Autodrom: David Staretz

Autodrom: David Staretz Wir sind Auto. Leider

Wir sind Auto. Leider

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Wer nicht raucht, kann sich nicht vorstellen, getrocknete Pflanzen in einer Papierhülle zwischen die Lippen zu schieben und das Ganze vorn anzuzünden. Und dann noch daran saugen, bis echter Rauch tief nach innen dringt, wo der Körper besonders empfindlich ist. (Ich meine, wir achten sogar bei Filzstiften darauf, ob sie eh nicht toxisch ausdünsten.) Weshalb ich denn öfter denke: Bin ich froh, dass ich nicht rauchen muss.

Man stelle sich vor, wir hätten ein Regime, in dem pflichtbewusste Staatsbürger dazu angehalten werden, täglich zwanzig Zigaretten zu rauchen. Sie lachen, aber in China, so erfuhren Zeitungsleser im vorigen Mai, müssen Angestellte einer Bezirksbehörde pro Jahr 230.000 Packungen des lokalen Herstellers wegrauchen, andernfalls droht eine Geldstrafe. Das verordnete Rauchen diene zur Ankurbelung der heimischen Zigarettenindustrie, berichtete die staatliche Zeitung „Global Times“. Abteilungen, die ihr Soll nicht erfüllen, müssen Strafe zahlen.

Was würde das bei uns für eine Empörung auslösen. Raucher würden aus Protest die Zigarette niederlegen. Demonstratives Nichtrauchen wäre ein Akt des Widerstandes. Pflichtbeflissene Weiterhin-Raucher würden als angepasste Schwächlinge, Schleimschlote und Streikbrecher geächtet.

Radikale Aktionsgruppen würden in Flashmob-Events Zigaretten anzünden, nur um sie demonstrativ mit der Ferse auszutreten.

Aber eigentlich möchte ich davon reden, wie es sein kann, nicht Auto zu fahren. Sich zu weigern, in eine at any speed unsichere, rundherum verglaste (!) Kabine zu steigen – getrieben von infernalischen Heißkräften, gelenkt durch ein drehbares Rad, gebremst durch eines von drei zur Wahl stehenden Pedalen.

Gut, das argumentiert sich nicht abschreckend genug, es wirkt vielleicht besser als Form außerkörperlicher Wahrnehmung: Man schaue aus dem Fenster hinaus in den Abendstau, der sich vom Morgenstau nur richtungsweisend unterscheidet, und denke sich: Bin ich froh, dass ich nicht Auto fahren muss.

Zugegeben, das trägt nicht weit.

Der Stau, das sind die anderen, und wir, wir lieben unser Auto.

Aber das kann und wird nicht so behaglich weitergehen.

Möglicherweise haben wir eine Gegen-Radikalisierung noch vor uns. Vereinzelt werden in Deutschland SUVs und Protz-Geländewagen mit Pelzmantel-Ätze besprüht, aber diese Aufregung klingt periodisch ab, schwillt anlässlich des nächsten gescheiterten Umweltgipfels an, verliert sich wieder. Wir alle sind zu sehr Auto, um uns bei Protest nicht selber anzuschwärzen. Das Autofahren lässt sich nicht so einfach differenzieren wie Rauchen und Nichtrauchen. Raucher bringen uns keine Güter, sind keine Taxifahrer (stimmt!), fahren keine Formel-1-Rennen (dürfen nicht einmal als Zigarettenwerbung dran teilnehmen). Dem Autofahren ist schwer zu entsagen. Auch wer beispielsweise im guten Glauben vom eigenen Auto zur Bahn wechselt, unterstützt dabei die ÖBB, den größten Lkw-Frächter Österreichs.

Aus reiner Hilflosigkeit, in Ermangelung plakativer Lösungen, der gewaltigen Probleme Herr zu werden, ruft man nach dem einzig leicht fasslichen Ausweg, dem Elektroauto. Dieses wirkt mit seinen verminderten Talenten frugal und lustlos genug, um ein glaubwürdiger Zukunftsträger zu sein.

Zwar wissen wir, dass die Ökobilanz der gesamten Umstellung samt nötiger Infrastruktur mindestens so schlecht aussieht wie beim Fossilienfresser, aber wer sagt denn, dass Zukunft automatisch mit Veränderung zum Besseren verbunden sein muss? Wenn das so wäre und bisher so gewesen wäre, wären wir schon längst etliche Sorgen der Menschheit los. Die Zukunft ist kein Sonntagsspaziergang.

Also werden wir mit einer E-Hoffnung konfrontiert, die sich kaum als solche darstellen kann. Sehenden Auges treten wir einer Zukunft bei, die wir uns so eigentlich gar nicht ausgesucht haben. Dabei halten uns ganz andere Gründe in Schwung: Vor allem haben wir noch Glück, dass nie mehr als fünf Prozent aller weltweiten Autobestände gleichzeitig unterwegs sind.

Was also tun? Wie mit all den Problemen umgehen? Eine unsterbliche Möglichkeit, zugleich ein Garant für das Weiterleben des Mediums Print: Leserbriefe schreiben. So wie beispielsweise Herr Josef K. aus Tullnerbach.

Sehr geehrter Hr. Staritz
Ich erhielt heute eine Anzeige, weil ich angeblich bei Regen im Ortsgebiet ohne eingeschaltete Beleuchtung gefahren bin. Kostet 40 Euro. Dabei ärgern mich zwei Dinge.

1. Mein Renault Vel Satis (übrigens ein Superauto, welches leider nicht mehr gebaut wird, da Renault zu blöd war, es richtig zu vermarkten!) hat eine Lichtautomatik, welche sich bei Dunkelheit und Regen selbst einschaltet. Warum sie es da nicht getan hat, weiß ich nicht. Wahrscheinlich war es zu wenig Regen.
2. Auf den Rest des Briefes dürfen wir uns bis zum nächsten Mal freuen.