Elfriede Hammerl

Anpassen und so

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Wie zu erwarten war, werfen mir etliche LeserInnen nach meinem Kommentar zur rechten Begeisterung (profil 41/08) Blauäugigkeit und Abgehobenheit vor. Ich wohnte wohl, schreiben sie, im geschützten Areal eines Nobelviertels, wo man entspannt unter Privilegierten (in- wie ausländischen) verkehre, während in den Wiener Bezirken mit einem hohen Anteil an zugezogenem Proletariat das Hauen und Stechen herrsche. Kurzum, ich hätte keine Ahnung vom wirklichen Leben.

Ist aber nicht so. Ich weiß schon, wie es zugeht in der Realität. Deshalb habe ich auch wiederholt geschrieben, dass uns Multikulti-Naivität nicht weiterhilft. Immigration schafft Probleme, keine Frage, und romantisierendes Leugnen schafft sie nicht ab: Schulklassen, in denen neun von zehn Kindern kaum Deutsch können. Ethnisch sortierte ­Jugendgangs, die Territorialkämpfe austragen. Halbwüch­sige Machos, die aus ihrer Verachtung für Mädchen keinen Hehl machen. Das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Lebensstile unter beengten Wohn­verhältnissen und beschränkten Ausweichmöglichkeiten.

Kenne ich alles, begreife ich durchaus als Belastung für die Betroffenen, und zweifellos muss man diese Belastungen an- und aussprechen dürfen, ohne dass man gleich ins rassistische Eck gestellt wird. Rot und Grün haben diesbezüglich einiges vergeigt, trotz vernünftiger integrativer Initiativen, indem sie unliebsame Verhältnisse beschönigt und geleugnet haben. Und trotzdem. Alles, was einem großen Teil der wahlberechtigten ÖsterreicherInnen (unter ihnen auch eingebürgerte Zugewanderte) dazu einfällt, ist Gewalt und Hetze? Bandenkriege mit staatlich sanktioniertem Bandenverhalten zu beantworten, das soll die Lösung sein?

Davon abgesehen kursieren auch jede Menge behaupteter Missstände, die keiner Nachprüfung standhalten, weil sie nichts als böswillige Gerüchte sind. Jemand kennt jemanden, der jemanden kennt, in dessen Umfeld Ausländer in den Genuss eines Arbeitsplatzes, einer Wohnung oder einer Beihilfe gekommen sind, während brave Inländer leer ausgehen …
Jobangst, Lohnangst, Bildungszugangsangst, Überfremdungsangst führt Leser P. W. als verständliche Gründe fürs rechtsrechte Wählen an. Und genau da hört mein Verständnis auf. Denn so berechtigt die Ängste um Arbeitsplatz, Lohn und Bildungszugang auch sein mögen, die Überfremdung bzw. die Fremden zur Ursache dafür zu erklären ist billige Sündenbockpolitik. Immigration schafft Probleme, aber nicht alles, was uns zu schaffen macht, hängt mit ihr zusammen. Eine Binsenweisheit, sollte man meinen.

Die Ausländer sollen sich anpassen! Schon, aber woran und an wen? An grölende, saufende, stänkernde Eingeborene vielleicht? Welches Benehmen legen denn diejenigen an den Tag, die den Zugezogenen ihr schlechtes Benehmen vorwerfen? Und wohin schieben wir die urösterreichischen Rowdys ab, die ungeniert an Hauswände pinkeln und in die Straßenbahn speiben? Die gibt’s nämlich auch, und nicht zu knapp. Schwer zu sagen, wer sich an wen angepasst hat, aber Tatsache ist, dass sich insgesamt eine Rüpelhaftigkeit im öffentlichen Raum durchsetzt, die in der Tat nicht leicht auszuhalten ist. Nur: Glaubt irgendjemand allen Ernstes, dass wir schlagartig ein Hort paradiesischer Harmonie werden, eine Oase des Friedens, in der Tanzschulmanieren angesagt sind, sobald wir die Ausländer rausgeprügelt haben? Oder geht’s nur darum, ein Prügelvorrecht klarzustellen, eindeutige Machtverhältnisse zu etablieren, sich abreagieren zu dürfen für missliebige Verhältnisse und Lebensumstände?

Ja, aber die Jungen sind doch keine Nazis! Na ja. Was waren die Schüler, die nach dem „Anschluss“ johlend durch die Straßen zogen und jüdische Geschäfte demolierten? Haben die sich bloß gefreut, weil sie schulfrei hatten, und dieser Freude durch angemessene Ausgelassenheit Ausdruck gegeben? Oder hatten die alle „Mein Kampf“ gelesen? Musste man „Mein Kampf“ gelesen haben, um ein Nazi zu sein? Genau das gehört ja zur fehlenden Aufarbeitung der Nazi-Zeit: dass nachher alle als entschuldigt galten, die nur mitgemacht hatten, angesteckt von einer Begeisterung, zu der angeblich auch gehörte, dass man verleumderische Parolen nachplapperte, Nachbarn denunzierte und jüdisches Eigentum arisierte.

Wer heute rechts wählt, muss selbstverständlich kein fanatischer Ideologe sein, den Kopf voll mit Plänen, wie das dritte Lager die Weltherrschaft an sich reißen könnte – aber er oder sie wird wohl mit einer Haltung sympathisieren, die Integrationszoff nicht als soziales Problem sieht, sondern als Folge einer fremden genetischen Ausstattung, die in natürlichem Gegensatz steht zu den einheimischen Wertvorstellungen. Das mag bloßer Dummheit entspringen, aber Dummheit hat oft, wie wir wissen, verheerende Auswirkungen. Im Übrigen wäre es zu billig, das Wahlergebnis bloß den Jungwählern in die Schuhe zu schieben. Es haben sich ausgesprochen erwachsene Personen ebenfalls für Blau und Orange begeistert, die sind vermutlich ebenfalls nur frus­triert und misanthropisch, und dennoch muss die Frage ­erlaubt sein, warum sie sich bessere Verhältnisse ausgerechnet von zwei Parteien versprechen, die ständig die drohende Machtübernahme durch das Fremde beschwören und Zu­gewanderte wie Asylsuchende pauschal als mutmaßliche Kriminelle und Sozialschmarotzer diffamieren.