Bundesheer: Mehrfrontenkrieg

Minister Darabos plant radikalen Personalabbau

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Vergangene Woche spannte Verteidigungsminister Norbert Darabos über den Feiertag im heimatlichen Dorf Kroatisch Minihof im Mittelburgenland aus. Nur 300 Meter von seinem Haus entfernt verläuft die Staatsgrenze zu Ungarn. Und diese bewachen rund um die Uhr Soldaten des Bundesheeres im Assistenzeinsatz. Früher wurden hier die meisten illegalen Grenzübertritte verzeichnet. Schon seit Monaten wird Darabos von den Anrainern bestürmt, die Soldaten über das Jahr 2008 hinaus an der Grenze zu belassen.

„Die Leute fühlen sich einfach sicherer, wenn das Bundesheer dort präsent ist“, erklärt Darabos und erzählt, dass sich in seinem Dorf Wirtschaftsflüchtlinge aus Rumänien schon öfter Autos „ausgeborgt“ hätten, um damit nach Italien zu fahren.

Doch vor einer Verlängerung des Grenzeinsatzes des Bundesheeres gebe es noch ein rechtliches Problem zu klären: Mit der Verlagerung der Schengen-Grenze in Richtung Osten wäre Österreichs Grenze zu Ungarn und der Slowakei die einzige EU-Binnengrenze, an der Soldaten stationiert wären.

Norbert Darabos grübelt derzeit auch über ein persönliches Problem: seine laut Umfragen niedrigsten Beliebtheitswerte aller Minister. Sein Alleingang mit der Reduktion der 18 bestellten Eurofighter um drei Flugzeuge hat ihm Kritik von allen Seiten, vor allem vom Regierungspartner ÖVP, eingebracht. Der burgenländische ÖVP-Klubobmann bezeichnete Darabos gar als „Sicherheitsrisiko“. Nun rüstet der SPÖ-Politiker, der von den Schwarzen als „Selbstverteidigungsminister“ verspottet wird, zur Gegenoffensive. „Ich habe die ständigen Attacken der ÖVP satt“, meint Darabos. „Denn ich muss jetzt Probleme lösen, die mir meine Amtsvorgänger Günther Platter und Herbert Scheibner hinterlassen haben.“

Dem Burgenländer, der vergangenen Montag heimlich den Eurofighter samt Personal in Zeltweg besuchte, droht nun ein Krieg gleich an mehreren Fronten.

Beamtenheer. Im Bundesheer formiert sich gerade wegen einer neuen Kommandostruktur hinhaltender Widerstand. Darabos ließ vor zwei Wochen die Posten von 21 Führungsoffizieren im Bundesheer neu ausschreiben. Ihre 5-Jahres-Verträge laufen Ende November aus. Für eine Neubesetzung muss der Minister noch im August alle Vorbereitungen getroffen haben. Andernfalls könnten etwaige Einsprüche bei den Beschwerdekommissionen die Reform noch zu Fall bringen. An der Spitze der neuen Struktur soll ein deutlich um Kompetenzen aufgewerteter Generalstabschef stehen (siehe auch Kasten Seite 15). Obwohl es relativ wenige SPÖ-nahe Führungsoffiziere gibt, befürchten schwarze Personalvertreter eine personelle Umfärbung durch Darabos.

Dabei ist die Neuausschreibung der Spitzenpositionen eine Hinterlassenschaft seiner Amtsvorgänger. Herbert Scheibner war es, der die Topleute im Verteidigungsministerium mit 5-Jahres-Verträgen ausstattete. Heute kritisiert sein direkter Amtsvorgänger Günther Platter just jene Vorgangsweise – und das, obwohl Platter als Innenminister demnächst vor einem ähnlichen Szenario steht. Auch im Innenministerium laufen ebenfalls Spitzenverträge aus, darunter jener des Chefs des Bundeskriminalamts.

Mutiger ist der Heeresminister schon bei einer neuen Flanke, die er nun eröffnet. Im profil-Interview kündigt Darabos an, im Zuge der Zentralstellenreform rund 20 Prozent aller Mitarbeiter im Ministerium einsparen zu wollen. Darabos: „Das personelle Gewicht muss zur Truppe hin verlagert werden“ (siehe Interview Seite 14). Derzeit zählt die Heeresverwaltung rund 1200 bis 1300 Jobs, mehr als 200 will der Minister nun abbauen. „Wir brauchen keine Armee, die sich selbst verwaltet“, so Darabos. Entsprechende Gespräche liefen derzeit mit der Personalvertretung, Sozialpläne seien bereits in Arbeit. Der geplante Abbau dieser Hundertschaften ist ohnehin nur ein Vorbote auf die Reform 2010: 3000 bis 4000 Mann, so heißt es aus führenden Armeekreisen, säßen dann möglicherweise auf Posten, die keine Verwendung mehr haben. Übersetzt heißt dies: Zumindest jeder achte Heeresbedienstete wäre dann unter Umständen überflüssig. Darabos sitzt in der Zwickmühle: Tut er nichts gegen diese Überbestände, wird er dafür politisch gescholten; baut er sie ab, verscherzt er es sich gänzlich mit den Heeresbediensteten.

Der angestaute Frust unter Bundesheerführungskräften ist enorm: Lücken in der Ausrüstung gefährden laut internen Berichten inzwischen bereits Einsätze bei größeren Naturkatastrophen. Der Fuhrpark des Heeres ist total veraltet. Hubschrauber und sogar Kampfanzüge fehlen.

Milizverbände kritisieren Darabos dafür, dass er das durch den neuen Eurofighter-Vertrag eingesparte Geld nicht für das Bundesheer reserviert habe. Der Heeresminister will nun das Armeebudget um bis zu 60 Millionen Euro pro Jahr aufstocken. Zu wenig, zu spät, klagen Offiziere. Seit Monaten liegen sie ihm mit einer zumindest dreistelligen Untergrenze in den Ohren.

