Rainer Nikowitz

Danke, Banker!

Danke, Banker!

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Jetzt ist die Zeit gekommen, in der wir eng zusammenstehen müssen. Schnöde Einzelinteressen haben in Zeiten der Krise in den Hintergrund zu treten, denn schließlich war es ja auch Ihre blanke Gier nach einer Zusatzpension im hohen dreistelligen Bereich, die dem Kapitalmarkt nicht gerade mehr Stabilität verliehen hat, und Ihr, jawohl, Ihr Tilgungsträger für den Fremdwährungskredit, der die globale Blase endgültig zum Platzen gebracht hat.

Dass Sie jetzt die Rechnung für dieses ebenso verantwortungslose wie moralisch verwerfliche Tun präsentiert bekommen, ist zwar nicht billig, aber zweifellos recht. Ihre Zusatzpension wird Sie statt nach Florenz gerade noch bis Floridsdorf bringen – so Sie dort wirklich hinwollen –, und Ihr hervorragend laufender Tilgungsträger wird Sie irgendwann zum stolzen Besitzer Ihrer eigenen Garage machen – es sei denn, es stört den neuen Eigentümer Ihres restlichen Hauses, dass Sie unter seinem Auto schlafen. Doch auch in schweren Zeiten sollte man nicht auf seine Nächsten vergessen und den Blick über den Rand des leeren Tellers schweifen lassen. Es ist zwar schön und gut, dass weltweit Staaten mit unserem Geld faule Kredite übernehmen, um wankende Banken vor dem Ruin zu retten. Leider wird aber dabei völlig auf die Menschen hinter den Glasfassaden vergessen, die unter diesem ganzen Geschehen entsetzlich leiden. Sie stehen jetzt ganz allein da: massenhaft süße Banker mit großen Augen, die Schutz und Geborgenheit brauchen. Und genau da sind wir alle höchstpersönlich gefordert: Jeder von uns sollte sich um einen der vom Schicksal so heftig gebeutelten Banker kümmern. Am besten mit einer Patenschaft. Oder man lässt ihn gleich bei sich einziehen.

Sie werden bald merken, dass so ein Banker in der Regel ein höchst pflegeleichter und umgänglicher Hausgenosse ist. Er schmutzt nicht, außer wenn er gezwungen ist, einige wertlose Futures in kleine Fuzel zu zerreißen. Er lärmt nicht, außer wenn er um die Yacht weint, die er jetzt eher nicht bestellen kann. Allerdings empfiehlt sich die Erstellung einer Hausordnung, um von Anfang an Missverständnisse zu vermeiden. In dieser sollte etwa festgelegt werden, dass alles, was der Banker verdient, natürlich ihm gehört, wohingegen Verluste von Ihnen übernommen werden. Diese buchhalterische Maßnahme stärkt einfach das Grundvertrauen des von der Welt schwer enttäuschten Bankers – und gerade davon gibt es ja im Moment viel zu wenig.

Sie werden im alltäglichen Leben rasch feststellen, dass sich der Banker vorwiegend von Lebensmitteln ernährt, deren Mehrwertsteuer unter Garantie niemals gesenkt werden wird. Das tut er aber nicht böswillig – er ist bedauerlicherweise gegen das billige Zeug einfach allergisch. Dafür ist Ihr Banker aber gegen eine kleine Prämie von 30 bis 40 Millionen Euro sicher gerne bereit, den Müll rauszubringen, ohne dabei die Weltwirtschaft in die Luft zu sprengen.

Mitunter, vor allem nachts, wenn der Banker von Swaps und Schweinebäuchen träumt, fröstelt es ihn gern einmal. In diesem Fall sollten Sie ihn mit ein paar Derivaten schön kuschelig zudecken, dann geht es ihm rasch wieder besser. In ganz schweren Fällen hat auch schon das Absingen des Liedes „Gold und Silber lieb ich sehr, kann’s auch gut gebrauchen – hätte gern ein ganzes Meer, mich hineinzutauchen“ sehr zufrieden stellende Ergebnisse gezeitigt.

Überfordern darf man seinen Banker natürlich nicht, für schwierigere Tätigkeiten in Haushalt und Garten sollte er eher nicht verwendet werden. Jedermann wird schließlich einsehen, dass es ein Unterschied ist, ob man täglich mit dem Bruttosozialprodukt von Spanien hantiert oder mit gefährlichen Dingen wie einem Brotmesser oder einer Kaffeemaschine.
Aufwühlende Debatten, in denen die Worte „Kapitalismuskritik“, „Marktaufsicht“ oder auch „mieser Spekulant“ vorkommen, sind tunlichst zu unterlassen, sollte einmal ein kleiner Ausrutscher in diese Richtung passieren, empfiehlt es sich, zur Wiederherstellung der psychischen Integrität des Bankers überall im Haus die Kurven von Dow Jones, DAX und ATX aufzuhängen. Überflüssig zu erwähnen, dass diese mit dem Vorjahr enden sollten. Und keine Angst: Sowie die aktuelle Krise überwunden ist, wird Ihr Banker ebenso schnell wieder aus dem Haus sein, wie er gekommen ist. Sie sehen ihn dann höchstens wieder, wenn er Ihnen hohe Zinsen in Aussicht stellt. Für Ihren nächsten Kredit.