Autodrom: David Staretz

Autodrom: David Staretz Autofahren, einspurigerweise

Autofahren, einspurigerweise

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Restriktionen, Citymauten und steigende Kraftstoffpreise. Man sucht nach neuen Formen der individuellen Mobilität. Aber warum nicht lieber gleich Motorrad fahren? Macht jung, macht frisch und macht sogar noch Freude.
BMW, der einzige namhafte Motorradhersteller im europäischen Raum, setzt verstärkt auf Sparsamkeit, Nutzwert und geringere Raumverdrängung des einspurigen Verkehrsmittels. Die bayerischen Hersteller arbeiten seit Jahrzehnten daran, das Motorrad salonfähig zu machen. Die Krawatte als Schräglagenpendel. Insofern lässt sich immer noch auf den Fahrspaß verweisen, was bei Stadt- und Elektrofahrzeugen schwerfällt.

Nachdem es den BMW-Technikern mit einer betörend aufregenden 1000 RR gelungen ist, auf Anhieb die Welt der Supersportmotorräder aufzumischen, hat man das dem Auto nächststehende Motorrad, die große Tourenmaschine, neu überdacht. Nein, nicht überdacht, das fehlte gerade noch. So ein Konzept gab es schon, das war der Typ C1: mutig begonnen als neues Transportkonzept, aber zu verkrampft geraten in Richtung Sicherheitszelle mit geringer Motorisierung. Zu teuer auch und zu wenig Eissalon-­Appeal. Dabei hatten es die BMW-Leute geschafft, dank überkreuztem Sicherheitsgurt eine sturzhelmfreie Zulassung zu bekommen, was damals wichtiger war als heute, wo schon jeder zweite Radfahrer freiwillig zum Pilze greift. Außerdem konnte im C1 nur einer unter Dach sitzen, der Sozius saß wie „Heinerich, der Wagen bricht“ hintendran, schlimmstenfalls im Regen.

Auch die Preispolitik war unglücklich gewählt – sogar der Schalter für die Warnblinkanlage war nur gegen Aufpreis erhältlich. Kurz: Es fehlte in jeder Hinsicht der freudige Anreiz, mit dem man ein neues Konzept schmackhaft machen muss.

BMW hat aus solchen Fehlern gelernt und wird uns noch mit einigen appetitlichen Konzepten überraschen. Mit der erwähnten Tourer allerdings bewegt man sich auf gesichertem Terrain; man kennt seine Kunden, idealerweise Empty Nesters, die ihre neuen kinderlosen Freiheiten auf wildromantische, aber gepflegte Weise erfahren wollen.

Die beiden neuen Tourer heißen wie Autos (1600 GT und 1600 GTL), sie kosten so viel wie Autos (ab ca. 24.000 Euro), haben so viel Kraft wie Autos (160 PS), bieten sogar mehr Zylinder als die meisten Autos (sechs) und zeigen Komfortdetails, wie man sie von Autos her kennt: Sitzheizung, Tempomat, Bordcomputer, Navigationssystem, anspruchsvolles Soundsystem (Radio oder MP3), elektronische Fahrwerksabstimmung, Zentralverriegelung (für die Bordkoffer), Diebstahlswarnung, Reifendruckkontrolle, ABS, dynamische Traktionskontrolle (DTC), automatische Leuchtweitenregulierung und ein adaptives Kurvenlicht. Weiters: Griffheizung, Extrafrischluftspoiler, elektrisch verstellbare Windschutzscheibe. Teilweise kosten diese Extras noch massiv Geld, wie auch beim Auto. Vorgestellt wurden die Tourer in Südafrika, dem idealen Lebensraum für entspanntes Motorradfahren.

Vor allem Beginnen steht aber die Tatsache, dass die Maschine mindestens 320 Kilo wiegt, jedenfalls im Stehen. Kenner wissen schon, dass man eine schwere Maschine nicht bergab schräg parken sollte, und richten es so ein, dass man so wenig wie möglich rangieren muss, zumal BMW aus Gewichtsgründen auf einen Rückwärtsgang (oder eine Rückwärtsfahrhilfe mittels Elektrostarter) verzichtete. Also Vorsicht mit der Balance, sie ist ein kostbares Gut.

Je länger man unterwegs ist, desto geläufiger, wendiger und verspielter wird das Fahren, die anfängliche Fregatte schrumpft zum gefühlten Wohnzimmer-Moped. Mittels ausklappbarer Windleit-Flipper lassen sich Fahrer und Sozia nötigenfalls mit Extrafrischluft versorgen, weil sie sonst möglicherweise zu sehr im Windberuhigten schwitzen. Zumal es bei der Version GTL eine massive Rückendeckung gibt, wodurch nahezu ein virtuelles Gehäuse aus gut frisierten Windströmungen entsteht.

Nur auf ein gelungenes Klangbild muss man verzichten, der kraftvolle und durchwegs im sechsten Gang belastbare Motor hat den akustischen Charme einer Umlaufpumpe.

Nun zeigte BMW das Konzept eines völlig neuen, massiv motorisierten Scooters, der die meisten der erwähnten Annehmlichkeiten im umstandslosen Nahverkehr einsetzen soll. Auch von Mini und Smart gibt es alarmierende Konzepte zu sehen, denn der Scootermarkt boomt, und etliche Motorradhersteller schaffen ihre Stückzahlen wegen der kleinen praktischen Eilsamen. Der BMW Big Scooter, abgeleitet von der Studie Concept C (für Commuter), wird zunächst in zwei Motorvarianten vorgestellt und soll, wie die anderen Motorräder auch, im Werk Berlin hergestellt werden. Später will man eine Elektrovariante nachreichen. Vorteil: Hier lässt sich ganz leicht ein Retourgang einrichten.