Der Streit um neue Abfangjäger führte zu tiefen Grabenkämpfen zwischen SPÖ und ÖVP. Zuletzt geriet Darabos unter schweren Beschuss von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein. Dieser fragte bei der Eurofighter GmbH in Deutschland nach, ob sich die geringere Zahl von bestellten Abfangjägern auch auf die vereinbarten Gegengeschäfte für österreichische Firmen auswirken würden. Die wenig überraschende Antwort von Eurofighter-Boss Aloysius Rauen: Ja, die Aufträge würden um einen aliquoten Anteil von den vereinbarten vier Milliarden Euro reduziert werden. Eine konkrete Summe nannte er nicht.

Darabos wehrte sich mit Gegenvorwürfen. So habe Bartenstein diese Regelung selbst in den ersten Vertrag hineinreklamiert – und auf sein briefliches Ersuchen von Ende Mai, ihm den von Bartenstein ausgehandelten Gegengeschäftsvertrag mit Eurofighter zu übermitteln, erst Anfang Juli geantwortet. Doch da hatte Darabos bereits seinen Deal mit Eurofighter in der Tasche.

Milchmädchen. Der Verteidigungsminister gibt an, er habe bei seinen Verhandlungen mit Eurofighter als Hauptziel die Ersparnis für den Steuerzahler, die er mit 400 Millionen Euro berechnet, verfolgt. Unter den von Bartenstein erwähnten Gegengeschäften seien viele noch nicht einmal angebahnt, schießt Darabos zurück. „Diese Milchmädchenrechnungen, die mir im Zusammenhang mit dem Eurofighter-Ankauf vorgeworfen wurden, kann ich genauso ins Treffen führen, weil viele von diesen angeblichen Geschäften offenbar Luftgeschäfte sind.“

Im Wirtschaftsministerium wird diese Behauptung scharf zurückgewiesen. Von 2003 bis 2005 seien bereits Gesamtaufträge im Gesamtwert von über 880 Millionen Euro an österreichische Firmen vergeben worden. „Damit wurden österreichische Arbeitsplätze gesichert oder neu geschaffen, die der Verteidigungsminister durch seinen Alleingang gefährdet“, kritisiert Bartenstein. Kolportiert wird eine Reduktion dieser Aufträge um bis zu 800 Millionen Euro.

„Darabos hat alles falsch gemacht, was man nur falsch machen kann“, kritisiert der grüne Abgeordnete und ehemalige Vorsitzende des Eurofighter-Untersuchungsausschusses, Peter Pilz: „Die Eurofighter GmbH hat begriffen, dass Darabos schwach ist. Jetzt nützt sie dies aus und beginnt zu diktieren. Als Erstes werden die Gegengeschäfte reduziert.“ Gegenüber Milizvertretern sei Darabos ebenfalls in die Knie gegangen. „Da wollen alte Herren weiter Krieg spielen.“

Auch in der SPÖ hat Darabos viele verstört, vor allem jene, die auf einen Totalausstieg aus dem Eurofighter-Vertrag gehofft hatten. Die Symbolik, Darabos bei der dringlichen Anfrage im Nationalrat Anfang Juli alleine auf der Regierungsbank sitzen zu lassen, sprach für sich.

„Man hat den armen Mann in eine hoffnungslose Schlacht geschickt und ihn von allen Seiten, auch von der SPÖ, unfair behandelt“, kommt ihm der Unternehmer und Ex-SPÖ-Politiker Hannes Androsch zu Hilfe: „Alle wussten, dass man aus dem Vertrag nicht aussteigen kann.“

Spurensuche. Gegengeschäfte im Rüstungsbereich seien immer problematisch, da schwer quantifizierbar. „Man kann nicht genau bestimmen, welche Aufträge wirklich neu oder schon durch frühere Geschäfte entstanden sind“, so Androsch.

Auch die Prozedur ist wenig transparent. Im Wirtschaftsministerium werden die jeweils bis Mai gemeldeten Geschäfte geprüft. Die „Plattform Gegengeschäfte“, in der neben vier Ministerien auch Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer und Industriellenvereinigung vertreten sind, bewertet sie danach. „Die eigentliche Prüfung nimmt das Wirtschaftsministerium vor“, erklärt ein Mitglied der Plattform, das lieber anonym bleiben möchte: „Wir fungieren ein wenig als Feigenblatt für den Wirtschaftsminister, weil wir nur den Forschungs- und Bildungsbereich überprüfen.“

Wohl aus diesem Grund ist das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo seit 2005 dort nicht mehr vertreten und hat auch Studien über Gegengeschäfte abgelehnt. „Es ist sehr schwierig, den volkswirtschaftlichen Nutzen solcher Geschäfte zu ermitteln“, erklärt Wifo-Experte Hannes Leo. Zusätzliches Problem: „Da Rüstungsunternehmen keine Wohltäter sind, lassen sie sich auch den Aufwand für die Abwicklung der Gegengeschäfte vergüten“, so Leo. Für Eurofighter werkt dafür die Firma European Business Development, die im Untersuchungsausschuss durch ihre Treuhänder auffiel: Alfred Plattner, Geschäftspartner von EADS-Lobbyist Steininger und Waffenhändler Walter Schön.

„Wir hätten gerne mehr über diese Firma erfahren“, erklärt der SPÖ-Abgeordnete Günther Kräuter. „Aber die meisten Akten aus dem Finanzministerium waren geschwärzt. Und als wir Spuren nach England verfolgen wollten, war plötzlich der gesamte U-Ausschuss beendet.“

Von Otmar Lahodynsky