Autodrom: David Staretz

Autodrom: David Staretz Schwarz matt

Schwarz matt

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Manche Hypes sind schon fast wieder vorbei, ehe man noch aufspringen konnte. Dabei ist gerade das Lackwesen ein konservatives. Seit den weiß-weißen neunziger Jahren, die das Edelschwarz der Golf-Cabrio-Achtziger mit Zuckerguss und rosa Akzenten (erinnert ihr euch noch an die Schweißbänder an den Kopfstützen?) ablösten, hat sich autofarblich wenig getan. Es kam über die Jahrtausendwende die Regennasser-Asphalt-bei-Dämmerung-Farbskala, also alles, was nach großer deutscher Limousine aussah. Ein Auszug: Stratusgrau (mit r), Anthracite, Sterlinggrau, Vermontgrün, Aubergine, Fjordgrau, Techno Violet, Morea­grün, Traumschwarz, Islandgrün, Granitsilber, Zobelbraun-Metallic, Ascotgrau, Graphit, Sophistograu, Citrinschwarz, Rubinschwarz-Metallic.
Derer Trostlosigkeit hat nun eine Steigerung erfahren. Anders als subversive Regungen sonst, begann der Trend zum Mattlack nicht unten bei den Outlaws, sondern setzte oben an, bei den fetten Bentleys und Lamborghinis. Und man muss schon sagen, so ein völlig abgematteter, in schmuckloser Rostprimer-Farbe mit dem Charme eines ­Menage-Reindls aufkreuzender Bentley GT, der das Tageslicht schluckt wie Schwarze Materie, das verkörpert schon gehobenen Mut der Verzweiflung. Denn wie sollte man noch zeigen, wie wurscht einem der schicke Glanz ist, weil der Wagen per se so grandios ist, dass er auf die herkömmlichen Signale gesellschaftlicher Souveränität pfeifen kann, oder, um es mit Rudi Klein zu sagen: „Dass mich bald alle buckelfünferln können.“ Aus der Höhe von 200.000 Euro sagt sich so etwas natürlich viel rotzarroganter als vom tiefergelegten Fahrersitz ­eines gebrauchten Honda Civic Speed mit LSD (Lambo Styled Doors, also nachträglich eingebauten Scherentüren).
Ob von oben oder von unten – jeder Trend erlischt, sobald er in die brave Mitte gelangt, wo sich Skoda Octavias, Minis (mit giftgrünen Streifenakzenten) und BMW 3er Tourings tummeln. Dann wird Mattschwarz für die nicht ganz so mutigen als „Mattschwarz poliert“ angeboten, was vielleicht ein wenig gegen die Grundidee arbeitet, aber die Freude an der sonntäglichen Autowäsche erhält. Dazu trägt man 501er mit Bügelfalten.
Als ich den langjährigen Director for Brand & Design bei Lamborghini, Manfred Fitzgerald, auf mattlackierte Lamborghinis und mögliche Steigerungen ansprach, war er sofort beim Thema: „Rost? Klar. Daran habe ich auch schon gedacht, aber ich komm bei den Boardmeetings nicht durch damit. Die meinen, das wäre dann doch zu radikal.“ Seit wenigen Monaten ist Fitzgerald im Vorstand des Fernsehgeräteherstellers Loewe. Vielleicht hat er dort mehr Erfolg mit seinen radikalen Farbvorstellungen.

Was man sonst an mehr oder weniger mutigen Trends aufzählen kann, beschränkt sich auf viertürige Autos wie den Hyundai Veloster. Wobei es weniger um die Zahl als um die faszinierende Anordnung der Türen geht: Zwei Eingänge befinden sich auf der Beifahrerseite, einer nur fahrerseits. Vierte Tür ist die Heckklappe, wie uns Autohersteller (Dreitürer, Fünftürer) seit Jahrzehnten einzureden versuchen, obwohl man das bestenfalls Hundeklappe nennen könnte. Egal. Das Konzept des Veloster Coupé gefällt durch seinen Mut zur Asymmetrie und macht sich beispielsweise beim Einkaufen bezahlt, wonach man ja bekanntlich die Taschen lieber in den sicheren Fußraum hinterm Beifahrer versenkt, als sie dem Herumgerutsche auf der Ladefläche auszusetzen. Anders als bei Vordersitzklapp-Coupés, bei denen sich der Fond nur sperrig erschließt, rutscht man hier ganz anders in die Reihe zwei. Die koreanischen Hersteller wollen ihr mutiges Konzept nun auch auf Rechtslenker erweitern. Dies bedeutet aber nichts weniger als die Konzeption einer spiegelverkehrt aufgebauten Karosserie, denn auch die Mittelstege (B-Säulen) sind verschiedentlich angeordnet – schließlich ist die Fahrertüre größer als die Beifahrertüre, was dem Konzept tieferen Witz verleiht. Einfach, aber kompliziert. Übrigens findet das asymmetrische Konzept auch in der Schalteranordnung der Fensterheberknöpfe seinen Niederschlag: Es gibt nur drei Stück.

Wer nun einen Vorstoß an die absolute Spitze der automobilmodischen Avantgarde wagen möchte, kennt die Voraussetzungen: Veloster in Matt­lackierung, aber bitte unpoliert!

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