günstigste Business-Sitz kostet 1849 Euro. Ersparnis bei zwei Reisenden: 1300 Euro. So viel gibt manche österreichische Familie für den ganzen Urlaub aus.
Grasser-Sprecher Matthias Winkler findet es normal, dass sein Chef zum gestützten Tarif auf Urlaub fliegen darf: Da der Herr Bundesminister als Privatperson seit vielen Jahren Fluggast dieser Linie ist, wurde ihm durch das Flugunternehmen dieser Upgrade wie auch anderen Kunden zuteil, heißt es in einer profil am Freitag übermittelten Stellungnahme. Die AUA selbst erklärte auf Anfrage, sie behalte es sich vor, guten Kunden in Einzelfällen eine Bonifikation zu gewähren. In unserem Fall eben ein Upgrade in die Business Class.
Das Bekanntwerden des Vorzugs, sich privatim auf der Langstrecke zum Normaltarif in der Business Class verwöhnen zu lassen, kommt für Grasser zur Unzeit. Seine tollpatschigen Erklärungen rund um seinen Urlaub im Tsunami-verheerten Indischen Ozean hatten in den vergangenen Tagen für großes Erstaunen gesorgt.
Korallen-Schutzwall. Dabei hatten der Finanzminister und seine Begleiterin großes Glück: Auf den Malediven 1190 Inseln, 260.000 Einwohner waren 85 Menschen, darunter drei Touristen, ums Leben gekommen. Grassers Urlaubsinsel Baros liegt allerdings im Nordmale-Atoll, dessen markante Korallenbänke der Riesenwelle trotzten. So blieb es bei nassen Füßen.
Wäre die Flut über Grassers Hotelanlage hinweggebraust, hätte kaum einer der Gäste eine Überlebenschance gehabt: Die lauschigen Bungalows sind zum Teil auf Stelzen ins Meer gebaut.
Der Finanzminister selbst scheint höchst irritiert gewesen zu sein. Schon am 27. Dezember, dem Tag nach der Welle, fragte Grassers Büro im AUA-Vorstandssekretariat an, wann der nächste Flug nach Wien möglich sei. Dies sei am 31. Dezember der Fall, und es seien noch jede Menge Plätze frei, beschied die Fluglinie. Grassers Sekretärin stornierte daraufhin den ursprünglich für 3. Jänner geplanten Rückflug und buchte auf den Silvestertag um. Zwei Tage später, am 29. Dezember, gab es Kommando zurück: Grasser teilte aus Baros mit, er bleibe nun doch noch bis zum vorhergesehenen Urlaubsende.
Aus dem Finanzministerium verlautete am selben Tag, Grasser bemühe sich, vorzeitig zurückzukehren, derzeit seien aber alle Flieger überlastet und ausgebucht. Sein Sprecher Thomas Schmid hob den Edelmut des Chefs hervor: Er wollte sich nicht vordrängen.
Die AUA bleibt freilich bei ihrer Stellungnahme: Wir halten fest, dass auf jedem der angefragten Flüge noch freie Plätze verfügbar waren.
Die Rückkehr. Wie ursprünglich geplant traf das Paar am 3. Jänner in Wien ein und verließ den Flughafen, von Reportern unbehelligt, durch den VIP-Ausgang.
Tags darauf bot KHG im ORF-Mittagsjournal eine neue Version für das volle Ausschöpfen des Urlaubs: Die Regierung der Malediven habe ihn gebeten zu bleiben. Schließlich hätte das Signal, dass man in Panik die Region verlässt, schweren wirtschaftlichen Schaden auslösen können. Von Urlaub sei aber ohnehin nicht mehr die Rede gewesen: Nach der Flut habe es nur noch eine Reihe von Gesprächen gegeben. Grasser-Sprecher Winkler teilte profil auf Anfrage mit, der Finanzminister habe drei Meetings vor Ort mit Vertretern der örtlichen Wirtschaft, des Tourismus und der maledivischen Notenbank, des Außenministeriums und dem stellvertretenden Finanzminister geführt.
Diese und frühere Darstellungen des Ministeriums kontrastrieren freilich markant mit dem, was der zuletzt genannte maledivische Vize-Finanzminister Maizan Adam Manik am Dienstag dem Standard in einem Telefoninterview erzählt hatte. Demnach habe die maledivische Regierung Grasser nicht zum Bleiben auffordern können, weil sie gar nicht gewusst habe, dass er da war: Das war ein privater Urlaubsaufenthalt. Ich weiß nicht, warum er nicht früher abgereist ist, wir haben sicher niemanden davon abgehalten.
