Die Sieger

Wettlesen. Popautor Joachim Lottmann über den Bachmann-Preis 2011: ein Augenzeugenbericht

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Für den Markterfolg sprich Buchverkauf zählt im Grunde nur der Publikumspreis, und den gewann Thomas Klupp. Er hatte den einzigen guten Text geschrieben, was logischerweise dazu führen mußte, daß die gesamte Jury nichts mit ihm anfangen konnte. Ausnahme: Hubert Winkels, der hatte Thomas Klupp entdeckt und vorgeschlagen. Winkels, sonst einziger Leuchtturm in der mediokren Streber-Runde um Clarissa Stadler, wirkte heute mittag wie tot. Die einsamen Nächte hatten Spuren hinterassen. Seine Kandidatin Antonia Baum, von den weltfremden Bücherwurm-Karikaturen in der Jury ebenso gemobbt wie später Thomas Klupp, hatte Klagenfurt schon am Abend ihrer Schmach fluchtartig über die Tiefgarage verlassen. Doch auch sie wird bald mehr Romane verkaufen als alle offiziellen Preisträger zusammen. Und das sind:

Maya Haderlap gewann den Ingeborg Bachmann Preis (profil berichtete) in Höhe von 25.000 Euro. Man hätte ihn ihr wie gesagt schon vor Wochen mit der Post zuschicken können. Da gab es keine Diskussion. Schlimm der Moment, da die äußerst integre Autorin, die in ihrer Geschichte über Nazi-Verbrechen im Zweiten Weltkrieg erzählt, den Preis – also den kleinen 29-Cent-Plexiglas-Ständer – von zwei feisten, jovialen Spießermännern der neonazistischen FPÖ entgegennehmen mußte. Ihr Gesicht, ihr gequältes Lächeln sprach Bände. Aber Klagenfurt kriegt davon nichts mit.

Stefan Popp, Quoten-Ossi aus den neuen Bundesländern, erhielt den Preis, den irgendein Elektrizitätswerk immer spendet (‚kelag‘).
Nina Bußmann hatte ihr Debüt als Talkshow-Autorin für die nächsten 30 Jahre. Sie sieht aus wie eine Autorin, sie guckt so, geht so, zickt so, ist ganz frau, schlägt zuverlässig auf angebliche Machos ein und schreibt über Vorgärten, Blumen und ‚weibliche‘ Welten. Ja, Servus – sie gewann den 3sat Preis in Höhe von 7.500 Euro.

Den Ernst Willner Preis (wer immer das war, dieser Ernst Willner, „den google ich nicht mal“ raunzte ein Journalist im überfüllten Presseraum) gewann Leif Randt. Kein Kommentar dazu.

Den automatischen Kulturpreis der Riesenmaschine in Höhe von 500 Euro, übergeben von Ex-Bachmann-Siegerin Kathrin Passig, gewann Antonia Baum. Genaueres dazu – angeblich wurde er wieder aberkannt – auf www.riesenmaschine.de .

Den gefühlten Preis für die netteste Performance bekam oder hätte verdient Peter Wawerzinek, Vorjahressieger und seitdem glücklichster Bürger der ansonsten supertristen Stadt Klagenfurt. Mehr über den Sieger des Publikumspreises Thomas Klupp auf http://blogs.taz.de/lottmann/2011/07/09/thomas_klupp_gewinnt_ingeborg_bachmann_preis_in_klagenfurt

Fazit: Winkels stürzt über Antonia Baum oder umgekehrt, aber auch aus Burkhard Spinnen mit seiner krankhaften Eitelkeit und seinem Walter Ulbricht Bart wird nun kein zweiter Marcel Reich Ranicki mehr werden. Maja Haderlap und Thomas Klupp werden auf lange Sicht die Klagenfurtgewinner von 2011 sein.

Joachim Lottmann, 54,
gehört zu Deutschlands umstrittenen Schriftstellern und Journalisten. Zuletzt erschien von ihm der Roman „Der Geldkomplex“ (2009).