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Coca Coalition

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Dieser Tage sitzen Willi Resetarits und ich beieinander, in unserem mit Recht so genannten Tschecherl. Wir nehmen bedächtig Grundnahrungsmittel zu uns, ein Glas nach dem anderen, nie zwei auf einmal. Die Stimmung ist angenehm, weil lauwarm, keine Erregungen. Ein leiser Grant liegt in der Luft, der in Wien als Wohlfühlfaktor unentbehrlich ist, und selbst dieser hat nichts mit uns zu tun, sondern mit den Floridsdorfern, die sich über die aktuelle Politik erregen.
Wenn Doktor Kurt Ostbahn, wie Resetarits früher gerufen wurde, zur Toilette geht, folgen ihm zwei, drei andere nach. Das ist des Sängers Fluch. Sie wollen aber keine Intim-Autogramme, sondern eine Bestätigung: dass er die neue große Koalition genauso beschissen findet wie sie.

Er ist ur-freundlich, gibt den Herrschaften prinzipiell Recht. Mehr Rot und weniger Schwarz wäre ihm lieber gewesen. Ein bissl enttäuscht sind die Fans trotzdem, weil er zu sanft wirkt. Er schäumt nicht, er schreit nicht herum, verwendet keine kreativen Schimpfwörter. Das ist nicht sein Stil. Beziehungsweise nicht mehr sein Stil.

Herr Resetarits war früher das Urmeter der österreichischen Linksradikalen. Heute, mit dem ersten Silber im Bart, ist er zu einem Humanisten verkommen, der den Armen, Asylanten, Außenseitern und Augustins mehr hilft als jeder andere Österreicher. Das Wilde ist weitgehend dem Milden gewichen. Ein paar Eruptionen hier und da, mit Feuer und Rauch und Lava, aber gleich danach probiert er lieber, ob man mit Kurden gemeinsam Musik machen kann. Das ist echt schwierig. Eigentlich geht es nicht, aber ihm gelingt es, weil er alles hat, was man dafür braucht. Er ist einerseits Instinktmusiker, anderseits akademisch geschulter Musikwissenschafter. Er weiß alles, was man als Wiener Vielharmoniker (sic!) wissen muss, pfeift aber meistens auf die Theorie, um sein Ur-Gefühl für Musik nicht zu verlieren. Dieses kommt ja nicht aus dem Kopf, sondern aus dem Zwischenstromland zwischen den beiden großen Zehen.

Ehe wieder die Politik dran ist, reden wir im Tschecherl über Musik. Über die Wandlung vom Rocker zum Blues-Poeten. Über den tollen Erfolg seiner praktisch vergriffenen CD „Stub’n Blues“, mit deren Programm er tourt. Irgendwie erinnert er jetzt ans Alte Testament: „Und siehe, er kam hüpfend über die Berge.“ Die nächste CD kommt bald. Viel Neues, ofenfrisch, aufregend. „Wie Bob Dylans jüngste ‚Modern Times‘?“, frage ich. Bescheuerte Frage. Jeder außer mir weiß, dass man in Gegenwart eines Musikers nicht eitel den Namen eines anderen Musikers nennen soll. „Ja, nur unwesentlich besser“, knurrt Herr Resetarits.

Ein Gast durchbricht die Idylle. Er ist seit Jahrzehnten ein treuer Leser von profil und „trend“. „Auf ein Wort“, sagt er und bittet mich an die Theke. Er habe zwei Fragen. Frage 1: Wie es käme, dass Herr R. und ich so innig beisammensäßen, ein Konservativ-Liberaler und eine große, rote Seele; wir müssten doch Hund und Katze sein? Antwort 1: Freundschaft brauche so wie Liebe auch Spannung. Wo der eine eine Lücke hat, soll der andere einen Zahn haben. Außerdem seien gute Gegner heutzutage schwer zu finden.

Frage 2: Was denn ich von der neuen Koalition hielte. Antwort 2: Es sei mir vertraglich untersagt, darüber zu sprechen, weil ich Geld dafür bekäme, darüber zu schreiben.

Das hole ich jetzt nach, schon aus Höflichkeit, weil ich alle klugen Leserinnen und schönen Leser als meine Ernährer vergöttere. Also: Ich bin ganz von den Socken. Ich bin echt begeistert. Ich hätte mir das nie träumen lassen. Es wird für immer mein größter Triumph als Kolumnist sein. Zum ersten Mal folgte man lupenrein meinen bescheidenen Ratschlägen.

Ich habe ja auf Knien gebeten, man möge – in den Worten von Karl Marx – den materialistischen Unterbau der Gesellschaft, die Wirtschaft, in einer großen Koalition den Schwarzen anvertrauen. Dass Sozialdemokraten in Geldsachen zwei linke Hände haben (beide fürs Ausgeben), wusste man schon vor den Skandalen Konsum, ÖGB, Bawag. Den Überbau hingegen, eine möglichst herzliche, breite, solidarische Evolution der Gesellschaft samt neuem Schwung in Kunst & Kultur möge man den Roten anvertrauen. Die Schwarzen sind dafür nix. Sie sind gute Bewahrer, aber völlig ungeeignet, als Avantgarde der Geisteswelt Wagnisse einzugehen.

Molterer wird ein guter Finanzminister sein. Er wird wie der Drache Fafner aufs Geld schauen. Dies heißt nicht in erster Linie: sparen. Sondern: den Unternehmern zu helfen, noch erfolgreicher Geld ins Land zu schaufeln. Mein Darling-auf-Verdacht in der neuen Regierung, neben der erstklassigen Außenministerin Ursula Plassnik, ist Claudia Schmied. Sie wird sich um Kultur und Bildung kümmern. Sie hat mit 47 ein ideales Alter und kennt dank ihres Werdeganges alle Aspekte des Lebens, die viereckigen und die wolkigen. Speziell sie verdient zunächst jede Unterstützung. Gegebenenfalls auch, wie Willi Resetarits sagen würde, Trost und Rat.