Zahltag

Budget: Es kommt wieder ein Sparpaket

Budget. Böse Überraschung nach der Wahl: Es kommt wieder ein Sparpaket

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Es war Sommer, es war Ferienzeit, der ÖVP-Wirtschaftsminister war blendender Laune. „Es gibt konjunkturellen Rückenwind“, erklärte Reinhold Mitterlehner am 10. Juli. „Wir werden uns im Herbst gut entwickeln.“
Zwei Monate später war der Urlaub vorbei, die Stimmung aber nach wie vor großartig: „Wir haben immer vorsichtig budgetiert, wir werden kein Sparpaket brauchen“, freute sich SPÖ-Finanzstaatssekretär Andreas Schieder Mitte September.

Ein paar Tage danach, am 24. September, trafen Werner Faymann und Michael Spindelegger im ORF-TV-Duell aufeinander. Man zankte pflichtschuldig, einigte sich aber in einem Punkt: Österreich stehe im Prinzip super da, eine große Steuerreform samt Entlastung der Massen sei bloß noch eine Frage der Zeit.

Und jetzt?

In der Vorwoche wurde bekannt, dass leider ein Budgetloch gigantischen Ausmaßes aufgetaucht ist. Am Freitag trafen sich die Finanzverhandler der Koalitionsparteien mit führenden Wirtschaftsforschern, um in Ruhe ein paar Zahlenkolonnen zu addieren. Anschließend wollte nur der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner eine Summe nennen: Bis 2018 dürften jährlich sechs bis acht Milliarden Euro fehlen, insgesamt also bis zu 40 Milliarden. „Es entsteht ein Konsolidierungsbedarf, der auf den Tisch kommt“, sagte Wallner. Andreas Schieder sprach von einem „Problem, dem sich die nächste Regierung mit gutem Gewissen stellen kann.“ Heißt übersetzt: Die Österreicher müssen sich auf das nächste Sparpaket einstellen – und zwar auf ein großes.

„Glatte Budgetlüge“
Vor Wahlen wird viel geflunkert, das ist bekannt. Schönfärberei und falsche Versprechungen im Wahlkampf gehören nun einmal zum demokratischen Betrieb. Aber was dieses Mal geboten wird, sprengt den üblichen Rahmen gewaltig. Wenige Wochen nach der Nationalratswahl stellt sich heraus, dass praktisch jede Wortspende zur Finanzlage der Republik falsch war. Die versprochene Steuerreform: ein Bluff. Der angeblich sichere Budgetpfad in Richtung Nulldefizit 2016: mit Fantasiezahlen herbeigetrickst. All die schönen Worte über solide Haushaltspolitik: eine Täuschung. Der grüne Parlamentarier Werner Kogler spricht von einer „glatten Budgetlüge“. Er darf das so nennen. Er genießt parlamentarische Immunität.

Natürlich ist die Finanzplanung eines Staates kompliziert und von einigen schwer prognostizierbaren Parametern abhängig. Aber wenn wirklich pro Jahr sechs bis acht Milliarden Euro fehlen, entspricht das einem Zehntel des gesamten Budgets. Ein Fehlbetrag dieser Größenordnung entsteht nicht einfach über Nacht, und er lässt sich auch nicht mit den Unwägbarkeiten der europäischen Konjunktur erklären. ÖVP-Finanzministerin Maria Fekter dürfte – mit Wissen und Unterstützung des Koalitionspartners – einfach bei jeder Variablen den optimistischsten Wert angenommen haben. Im Superwahljahr 2013 ging es schließlich darum, die Bürger nicht zu verunsichern.

Der im Mai nur mit den Stimmen der Regierung beschlossene Finanzrahmen basiert auf Konjunkturprognosen des Vorjahres, die noch deutlich optimistischer waren. Sowohl die angenommenen Steuereinnahmen als auch die Ausgaben des Staates, etwa für Arbeitslose, wurden einfach fortgeschrieben. Doch die Konjunktur gab noch weiter nach und die Zahl der Arbeitslosen wird laut Prognosen 2014 den zweithöchsten Wert seit dem Krieg erreichen. Maria Fekters Zahlenwerk ist damit Makulatur. Grüne und FPÖ hatten schon damals gegen einige Details des Finanzrahmens protestiert. Verklausulierte, aber doch erkennbare Kritik übte auch der Leiter des parlamentarischen Budgetdienstes, Helmut Berger: „Der Konsolidierungspfad ist ambitioniert“, sagte er und warnte unter anderem vor dem unsicheren wirtschaftlichen Umfeld. Ziemlich still blieben Österreichs Wirtschaftsforscher. Wifo-Expertin Margit Schratzenstaller warnte immerhin davor, dass es mit dem angestrebten Nulldefizit 2016 eng werden könnte. „Der Spielraum für Wahlgeschenke ist gering“, sagte sie.

