„Um ein Mehrfaches teurer“

Entacher: Berufsheer „um ein Mehrfaches teurer“

Interview. Generalstabschef Edmund Entacher über die Folgekosten eines Umstiegs auf ein Berufsheer

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Interview: Otmar Lahodynsky

profil: Laut Zeitungsberichten werden Sie Ende Oktober in Pension gehen. Sie verlassen die Kommandobrücke noch vor der Volksbefragung über die Wehrpflicht?
Entacher: Ich habe selbst nie gesagt, dass ich frühzeitig in Pension gehen werde, sondern stets betont, dass ich meinen Vertrag erfüllen werde. Wir haben die Volksbefragung am 20. Jänner, ein Schicksalsdatum für das Bundesheer und Österreich. Und daher bleibe ich zumindest so lange auf dem Gefechtsstand.

profil: Droht dem Generalstab eine Spaltung in der Streitfrage Beibehaltung oder Abschaffung der Wehrpflicht? Einige haben sich ja bereits für ein Berufsheer ausgesprochen.
Entacher: Die Gefahr einer Spaltung sehe ich nicht. Zwar lässt die Meinungsfreiheit unterschiedliche Meinungen zu diesem Thema zu. Ich glaube aber, dass nur eine verschwindende Minderheit der Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten für ein Berufsheer ist.

profil: Einige Generäle haben aber klar für die Umstellung auf ein Berufsheer geworben.
Entacher: Es ist ein Merkmal der sehr wenigen Berufsheerbefürworter, dass sie Budgetaspekte konsequent auslassen. Damit ist die Lage von vornherein falsch beurteilt. Wenn man die heutigen Leistungsparameter fürs Bundesheer anlegt, etwa dass wir insgesamt nicht schwächer werden dürfen, dann ist jede Form des Berufsheers teurer.

profil: Wieso?
Entacher: Wenn ich nur die derzeitigen Budgetkosten für unsere Rekruten mit den zukünftigen Lohnkosten von 9000 Längerdienenden vergleiche, dann kommen die Berufssoldaten um ein Mehrfaches teurer.

profil: Die Katastrophenhilfe soll die neue Profimiliz übernehmen, die pro Jahr und Kopf 5000 Euro kassieren soll.
Entacher: Zunächst wehre ich mich dagegen, dass manche unserer Rekruten, die sich seit Jahrzehnten bei Katastropheneinsätzen – zuletzt wieder in der Steiermark – bewährt haben, jetzt als Laienspieler heruntergemacht werden. Das Modell hat bisher bestens funktioniert. Wenn es zukünftig 10.000 Freiwillige geben soll, braucht man allein für diese Prämien weitere 50 Millionen Euro. Das wäre zusammen mit den Ausgaben für Längerdienende eine Erhöhung des Bundesheerbudgets nur durch diese beiden Maßnahmen um bereits vier bis fünf Prozent. Das ist leider undenkbar. Wenn man es trotzdem macht, heißt das, dass die Struktur kleiner werden muss. Oder die Personalkosten steigen derart an, dass für Investment und laufenden Betrieb fast nichts mehr übrig bleibt.

profil: Laut dem von Minister Darabos favorisierten Modell 3 soll das Berufsheer alle bisherigen Aufgaben aber mit dem derzeitigen Budget erfüllen.
Entacher: Das ist nicht möglich. Diese Berechnungen stimmen nicht und wurden vom Generalstab so auch nie approbiert.

profil: Für die immer wichtigeren Auslandseinsätze braucht man keine Grundwehrdiener.
Entacher: Mehr als die Hälfte unserer Soldaten im Ausland kommt aus der Miliz oder Reserve. Die anderen sind Berufssoldaten – eine seit 52 Jahren geübte Praxis. Wir haben derzeit 1300 bis 1500 Mann im Auslandseinsatz. Kommt das Berufsheer, sinkt diese Zahl in kurzer Zeit um die Hälfte, weil der Milizanteil wegfällt. Das bedeutet eine Einschränkung unserer außenpolitischen Möglichkeiten.

profil: Werden sich ausreichend Freiwillige fürs Berufsheer mit Profimiliz melden?
Entacher: Nach meiner Erfahrung, eindeutig nein. Trotz guter Bezahlung wurde die B-Gendarmerie oder später die Bereitschaftstruppe bei Weitem nicht aufgefüllt. Auch bei den jetzigen Kaderpräsenzeinheiten, also Berufssoldaten, halten wir nach einem langen und mühseligen Aufbau jetzt bei 2000 Mann. Woher sollen dann diese neuen 9000 Mann kommen? Das kann nicht funktionieren. Auch die so genannte Profimiliz wird schwer zu rekrutieren sein, solange es keine rechtliche Regelung gibt, dass so ein Freiwilliger nicht seinen Job verliert, wenn er beim Katastropheneinsatz mitmacht.

profil: Aber eine Fortführung des bestehenden Heeresmodells mit Wehrpflicht ist doch auch problematisch. Grundwehrdiener werden hauptsächlich als Systemerhalter, als Fahrer, Köche oder Schreiber eingesetzt. Beschlossene Reformen konnten bis heute nicht umgesetzt werden.
Entacher: Da bin ich ganz bei Ihnen. Wir mussten unter Minister Günther Platter entgegen den Empfehlungen der Bundesheer-Reformkommission zu früh in die 6-Monate-Dienstzeit hinein. Damals wurden auch die Waffenübungen ausgesetzt. Das waren zwei große Schäden. Dadurch entstand großer Handlungsbedarf. Im Jahr 2010 gab es erfolgreiche Truppenversuche, wie man den Wehrdienst optimieren kann. Durch den Schwenk des Ministers zum Berufsheer wurden diese Versuche praktisch be­endet.

profil: Warum soll Österreich nicht auf ein Berufsheer umstellen, wenn es fast alle EU-Länder getan haben?
Entacher: In Österreich ist manches ganz anders. Zum Beispiel sind in Europa nur wenige Länder neutral. Das stört uns doch auch nicht. Und bei der Aufzählung der Länder mit Wehrpflicht werden relevante Länder oft übersehen: Finnland, Dänemark, Norwegen, die Schweiz, aber auch Russland oder die Türkei haben noch die Wehrpflicht, nicht nur Griechenland und Estland.

profil: Das neutrale Schweden ist aber auf ein Berufsheer umgestiegen.
Entacher: Schweden vollzieht eine andere Politik. Die haben eine Düsenstaffel nach Libyen oder Special Forces nach Afghanistan geschickt. Die fahren einen anderen Kurs und haben auch ein höheres Militärbudget. Noch einmal: Ich bin nicht prinzipiell gegen ein Berufsheer, aber solange es dafür die finanziellen und dienstrechtlichen Rahmenbedingungen nicht gibt, werde ich weiter vor einem Abgehen von der Wehrpflicht warnen.

profil: Wie geht die Volksbefragung aus?
Entacher: Ich bin optimistisch, dass die Wehrpflicht erhalten bleibt.