Nach Maniks Darstellung habe Grasser am Sonntag, dem Tag vor seiner Abreise, im maledivischen Finanzministerium angerufen und um einen Termin bei Minister Mohamed Jaleel ersucht. Dieser habe keine Zeit gehabt und am Montag stattdessen ihn, Manik, quasi der Alfred Finz der Malediven, zum Flughafen von Male geschickt, wo Grasser eben auf seinen Rückflug wartete. Dort habe man eine Dreiviertelstunde lang geplaudert.
Der Versuch des subventionierten Urlaubers, seinem Aufenthalt auf den Malediven ein Upgrading zu einer Heldenlegende zu verpassen, berührt offenbar selbst politisch Nahestehende unangenehm. ÖVP-Generalsekretär Reinhold Lopatka konterte die Kritik am Finanzminister mit dürren Worten (Erregung unangebracht), Nationalratspräsident Andreas Khol nannte sie kleinkariert. FPÖ-Generalsekretär Uwe Scheuch ging auf Distanz: Das muss Grasser mit sich selbst ausmachen.
Die Kritiker. Die Opposition schäumt: Für SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos ist Grassers Verhalten geschmacks- und pietätslos. Die Grüne Madeleine Petrovic hält den Finanzminister inzwischen für einen hoffnungslosen Fall: Er ist völlig abgehoben und hat jeden Bezug zum normalen Leben verloren. Ihm ist jeder Sinn für politische Korrektheit abhanden gekommen.
Tatsächlich hat der Hang zum Parvenühaften den 36-Jährigen seit Februar 2000 immer wieder in Schwierigkeiten gebracht:
Bald nach Amtsantritt fiel Grasser auf, als es aus seiner Opernloge, in die er sich mit Frank Stronach und zwei Damen zurückgezogen hatte, während einer Othello-Premiere knallte, weil man eine Flasche Champagner entkorkt hatte. Grasser schob die Schuld auf Freund Frank. Als Dienstauto orderte der junge Minister den teuersten Wagen der ganzen Regierung, einen Audi A8 3,3 TDI. Kostenpunkt: mehr als eine Million Schilling. Dazu kamen diverse Extras, die noch einmal 17 Prozent des Anschaffungspreises ausmachten, obwohl die entsprechende Richtlinie nur fünf Prozent vorsah. Kleine Geschenke nahm er immer wieder gerne an. So spendierte ihm die Wiener Filiale des Mode-Labels Tommy Hilfiger vier neue Anzüge, dafür posierte er öffentlich mit Hilfiger-Produkten. Grassers Rechtfertigung: Es liege in seiner Verantwortung als Minister, die Kauffreude der Staatsbürger zu stimulieren. Mit sündteuer inszenierten Auftritten für Kleinunternehmer pflegte der Minister sein Image. Bei der Abrechnung zeigte sich, dass der Kontakt mit einem der Selbstständigen im Schnitt mit 380 Steuer-Euro subventioniert werden musste. Auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten tat sich der schneidige Grasser immer wieder hervor: Ganz Österreich lachte etwa, als der Minister einmal mit einer Anstecknadel am Revers zu einem TV-Interview antrat, welche die Initialen KHG trug. Zwischen privat und öffentlich zu unterscheiden fiel Grasser von Beginn an schwer. Den seine Dissertation betreuenden Universitätsprofessor Herbert Kofler etwa machte der Minister umgehend zum Aufsichtsratsvorsitzenden der Austria Wirtschaftsservice GmbH und platzierte ihn im Generalrat der Notenbank.Dunkle Wolken. In der berühmten Homepage-Affäre stehen demnächst wichtige Entscheidungen an: Noch im ersten Halbjahr 2005 soll der längst fertig gestellte und angeblich höchst kritische Rechnungshofbericht dazu erscheinen. Und noch im Jänner soll das Oberlandesgericht Wien entscheiden, ob die Causa nicht doch ein Fall für die Justiz ist.
Die jetzt geplatzte Flugaffäre ist für Grasser besonders unangenehm: mehrfach geflunkert, schamlos aufgeschnitten und dann auch noch zum Kulanzpreis um den Globus gedüst. Zudem gibt es in Deutschland vergleichbare Präzedenzfälle, die 2002 durchwegs in Rücktritte mündeten. Verschiedene Politiker, darunter PDS-Chef Gregor Gysi und der grüne Abgeordnete Cem Özdemir, hatten bei beruflichen Flügen Meilen-Gutschriften gesammelt, die sie dann bei privaten Urlaubsreisen verwendeten.
Für Kabarettisten und Büttenredner bleibt KHG jedenfalls ein heißer Tipp. Der Nachzipfer des Villacher Faschings am Donnerstag bei der Erstaufführung des neuen Programms in Richtung Grasser: Spenden Sie ihm bitte keinen Trost, trösten Sie ihn mit einer Spende.