So üppig wie in früheren Wahlkämpfen waren die Versprechen dieses Mal tatsächlich nicht. In Aussicht gestellt wurden aber eine deutliche Erhöhung der Familienbeihilfe und Verbesserungen beim Pendlerpauschale. Ob sich das jetzt noch ausgehen wird, ist fraglich. Sicher nicht realisiert wird die Idee der ÖVP, für jedes Kind einen Steuerfreibetrag von 7000 Euro pro Jahr zu gewähren.

Hypo Alpe-Adria und Pensionen
Von Anfang an klar war der Umstand, dass die Abwicklung der Hypo Alpe-Adria jegliche Budgetplanung über den Haufen werfen könnte. Wie viel die kaputte Bank den Steuerzahler eines Tages in Summe gekostet haben wird, lässt sich noch immer nicht seriös vorhersagen. „Wer behauptet, er wüsste, wie teuer das wird, redet Blödsinn“, meint ein Experte des Finanzministeriums.

Deutlich höher als veranschlagt werden in den nächsten Jahren jedenfalls die Bundeszuschüsse für die Pensionen. Von einem „höheren einstelligen Milliardenbetrag“ ist in Verhandlerkreisen die Rede. Trotz einiger Reformen gelang es bisher nicht, das Pensionsantrittsalter nennenswert zu erhöhen, es liegt noch immer deutlich unter 60 Jahren. „Allein eine Anhebung des Antrittsalters von 58 auf 62 Jahre bringt sieben Milliarden Euro“, erklärte Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl vor Kurzem. Er weiß aber selbst, dass ein Sprung dieser Größenordnung bis auf Weiteres nicht zu erwarten ist.

ÖVP-Chef Michael Spindelegger, der voraussichtlich in der neuen Regierung das Finanzministerium übernehmen wird, könnte aber noch mit ein paar anderen Problemen zu kämpfen haben. Die für Herbst 2014 geplante Revision der EU-Statistikregeln würde Österreich zwingen, einen Teil der Schulden von ausgelagerten Unternehmen dem Bundeshaushalt zuzurechnen. Davon betroffen wären unter anderem die ÖBB-Infrastruktur und die Bundesimmobiliengesellschaft. Wifo-Expertin Schratzenstaller: „Wir haben immer auf diese Unsicherheit hingewiesen. Aber es ist natürlich schwer, das in der Budgetplanung zu quantifizieren.“ Laut Berechnungen der Ratingagentur „Standard & Poor’s“ würde das den Schuldenstand der Republik um vier Prozentpunkte erhöhen – auf insgesamt fast 80 Prozent des BIP.

Welche Extras in den sechs bis acht Milliarden jährlichem Fehlbetrag bereits enthalten sind, wurde bisher nicht verraten. Die Verhandler von SPÖ und ÖVP wollten am Freitag überhaupt keine Details bekannt geben. Versprochen wurde allerdings, dass bis Ende dieser Woche ein Bericht präsentiert wird. Der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer bemühte sich nach dem Kassasturz um Imagepflege: „Niemand wird bewusst tricksen, ich schließe das aus.“

„Es gibt Reserven in den Ressorts, es gibt Rücklagen, wir nehmen auch Privatisierungserlöse für den Budgetpfad. Es wird keine zusätzlichen Belastungen geben.“
Finanzministerin Maria Fekter am 5. Juli 2013

„Es gibt konjunkturellen Rückenwind. Wir werden uns im Herbst gut entwickeln.“
Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner am 10. Juli

„Es gibt viele Unsicherheiten und zusätzliche Belastungen, die den Budgetplan durcheinanderwerfen. Ein Sparpaket ist unvermeidlich.“
IHS-Chef Christian Keuschnig am 13. September

„Wir haben immer vorsichtig budgetiert, wir werden wegen all
dieser Dinge kein Sparpaket brauchen.“

Reaktion von Staatssekretär Andreas Schieder

„Wir wollen die Familien als Erstes entlas-ten. Wir glauben auch, dass wir zu viel und zu hohe Steuern haben, insbesondere auf den Faktor Arbeit.“
Maria Fekter am 15. September

„Die Steuerreform, die wir vorgelegt haben, hat mit drei Milliarden Euro dasselbe Volumen wie die Steuerreform am Beginn dieser Regierung. Es ist ein Vorschlag, der von allen namhaften Wirtschaftsforschern des Landes gutgeheißen wird.“
Werner Faymann am 22. September

Rosemarie Schwaiger