„Könnte mich gar nicht verbiegen“

Nicolas Mahler: „Könnte mich gar nicht verbiegen“

Interview. Der Wiener Zeichner Nicolas Mahler über Österreichs ­Desinteresse an Comics und die Feigheit der Journalisten

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Interview: Philip Dulle

profil: Können sich Graphic Novels für Verlage rechnen?
Mahler: Die Menschen kaufen ja nur Sachen, die sie bereits kennen. Literarische Adaptionen oder Biografien eignen sich daher finanziell am ehesten für zeichnerische Bearbeitung. Mit rein fiktiven Geschichten ist das schon schwerer.

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Sind Comics im Mainstream angekommen?
Mahler: Verkaufsschlager werden Comics bei uns wohl nie sein. Viele Leute haben einfach eine Abscheu gegenüber Zeichnungen. Sie sind ihnen nicht ernsthaft genug. Es gibt noch immer diesen Glauben, dass Druckwerke, die nicht dicht bedruckt und ausufernd sind, nicht tiefgründig sein können. Literaturkritiker haben oft ein Problem mit kurzen, auf das Wesentliche reduzierten Werken.

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Wie lebt es sich unter dieser Voraussetzung als Comic-Künstler in Wien?
Mahler: Wahrscheinlich lukriere ich nur fünf Prozent meines Einkommens in Österreich. Ich hatte Glück, dass meine Bücher sehr bald im Ausland veröffentlicht wurden.

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In Österreich haben Sie keinen Ruf?
Mahler: In Österreich tut sich nichts! In Deutschland gibt es wenigstens ein paar Comic-Serien in den Feuilletons.

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Warum funktioniert das Comic-Genre in Österreich nicht?
Mahler: Ein Grundübel in Österreich ist, dass man sich hier nichts traut. Dafür gibt es in Zeitungen immer mehr Kolumnen. Launiges aus dem Privatleben des Innenpolitikredakteurs - das finde ich furchtbar. In anderen Ländern würde an dieser Stelle ein Comic stehen.

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Sie haben Thomas Bernhards "Alte Meister“ für den Suhrkamp Verlag adaptiert. Sehen Sie das als Brotjob?
Mahler: Ich sehe da keinen Unterschied zu meiner sonstigen Arbeit. Ich bin in meinem Stil sehr limitiert und könnte mich gar nicht verbiegen.

profil:
Wurden Sie für Ihre Literaturbearbeitung angefeindet?
Mahler: Die älteren Bernhard-Fans waren begeistert. Skeptisch sind eher die Junggermanisten, die wohl alles sehr dogmatisch sehen müssen. Da mangelt es wahrscheinlich am Humor.

profil:
Warum gerade Bernhard?
Mahler: "Alte Meister“ war mein Wunsch. Ein schlechtes Buch wäre natürlich leichter gewesen, das kann man wenigstens noch verbessern. Aber was ich während der Arbeit gemerkt habe: "Alte Meister“ eignet sich ideal für eine Comic-Adaption, da der Text hauptsächlich über Bilder funktioniert.

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Nicolas Mahler,
geboren 1969, lebt als Zeichner in Wien. Mit seinem umfang­reichen Werk, das inzwischen rund 30 Bände umfasst, wurde er vor allem in Frankreich, den USA und ­Kanada bekannt.